Didaktischer Kommentar

Relevanz und Übersicht

Ein zentrales Ziel im Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht mit zwei- und mehrsprachigen Schülerinnen und Schülern, welche keine oder wenig Kenntnisse der deutschen Sprache haben, ist das Erlernen der Schulsprache „Deutsch“. Um möglichst rasch und umfassend handlungs- und kommunikationsfähig zu werden und um sich in der neuen Umgebung (Schule und Alltag) mit zunehmender Sicherheit zurechtzufinden, brauchen die Schülerinnen und Schüler Unterstützung beim Kennenlernen der sprachlichen/nichtsprachlichen Verhaltensnormen sowie weiterer kulturellen Eigenheiten (Feste, Bräuche, Sitten). Im Weiteren ist es wichtig, den Lernstand der Schülerinnen und Schüler zu erfassen, mögliche Lernrückstände aufzuholen und abzubauen und den Lernenden zu ermöglichen, den Anschluss an den regulären Klassenunterricht zu erreichen.

Damit die zwei-und mehrsprachigen Schülerinnen und Schüler die Kompetenzen des LP21 erwerben können, ist es von zentraler Bedeutung, sie bei der Integration und im Aufbau der Selbständigkeit zu unterstützen. Der Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht sollte auf jene Kompetenzen fokussieren, welche für das Erreichen der Grundstufe (Aufbaustufe) im LP21 nötig sind.

Vorstellungen und Vorkenntnisse

Die Schülerin und der Schüler lernen von Anfang an die schulischen Handlungs- und Vorgehensweisen kennen und eignen sich Lernstrategien und Lerntechniken an, welche ihnen selbständiges Arbeiten ermöglichen. Eine ausgeprägte Selbständigkeit im schulischen Handeln und Lernen trägt wesentlich zum schulischen Erfolg bei. Da die Voraussetzungen und Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler im meist sehr heterogenen Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht äusserst unterschiedlich sind, ist der Einsatz von individuellen und vielfältigen Materialien und Lehrmitteln notwendig.

Lerngegenstand und thematische Schwerpunkte

Sprachstand erheben und Sprachförderung
Um den Sprachstand von Schülerinnen und Schülern realistisch einschätzen zu können, damit eine gezielte Förderung evaluiert, vorbereitet und durchgeführt werden kann und um zu eruieren, ob Deutsch als Zweitsprache lernende Schülerinnen und Schüler Anspruch auf Unterstützung in DaZ-Angeboten haben, müssen empfohlene Instrumente für die Sprachstandserfassung im DaZ-Unterricht eingesetzt werden. Die von der Bildungs- und Kulturdirektion im Fächernet Lehrplan 21 empfohlenen Instrumentarien sind im IdeenSet aufgelistet. Die Sprachförderung dient in sprachlich und soziokulturell heterogenen Gruppen und in allen Fächern des Regelunterrichts als eines der grundlegenden Prinzipien des Unterrichtens. Mehrsprachigkeit soll als Ressource wahrgenommen und genutzt werden. Um erfolgreich am Unterricht teilnehmen zu können, müssen Deutsch als Zweitsprache lernende Schülerinnen und Schüler über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen. Dazu gehören das Verstehen (Rezeption) und die produktive Sprachverwendung (Produktion). Schülerinnen und Schüler müssen einerseits über einen altersangemessenen rezeptiven und produktiven Wortschatz verfügen. Andererseits müssen sie altersgerecht strukturierte Äusserungen – grammatisch nicht zu komplexe Aussagen, Fragen und Aufforderungen – verstehen. Die Schülerinnen und Schüler sollen in der Kommunikation mit anderen Menschen ihrem Alter entsprechend angemessen agieren und reagieren können; ihre mündlichen Produktionen sollen in Lautung und Pragmatik angemessen sein, damit sie von anderen verstanden werden. Dabei kommt es nicht primär auf grammatische Korrektheit an. Dass Sprache produziert wird und rezeptives Sprachverständnis vorhanden ist, sind zentrale Punkte der Sprachförderung. (Schader, Basil (2004): Sprachenvielfalt als Chance. 101 Unterrichtsbeispiele. Bildungsverlag EINS. Orell Füssli Verlag).

Wortschatz
Von Mitteilungswortschatz wird gesprochen, wenn die produktive Sprachverwendung (Sprechen und Schreiben) gemeint ist. Von Verstehenswortschatz wird gesprochen, wenn die rezeptive Sprachverwendung (das Verstehen von Gesprochenem und Geschriebenem) gemeint ist. https://www.hoppla.ch/grundlagen/zweitsprachdidaktik. Für die Entwicklung von kognitiven und kommunikativen Kompetenzen ist der Wortschatz zentral. Die Wortschatzförderung im Unterricht ist somit eine zentrale Aufgabe und sollte sich an der kindlichen Entwicklung und am kindlichen Interesse orientieren. Das Angebot von Chunks und sprachlich gestützten Produktionen und Handlungen muss geklärt, vorbereitet und in vielfältiger Weise im Unterricht angeboten werden. Chunks sind morphosyntaktisch nicht analysierte Sprachbausteine, die als Teilstücke einer Sprache und deren Kommunikation gelernt und angewendet werden. Sie basieren nicht auf sprachlichen Regelkenntnissen und werden gemeinsam mit Handlungen quasi „auswendig“ gelernt. Sie sind eine Art „Formeln“ wie: „weis ich nicht“, „tut mir leid“, „bis bald“. Chunks sind für jeden Anfangsunterricht und jedes noch kleine Sprachrepertoire geeignet. „Schülerinnen und Schüler, die ohne Deutschkenntnisse in den Kindergarten oder in die Schule eintreten, sollen möglichst schnell mit den Lehrpersonen und ihren Mitschülerinnen und Mitschülern kommunizieren können. Für die Bewältigung alltäglicher Kommunikationssituationen sind feste Wendungen von grossem Nutzen. Damit sind Äusserungen gemeint, die mehr als ein Wort umfassen und typischerweise häufig im Sprachgebrauch vorkommen: «Wo ist ...?», «Ich hätte gern ...», «Können Sie mir bitte helfen?», «Darf ich mitspielen?“. (Schlatter, Katja; Tucholski, Yvonne & Curschellas, Fabiola (2016, S.44): DaZ unterrichten. Ein Handbuch zur Förderung von Deutsch als Zweitsprache in den Bereichen Hörverstehen und Sprechen. Bern: Schulverlag plus)

