Ist von der Fabrikstrasse 2 die Rede, beginnen nicht nur die Augen von Historikerinnen und Historikern zu leuchten. Die Liegenschaft im heutigen Hochschulzentrum gehört zum legendären Industrieareal Von Roll im Berner Länggassquartier. Während der grössere und ältere Gebäudeteil von 1907 stammt, entstand an der Südseite 1955 zusätzlich ein etwas höherer Vorbau. 2021 hat das Kantonsparlament einstimmig beschlossen, das Gebäude für die PHBern zu kaufen. Nach eineinhalb Jahren Bauzeit präsentieren sich die Räumlichkeiten seit Kurzem umfassend saniert. Zum einen sind Einrichtungs- und Ausstattungsmerkmale aus den Erstellungsjahren wieder sichtbar, zum andern ist eine konsequente Ausrichtung auf modernes Lernen und Lehren erfolgt.
Vorbereiten auf den Wandel
Das Miteinander von Alt und Neu widerspiegelt die Philosophie der PHBern. "Wir wollen mit der Fab2 nicht etablierte, bewährte Studienangebote ersetzen, sondern die methodische Bandbreite nochmals erweitern", erklärt Rektor Martin Schäfer. "Denn die Schulen öffnen sich: strukturell, räumlich und bei den Formen des Lernens." Vielfalt in den Lernformen sei wichtig, um alle Kinder mit ihren individuellen Voraussetzungen zu fördern und zu stärken: "Als Pädagogische Hochschule vollziehen wir mit neuen Studienplänen und Räumen die gleiche Entwicklung. So bereiten wir unsere Studierenden auf den Wandel in der Schule vor – damit sie ihn erfolgreich mitgestalten können." Und damit der Lehrberuf attraktiv bleibe bzw. der Lehrpersonenmangel kleiner werde.
Der neue Lern- und Lehrort befindet sich im ersten Obergeschoss der Liegenschaft. Er besteht aus einem grossen, offenen Raum für bis zu 110 Personen, der sich besonders für kollaborative Aufgaben und Veranstaltungen eignet. Deshalb auch der Name "Colabo". Hinzu kommen vier kleinere Räume mit Kapazitäten von jeweils bis zu zehn Personen. Sie dienen für Gespräche zwischen Dozierenden und Studierenden sowie Gruppenarbeiten. Auf einer kleinen Bühne lassen sich zudem schulische Gesprächssituationen simulieren. "Bei der gesamten Einrichtung gilt die Devise: flexibel möblieren, flexibel einteilen, flexibel nutzen – alles mit dem Ziel, ein wirksames Lernen und Lehren zu ermöglichen", sagt Doris Ittner, verantwortlich für das didaktische Nutzungskonzept (siehe Interview).
Jederzeit und spontan lernen
Um die Bedürfnisse zu klären, sind Dozierende wie Studierende frühzeitig einbezogen worden. "In der Arbeitsgruppe war es uns wichtig, dass die Fab2 Alternativen zum klassischen Frontalunterricht bietet", betont Annika Wenzl, Studentin im siebten Semester am Institut Sekundarstufe I. "Die Einrichtung sollte maximal veränderbar sein, um unterschiedlichste Anliegen abzudecken. Also von Rückzugsmöglichkeiten für individuelles, ungestörtes Arbeiten über Rollenspiele in Gruppen bis hin zu Onlinebesprechungen."
"Wir wollen die Räumlichkeiten so offen wie möglich zur Verfügung stellen", ergänzt Doris Ittner. Deshalb dürfen Studierende dort jederzeit und spontan für sich lernen, sofern sie die laufenden Studienangebote nicht stören. Umgekehrt garantiere eine Reservation den Dozierenden nur den benötigten Platz – "um die konkrete Organisation müssen sie sich dann vor Ort kümmern". Was Anklang findet: Im Herbstsemester 2024 ist die Fab2 bereits für 14 Veranstaltungen gebucht.
Nachgefragt bei Doris Ittner, Fachstelle Hochschuldidaktik
Sie ist mit dem neuen Lern- und Lehrort Fab2 bestens vertraut: Doris Ittner, Leiterin der Fachstelle Hochschuldidaktik an der PHBern. Im Gespräch erläutert sie, wie die Räumlichkeiten genutzt werden sollen – und welchen Nutzen sie bringen.
Was ändert sich durch die Fab2 an der PHBern?
Doris Ittner: Erstens gibt die PHBern der Hochschullehre ein modernes Gesicht. Und zweitens ermöglicht sie neue raumdidaktische Handlungsspielräume. Was jedoch bedeutet, dass sich künftige Lehrpersonen mit dem lernfördernden Potenzial räumlicher Gestaltungsmöglichkeiten auseinandersetzen müssen. Davon profitieren die Schulen, wenn sie Lehrpersonen anstellen, die wir ausgebildet haben.
Also ein Abschied vom klassischen Hörsaal? Nein. Gute Hochschullehre gibt es bei uns weiterhin in verschiedenster Form, ob nun im Seminarraum, Labor oder Vorlesungssaal. Lernszenarien wie Projektaufgaben oder Lernwerkstätten profitieren aber besonders von einer flexibel nutzbaren und offen gestalteten räumlichen Umgebung. Untersuchungen zeigen, dass diese das kooperative Lernen sowie die Eigenverantwortung der Studierenden stärkt.
Heisst für die Studierenden …? … dass die flexibel nutzbaren Räumlichkeiten zusammen mit der technischen Ausstattung offene, unkonventionelle Lernformen begünstigen. So können die Studierenden das Lernen noch stärker auf ihre Bedürfnisse und Voraussetzungen ausrichten. Was sich positiv auf die Lernmotivation auswirkt.
Wie unterstützen Sie die Dozierenden bei der Gestaltung von Lernszenarien? Für die Fab2 haben wir ein eigenes didaktisches Konzept erarbeitet. Das DigiLeB als weiteres Beispiel berät zu digitaldidaktischen Lernsettings. Darüber hinaus gibt es Projektangebote wie unseren Innovationspool Lehre, der Dozierende bei der Entwicklung von Innovationen fördert.
Konnten sich die Dozierenden bei der Konzeptarbeit für die Fab2 einbringen? Ja – das war uns ebenso wichtig wie die Bedürfnisse der Studierenden. Unsere Dozentinnen und Dozenten haben einerseits innovative Nutzungsszenarien erarbeitet. Dadurch kam es zu massgeblichen Impulsen für den Umbau und die Ausstattung der neuen Räumlichkeiten. Ausserdem sind die Ergebnisse einer Umfrage bei den Dozierenden in die Entwicklung der hochschuldidaktischen Leitideen eingeflossen.
Was beinhalten diese Leitideen? Die Dozierenden sollen die räumlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um den Studierenden auf neue Weise Kompetenzen zu vermitteln und Feedbacks zu geben. Ziel ist, verschiedene Lernwege zu ermöglichen, für ein eigenverantwortliches, selbstbestimmtes Lernen. Anderseits geht es darum, die Wissensbildung und den Wissenstransfer durch kooperatives Lernen und Arbeiten zu stärken. Und schliesslich können Lernsituationen in den Schulen simuliert und getestet werden.