Rückblick Schulstunde 3

Rückblick Schulstunde "Leseschlau"

In der zweiten Schulstunde zu aktuellen Leselehrmitteln wurde am 4. September 2019 das Schweizer Lehrmittel "Leseschlau" vorgestellt. Autorin ist Ursula Rickli, die ihre langjährige Erfahrung als Lehrperson auf der Unterstufe sowie als Dozentin für Deutschdidaktik in dieses Lehrmittel hat einfliessen lassen. Laut Rickli arbeitet in der Deutschschweiz rund jedes dritte Kind mit "Leseschlau", die Verbreitung schwankt zwischen den Kantonen allerdings stark.

Die 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Schulstunde kamen als "Schülerinnen" bzw. "Schüler" in den Genuss von nicht nur einer, sondern gleich drei kurzen Schulstunden – einer zu jeder der drei Phasen, mit denen das Lehrmittel arbeitet. Von den 30 anwesenden Personen arbeiten 14 selber als Lehrpersonen mit "Leseschlau". Für diese ist Ricklis Ansatz deshalb bereits vertraut, die übrigen Schülerinnen und Schüler müssen sich dagegen erst in die charakteristischen Sprechbewegungsbilder einfinden.

Zu Beginn von Phase 1 stellen sich die Schülerinnen und Schüler vor, sie seien noch einmal sechs Jahre alt und hätten bereits ein paar Wochen die erste Klasse besucht. Phase 1 beginnt mit dem genauen Hinhören, Nachahmen und deutlichen Aussprechen von Lauten. Wichtig ist der Lehrerin besonders die Unterscheidung ähnlicher Laute wie b und p, was später bei der Rechtschreibung wichtig ist.

Einige erste Laute wurden in den vergangenen Wochen bereits erlernt und damit erste Wörter gelesen – allerdings noch ganz ohne Buchstaben! Anstelle von Buchstaben, die mit Lauten verbunden und erlesen werden, arbeitet "Leseschlau" in den ersten Wochen mit sogenannten Sprechbewegungsbildern, welche die Mund-, Lippen- und Zungenstellung der Laute darstellen. Um die Lauttafeln mit ihrem zugehörigen Laut zu verbinden, hängen Bilder an der Wandtafel und werden zunächst gemeinsam vorgelesen. Danach werden die Buchstaben zu Wörtern wie OMA oder SALAMI zusammengeschliffen und so gelesen. Zunächst sind alle Wörter lauttreu, werden also genau so geschrieben wie gesprochen.

Am Ende von Phase 1, der Phase der Sprechbewegungsbilder, haben die Schülerinnen und Schüler Zeit, selbst Aufgaben aus verschiedenen Materialangeboten auszuwählen – Übungen mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden (1–3 Sterne) oder verschiedene Spiele. Das Material gibt einen Einblick, wie die Binnendifferenzierung innerhalb von heterogenen Klassen aussehen kann, um allen Kindern mit ihrem unterschiedlichen Vorwissen und Lerntempo gerecht zu werden. Die ganze Klasse arbeitet mit denselben Unterlagen, allerdings lösen manche vielleicht alle verfügbaren Aufgaben, während sich andere in derselben Zeit mit nur einer beschäftigen.

Nun gibt es einen imaginären Zeitsprung hin zur Phase 2, welche nach den Herbstferien startet. In der Phase der Buchstaben werden die Lautbilder mit Buchstaben verbunden. Visuell sind die Buchstaben auf den Lauttafeln über der Mundstellung angeordnet, da sich das menschliche Auge beim Betrachten eines Gegenstandes von unten nach oben, hier also vom Bekannten zum Unbekannten, bewegt. Zunächst werden nur Grossbuchstaben gelesen und geschrieben, da diese sich eindeutig voneinander unterscheiden und dadurch weniger verwechselt werden. So wird die Buchstaben-Lautverbindung gefestigt, was Kindern mit einer potentiellen Lese- und Schreibschwäche die Unterscheidung zwischen ähnlichen Buchstaben wie D und B anstelle von d und b erleichtert. Dazu trägt auch der vorgegebene Schreibablauf bei. Durch verschiedene Spiele werden aber Gross- und Kleinbuchstaben bereits miteinander verbunden. Bereits nach nur sieben Wochen sind Kinder in der Lage, kurze Texte in Grossbuchstaben zu lesen. Auch zum Abschluss der zweiten Phase arbeiten die Schülerinnen und Schüler vor Ort mit Material aus einem breiten Postenangebot.

Die Sequenz zu Phase 3, weiterführender Unterricht, gibt einen Einblick in die Welt von Ursula Ricklis fantasievollen Geschichten. Im Schuljahr beginnt die 3. Phase ab Dezember. Die restlichen Buchstaben werden eingeführt und nun auch Kleinbuchstaben geschrieben. Auch werden bereits mehrseitige Geschichten gelesen. Geschichten spielen laut Rickli eine wichtige Rolle, um die Kinder zu motivieren. "Leseschlau" arbeitet mit wiederkehrenden Schlüsselwörtern, welche insbesondere den etwas schwächeren oder DaZ-Kindern helfen, den Inhalt der Geschichten zu verstehen. Rickli erzählt die Geschichte "Die Traumbäckerin". Im Anschluss an solche Geschichten soll in der Klasse der Inhalt diskutiert werden, um so das Textverständnis zu fördern. "Die Traumbäckerin" und weitere Lese- und Hörtexte findet man unter http://www.ursularickli.ch/Zusatzmaterial-zu-Leseschlau/

Voller Schwung und Energie demonstriert Ursula Rickli, wie sie die Schülerinnen und Schüler mitreissen kann, wie man diese einbezieht und wie komplexe Themen veranschaulicht werden können. So demonstriert sie etwa mithilfe eines Holzstockes und drei elastischen Bändern den Laut "ie", in welchem ein stummes "e" den Buchstaben "i" in die Länge zieht – ein Bild, das sich in den Köpfen der Schülerinnen und Schüler festsetzt.

Informationen zu diesem Lehrmitteln finden Sie in der Broschüre zur Ausstellung "Lesen lernen", auf Ursula Ricklis Webseite oder beim Verlag. Ebenfalls gibt es "Leseschlau" als Lernspielapp.

Text: Martina Gsteiger