Ein halbes Jahr im Lehrberuf – anspruchsvoll, aber lehrreich!
Im Januar 2024
Nach dem ersten Praktikum, dem Berufseignungspraktikum (BEP), war für mich klar: Ich möchte auf jeden Fall in Zukunft als Lehrerin arbeiten. Es fasziniert mich, eine Beziehung mit den einzelnen Schülerinnen und Schülern aufzubauen und mehr über die jungen Erwachsenen zu erfahren.
- Möchtest du mehr zu meinem ersten Praktikum erfahren? Dann ist dieser Beitrag etwas für dich: Mein Tipp: Einstieg ins BEP im Skilager
Bereits seit Sommer 2023 arbeite ich in einer 8. und 9. Klasse im Berner Oberland. Es ist auf jeden Fall eine Herausforderung, das Unterrichten und das Studieren unter einen Hut zu bringen.
Wie habe ich meine Stelle bekommen?
Ich war nicht aktiv auf Stellensuche und hatte bereits als Klassenhilfe in einer 3. und 4. Klasse gearbeitet. Obwohl mir diese Tätigkeit gefiel, merkte ich, dass mein Herz für die Oberstufe schlägt. Dann erhielt ich eine Mail bzw. einen Anruf von der Schulleitung mit der Anfrage für die Stelle – diese aktive Kontaktaufnahme überraschte mich. Ich war also zuerst einmal sehr überrumpelt und gleichzeitig hat es mich gerührt, dass die Schulleitung mir diese Verantwortung zutraut.
Und so kam es, dass ich seit Sommer 2023 an der gleichen Schule arbeite, an der ich im Rahmen meines Studiums mein erstes Praktikum absolviert habe. Ich stattete noch im alten Schuljahr meinen Klassen einen Besuch ab, um mir einen ersten Eindruck zu verschaffen. Bereits da konnte ich erste Beziehungen mit den Schülerinnen und Schülern knüpfen. Die Vorfreude auf den Schulstart nach den Sommerferien war riesig.
Meine Vorbereitungen
Gegen Ende der Sommerferien widmete ich mich meiner Planung für das erste Quartal. Dies stellte mich vor grosse Herausforderungen, da ich keine Ahnung hatte, wie ich vorgehen sollte. Die Schule hat mir eine Mentorin zugeteilt, die mir während des ganzen Schuljahrs beim Vor- und Nachbereiten des Unterrichts, bei den Beurteilungen wie auch bei der Elternarbeit hilft. Dies entlastet mich sehr und ich weiss, dass ich immer Hilfe holen kann. Die Ausführung bleibt jedoch immer in meiner Verantwortung.
Wie war der Start?
Vor dem ersten Schultag war ich sehr nervös. Wie werden die beiden Klassen auf mich reagieren? Anerkennen sie mich als Lehrerin, auch wenn ich noch so jung bin? Bin ich der Verantwortung überhaupt gewachsen?
Nach dem Unterrichten in der ersten Woche war ich sehr zuversichtlich, denn all meine Befürchtungen waren umsonst gewesen. Doch zu diesem Zeitpunkt wusste ich nicht, dass noch viele Schwierigkeiten auf mich zukommen würden.
Meine Komfortzone überwinden
In den weiteren Wochen kam ich vollkommen im Lehrberuf an. Dann war ich plötzlich wieder überfordert, denn eine der beiden Klassen war sehr herausfordernd. Sie hatte im vergangenen Schuljahr viele Lehrpersonen-Wechsel und es fehlte über längere Zeit an nahen Bezugspersonen und Stabilität. Daraufhin folgten gravierende Unterrichtsstörungen, es gab Gespräche mit einzelnen Schülerinnen und Schülern bei der Schulleitung, Schwierigkeiten bei der Klassenführung usw.
Die anfänglich heitere Stimmung wurde auf die Probe gestellt. Mithilfe der Schulleitung, meiner Mentorin und meines persönlichen Umfelds fand ich einen Weg, um all diesen Herausforderungen mehr oder weniger erfolgreich zu begegnen. Obwohl die Überforderung und Überlastung zeitweise enorm hoch waren, habe ich mich immer wieder motiviert, Lösungen zu finden. Dabei habe ich festgestellt, dass jeder kleine Schritt einen Beitrag zur Entspannung leistete.
Fazit
Nach einem halben Jahr Schule geben kann ich sagen, dass ich viel über mich selbst, wie auch über das Unterrichten, gelernt habe und weiterhin lerne. Ich bin sehr dankbar, habe ich diese Chance bekommen und auch genutzt. Auch wenn es manchmal schwierig war, bin ich sehr froh, dass ich mich den Hürden gestellt habe, um jetzt an diesem Punkt zu stehen.
