Rückblick Schulstunde "ABC-Lernlandschaft"
Den Auftakt der drei Schulstunden mit aktuellen Leselehrmitteln bildete am 28. August 2019 die "ABC-Lernlandschaft". Autorin ist die Lehrerin Erika Brinkmann, die ihre Erfahrungen als Lehrperson und ihre didaktische Expertise als Professorin für Deutschdidaktik in dieses Lehrmittel hat einfliessen lassen. Im Kanton Bern ist die "ABC-Lernlandschaft" eines von zwei Lehrmitteln, welche die Erziehungsdirektion (heutige Bildungs- und Kulturdirektion) für das erste Schuljahr empfohlen hat.
Zu Beginn der Schulstunde werden die Schülerinnen gebeten, ihren Namen mit bisher unbekannten Schriftzeichen auf ein Namensschild zu schreiben. Als Unterstützung erhalten sie eine Anlauttabelle. Der Name der Lehrerin sieht bspw. so aus (rot die Vokale, blau die Konsonanten; als Hilfestellung sind hier die zu den Buchstaben gehörenden Bilder mit angeführt):
Nach dieser ersten Erfahrung mit der neuen Schrift erhalten die Schülerinnen 20 Minuten, um nach eigenen Interessen und im eigenen Tempo Zugänge zu den Materialien aus vier Heften des Lehrmittels zu suchen: Einige trainieren die phonologische Bewusstheit mit Übungen aus dem Lausch-Heft, andere machen Schreibübungen (Heft Schreiben, siehe Abb. unten), wieder andere lesen (Heft Lesen) oder lernen erste orthografische Konventionen kennen (Heft Rechtschreiben). Sie tauschen sich dabei untereinander und mit der Lehrperson aus.
Nach Rückmeldungen zu diesem Unterrichtsteil führt Frau Brinkmann mit der Klasse ein Rechtschreibgespräch, d.h. die Schreibung eines Wortes wird erforscht und gemeinsam besprochen. Dafür diktiert sie der Klasse ein Phantasiewort. Versuchen Sie es doch selbst einmal, bevor Sie weiterlesen. Wie schreiben Sie folgendes Wort?
Nachdem die Schülerinnen ihre Version zu Papier gebracht haben, begründen sie die Schreibungen. Die Lehrperson gibt Erläuterungen dazu:
St- (nicht: scht) wie in "Stein". – Am Wort- und Silbenanfang kommt die sog. "Sparschreibung" zum Zug. Sie wurde historisch aus pragmatischen Gesichtspunkten eingeführt, da im Druck weniger Buchstaben benötigt wurden. Die Schülerinnen haben ein Nomen vermutet (z.B. "das Steffold") und das Wort grossgeschrieben
-eff- (nicht: ef) wie in "Treffen": Steht ein Konsonant nach kurzem Vokal im Silbengelenk (gehört zu beiden Silben), wird er verdoppelt.
- old oder -olt: Die "richtige" Schreibung kann nur entschieden werden, wenn der Plural gebildet werden kann, was bei einem Phantasiewort nicht, bei echten Wörtern in der Regel aber möglich ist.
Die Schreibung kann also entweder so "Steffold" oder so "Steffolt" aussehen.
Ähnliche Gespräche lassen sich problemlos in der Unter- und Mittelstufe führen. Empfohlen wird eine regelmässige Durchführung, um gemeinsam die deutsche Orthografie zu ergründen und die Schüler und Schülerinnen für Rechtschreibung zu sensibilisieren (Beispiel eines solchen Rechtschreibgespräch mit einer Klasse).
Fragen und Antworten:
Die Möglichkeit, abschliessend zur Methode und zum Lehrmittel Fragen zu stellen, wird rege genutzt. Drei zentrale Fragen inkl. der Antworten sind:
- Frage: Ist es nicht gefährlich, mit der Anlauttabelle zu arbeiten, weil sich falsche Schreibungen einprägen?
Antwort: Die Kinder müssen zunächst den Zusammenhang zwischen Lauten und Buchstaben ergründen (die sog. alphabetische Phase). Solange sie die Wörter mit der Anlauttabelle jeweils neu konstruieren, prägt sich kein Wortbild ein. Beim späteren Üben allerdings sollte die Schreibung kontrolliert werden (orthografische Phase). - Frage: Wie helfe ich Kindern mit anderer Muttersprache, wenn sie die Wörter zu den Abbildungen in der Anlauttabelle nicht kennen?
Antwort: Für sie gibt es "sprechende Anlauttabellen" für den PC. - Frage: Warum werden anfangs nur Grossbuchstaben eingeführt, ist das nicht langweilig für Kinder, die schon weiter sind?
Antwort: Für Kinder ohne Schriftvorerfahrung sind Grossbuchstaben deutlich einfacher. Kinder, die bereits weiter sind, können selbstverständlich von vornherein auch mit Kleinbuchstaben arbeiten.
Weitere Informationen zum Lehrmittel "ABC-Lernlandschaft"
Informationen zu diesem Lehrmittel, auch zur gerade erschienenen Neubearbeitung, finden Sie in der Broschüre zur Ausstellung "Lesen lernen", auf dem Webauftritt der Autorin oder beim Verlag.
Text: Britta Juska-Bacher