Sprachliche Kompetenzen und Textkompetenz
Sprachlogische Kompetenzen sind erforderlich, wenn Schülerinnen und Schüler mit komplexeren sprachlichen Anforderungen konfrontiert werden. Verfügen Deutsch als Zweitsprache-Lernende über sprachlogische Kompetenzen, ermöglichen die ihnen, z.B. eine Geschichte, einen Text oder einen mehrschrittigen Ablauf sprachlich zu verstehen. Eine hohe sprachlogische Kompetenz wird von Lernenden verlangt, wenn Kommunikation mehrheitlich über mündliche oder schriftliche Texte verläuft (Schulsprache, Bildungssprache, CALP). Die sprachlogische Kompetenz gilt für alle Sprachen und muss darum nicht in jeder Sprache neu aufgebaut werden. Sie wird von Beginn des schulischen Unterrichts an erworben. Die vier Fertigkeiten Hörverstehen, Leseverstehen, Sprechen und Schreiben können als Grundlage der Sprachleistung von Schülerinnen und Schülern angesehen werden. In den jeweiligen Fertigkeiten können unterschiedliche kognitive Leistungen verlangt werden, welche für die Lernenden mit unterschiedlichen Voraussetzungen auch individuelle Unterstützung im Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht bedeuten. Mit Schülerinnen und Schülern sprachlogische und strategische Kompetenzen aufzubauen bedeutet, sie von alltagssprachlichen Kompetenzen (BICS) zu schulisch-kognitiven Kompetenzen (CALP) hinzuführen. Dabei ist das „Scaffolding“ ein wichtiges didaktisches Mittel. Mit schulisch-kognitiven Kompetenzen sind im Wesentlichen auch die Textkompetenzen gemeint, wobei mit Text sowohl mündliche als auch schriftliche Texte gemeint sind. (Paul R. Portmann-Tselikas, Sabine Schmölzer-Eibinger: Textkompetenz: Schmölzer-Eibinger, Sabine (Hrsg.), Fremdsprache Deutsch, Heft 39/2008: Textkompetenz, München: Hueber)

Grammatik
Sprachverständnis, Grammatik und Aussprache erwerben Schülerinnen und Schüler im unauffälligen Spracherwerbsprozess sowohl in ihrer Erstsprache, als auch in der Zweit- und jeder weiteren Sprache parallel. Für den Grammatikerwerb gilt, dass die Lernabfolge nach festgelegten mentalen Strukturen und Prozessabläufen auf den ganzheitlichen Zweitspracherwerb und auf methodisch-didaktische Arrangements nur geringen Einfluss hat. Didaktische Entscheidungen, welche Lerninhalte und welche Lernprogression geplant werden soll, sollten sich auf tatsächliche Spracherwerbsverläufe der Schülerinnen und Schüler beziehen. Zu früher (expliziter) Grammatikerwerb kann den restlichen Spracherwerb negativ beeinflussen. Grundsätzlich gilt: Vom Einfachen zum Schwierigen. Dies bedeutet, dass der Einsatz/Gebrauch von Chunks und der Erwerb von Sprachgefühl und sprachlichen Eigenheiten in der mündlichen Produktion vor dem Erwerb grammatischer Regeln stehen. Sowohl im Erstspracherwerb, als auch im Zweitspracherwerb wird Grammatik in allen Sprachhandlungen über längere Zeit implizit (unbewusst) vermittelt. Erst wenn das Sprachgefühl gefestigt ist, grammatische Formen und Strukturen in grundlegenden (natürlichen) Stadien durchlaufen wurden (natürliche Erwerbsstadien sind gegenüber didaktischen Progressionen dominant) und Lernende Sprechroutine erworben haben, macht es Sinn, grammatische Formen und Strukturen als didaktische Anregungen zu benutzen und anzuwenden.

Organisation und Beurteilung

Methodische Ausrichtung
Die in den IdeenSets ausgewählten Materialien und Methoden kommen der grossen Heterogenität im sprachsensiblen Unterricht und im Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht entgegen. Sie ermöglichen eine chancengerechte Individualisierung und Unterstützung beim Aufbau der Zweitsprache Deutsch und geben viele differenzierte Anregungen zu verschiedenen Themen in Alltag und Schule.

Die ausgewählten Materialien zur Erhebung des Sprachstandes, zur Sprachförderung, zum Wortschatz und zur Grammatik beziehen sich auf die Empfehlungen im Fächernet Lehrplan 21 der Bildungs- und Kulturdirektion des Kantons Bern.

Kompetenzfördernde Aufgaben
Thematische Schwerpunkte

Sechs Sprachverarbeitungsprozesse sind relevante Bereiche, in welchen Aktivitäten und Übungen so gestaltet werden können, dass die Schülerinnen und Schüler bestimmte Sprachhandlungen ausführen und Sprachliches verarbeiten können.

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Bild aus: hoppla.ch