Das heisst: Gib nicht auf, auch wenn es einmal schwierig wird. Du wirst kompetenter und somit stärker und gelassener.
Mit Routine und Gelassenheit im Schulalltag
Im März 2024
Wie ging es weiter?
Nach den anfänglichen Herausforderungen hat sich bei mir eine gewisse Routine eingestellt. Ich habe mich gut im Kollegium eingelebt und konnte engere Beziehungen zu den Schülerinnen und Schülern in meiner Klasse aufbauen. Auch in der Unterrichtsplanung bin ich kompetenter und entspannter geworden. Es muss nicht mehr alles bis ins kleinste Detail geplant sein, sondern ich kann auch mal etwas lockerer unterrichten und mein Programm spontan den Bedürfnissen der Klasse anpassen. Beispielsweise gab es in der grossen Pause einen Konflikt innerhalb der Klasse und danach habe ich mein Programm für die Doppellektion angepasst. Als erstes musste dieser Konflikt besprochen und bestenfalls gelöst werden, bevor ich mit der eigentlichen Lektion starten konnte. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass, wenn etwas Unbesprochenes in der Luft ist, sich die Schülerinnen und Schüler nicht mehr konzentrieren können. Durch diese Lockerheit gelingt es mir, die Herausforderungen des Schulalltags besser zu meistern.
Zudem habe ich mir mit der Zeit ein Repertoire angeeignet, wie ich mit Unterrichtsstörungen umgehen kann. Vielleicht erzähle ich euch in einem nächsten Beitrag etwas darüber.
Ein Tipp für euch: Nehmt nicht alles so persönlich und reagiert auch mal mit Humor auf eine Störung. Als ich einmal nach der kleinen Pause das Klassenzimmer betrat, war es stockdunkel und alle Schülerinnen und Schüler lagen auf dem Boden und taten so, als würden sie schlafen. Ich war so perplex, dass ich mir auf dem Weg zum Lehrpersonenpult kurz überlegt habe, wie ich jetzt darauf reagieren soll. Anstatt sauer zu werden, habe ich das Geschehen laut kommentiert. Dies brachte viele Jugendliche zum Lachen und so konnte ich diese Störung, die mich sicherlich fünf Minuten vom Unterrichten abgehalten hat, mit einem Lachen beenden.
Ausserdem konnte ich bereits nach einem Semester besser mit meiner Doppelbelastung "Studium und Arbeit" umgehen. Dies hat sich vor allem durch die bessere Planung und die enge Zusammenarbeit im Kollegium ergeben. Ich habe mich gut in der Schule eingelebt und kann somit von Lehrpersonen mit langjährigen Erfahrungen profitieren. Ausserdem ist es hilfreich, wenn man flexibel und spontan ist. Es ist zwar immer noch anstrengend, aber gut machbar. Das zeitgleiche Arbeiten neben dem Studium ist für mich eine gute Möglichkeit, die theoretischen Inhalte in die Praxis umzusetzen und gleichzeitig ein regelmässiges Einkommen zu erhalten.
Das Skilager, in welchem Beziehungen geknüpft wurden
Das Skilager hat mich im Hinblick auf selbstbewusstes Auftreten vor der Klasse nochmals einen grossen Schritt weitergebracht. Ich lernte meine Schülerinnen und Schüler von einer anderen Seite kennen und musste regelmässig vor grossen Gruppen (grösser als meine Klasse) stehen und diese leiten. Eine Woche mit vier 8. Klassen war definitiv anstrengend und manchmal auch herausfordernd. Jedoch konnte ich so mit meinen Kolleginnen und Kollegen wie auch mit den einzelnen Schülerinnen und Schülern engere Beziehungen knüpfen. Bereits in der Woche nach dem Skilager habe ich gespürt, dass die gemeinsamen Erinnerungen zusammenschweissen.
Auch noch Wochen nach dem Lager tauschen wir uns über Erlebtes aus und lachen über bestimmte Dinge. Solche besonderen Momente teile ich mit Schülerinnen und Schülern aus allen Klassen. Diese Verbindung über Klassengrenzen hinweg freut mich sehr.
Fazit
Ich schaue gespannt auf das letzte Quartal dieses Schuljahres und freue mich auf die weitere Zeit mit meinen Klassen. Weiter bin ich sehr dankbar für alle Erfahrungen, die ich bisher im Unterricht machen durfte. Diese sind sehr bereichernd für meine weitere berufliche Zukunft.
Nutze die Chance des Unterrichtens, wenn es sie gibt – es warten wertvolle Erfahrungen auf dich!
Habe ich schon einmal überlegt, mit dem Unterrichten aufzuhören?
Im Dezember 2024
"Hast du schon etwas Bestimmtes erlebt, von dem du vermuten würdest, dass es dich zum Berufsfeldwechsel treiben könnte, wenn es künftig in einer bestimmten Regelmässigkeit vorkommen sollte?" - Frage aus der Instagram-Community
Diese Frage habe ich mir auch schon gestellt und musste feststellen, dass es schwer ist, eine für mich passende Antwort zu finden. Denn einerseits habe ich bis jetzt keine Situation erlebt, die mich vom Unterrichten abhalten würde. Andererseits könnte ich mir durchaus vorstellen, dass gewisse Situationen dazu führen könnten, wenn diese immer und immer wieder auftreten.
Dazu ein Beispiel: Ich unterrichte in zwei 7. Klassen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. In der einen funktioniert vieles nach Plan und die Jugendlichen sind gegenüber mir und auch der Klasse freundlich und offen. In der anderen Klasse hingegen geht es drunter und drüber. Die vulgäre Sprache, das Frechsein und die Beleidigungen sind dort "normal". Dies insbesondere innerhalb der Klasse, aber es ist auch schon vorgekommen, dass Lehrpersonen beleidigt wurden. Hier ein Zitat eines Schülers dieser 7. Klasse, an mich gerichtet:
"Auso vorä Frou lah ih mir sowieso nüt lah sägä – diä chöi jaa eh nur ir chuchi umästah uh süsch nüt!"
Da war ich sprachlos und wusste wirklich nicht, wie ich jetzt am besten darauf reagieren sollte. Nie im Leben hätte ich erwartet, dass ein Schüler sich traut, so frech zu einer Lehrperson zu sein. Bei einer bestimmten Regelmässigkeit eines solchen Verhaltens kann ich mir durchaus vorstellen, dass es mich verunsichern bzw. stören würde. Doch ob es mich sogar zum Berufswechsel treiben könnte, denke ich nicht. Denn am Ende des Tages versuche ich immer die positiven Dinge im Gedächtnis zu behalten – und die meisten Schülerinnen und Schüler fallen nicht oder dann positiv auf.
Ich werde die einleitend gestellte Frage jetzt noch mit hypothetischen Situationen ergänzen, welche im Schulalltag vorkommen können.
Kollegium:
Für mich ist das Kollegium ein sehr wichtiger Bestandteil meines Berufs. Ich weiss, dass die anderen Lehrpersonen mir den Rücken stärken und mich bei all meinen Fragen unterstützen. Als junge Lehrperson ist dies sehr zentral, damit der Berufseinstieg gelingt. Wäre dies in der Schule nicht gegeben, würde ich die Schule wechseln, da ich der Meinung bin, dass ich mich 100 Prozent auf mein Kollegium muss verlassen können. Doch selbst wenn etwas im Kollegium passieren würde, würde ich vermutlich nicht mit dem Unterrichten aufhören, sondern mir eine für mich geeignetere Schule suchen.
Schülerinnen und Schüler:
Mir ist bewusst, dass die Schülerinnen und Schüler ganz verschieden und einzigartig sind – so auch deren Verhaltensweisen. Wenn es eine gute Balance zwischen positivem und negativem Verhalten gibt und hoffentlich das Positive überwiegt, gehe ich davon aus, dass mich einzelne Schülerinnen und Schüler mit ihrem negativen Verhalten nicht zu einem Berufswechsel bringen können. Falls hingegen das Negative überwiegt, denke ich erstens, dass es nicht meine passende Klasse ist, und zweitens würde ich wohl über einen Wechsel der Schule oder sogar über einen Wechsel des Berufsfelds nachdenken. Ob ich es dann durchziehen könnte, ist eine andere Frage.
Erziehungsberechtigte:
Erziehungsberechtigte können ihre eigene Meinung zum Schulsystem haben wie auch zur Schule, die ihr Kind besucht. Jedoch lasse ich mir meinen Freude am Beruf nicht durch die Kritik oder die Zweifel von Erziehungsberechtigten nehmen. Insbesondere als Junglehrperson steht man öfters in der Kritik, weil man gewisse Dinge noch nicht so gut kann. Es ist normal, bei einem Berufseinstieg noch etwas unsicher und auf Unterstützung angewiesen zu sein. Deshalb will ich mir immer selbst treu bleiben und für meine Werte im Klassenzimmer kämpfen, auch wenn dies die Erziehungsberechtigten nicht unterstützen.
Fazit:
Es ist wichtig, nicht wegen ein paar negativen Dingen den Beruf an den Nagel zu hängen, denn schwierige Situationen gibt es überall. Umso zentraler ist es, einen guten Umgang damit zu finden und sich egal in welcher Situation Unterstützung zu holen!