Didaktischer Kommentar

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Relevanz und Übersicht

Ein zentrales Ziel im Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht mit zwei- und mehrsprachigen Lernenden, welche keine oder wenig Kenntnisse der deutschen Sprache haben, ist das Erlernen der Schulsprache „Deutsch“. Um möglichst rasch und umfassend handlungs- und kommunikationsfähig zu werden und um sich in der neuen Umgebung (Schule und Alltag) mit zunehmender Sicherheit zurechtzufinden, brauchen die Lernenden Unterstützung beim Kennenlernen der sprachlichen/nichtsprachlichen Verhaltensnormen sowie weiterer kulturellen Eigenheiten (Feste, Bräuche, Sitten). Im Weiteren ist es wichtig, den Lernstand der Lernende zu erfassen, mögliche Lernrückstände aufzuholen und aufzubauen und den Lernenden zu ermöglichen, den Anschluss an den regulären Klassenunterricht zu erreichen.  
Damit die zwei- und mehrsprachigen Lernenden die Kompetenzen des LP21 erwerben können, ist es von zentraler Bedeutung, sie bei der Integration und im Aufbau der Selbständigkeit zu unterstützen. Der Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht sollte auf jene Kompetenzen fokussieren, welche für das Erreichen der Grundstufe (Die Grundstufe im LP21 entspricht der Aufbaustufe DaZ, gemäss Leitfaden DaZ, Erziehungsdirektion, 2015)  im  LP21 nötig sind.

Die in den Ideen Sets ausgewählten Materialien und Methoden wurden für den DaZ-Unterricht und/oder sprachsensiblen Regelunterricht in heterogenen Gruppen konzipiert. Sie ermöglichen eine chancengerechte Individualisierung und Unterstützung beim Aufbau der Zweitsprache Deutsch und geben viele differenzierte Anregungen zu verschiedenen Themen in Alltag und Schule.

Vorstellungen und Vorkenntnisse

Die Lernenden lernen von Anfang an die schulischen Handlungs- und Vorgehensweisen kennen und eignen sich Lernstrategien und Lerntechniken an, welche ihnen selbständiges Arbeiten ermöglichen. Eine ausgeprägte Selbständigkeit im schulischen Handeln und Lernen trägt wesentlich zum schulischen Erfolg bei.
Durch die oftmals grosse Heterogenität bei den Lernenden im Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht sind differenzierte Materialen und Lehrmittel notwendig. Diese bieten den Lernenden mit unterschiedlichen Voraussetzungen vielfältige Methoden und Zugänge zum Lerngegenstand.

Lerngegenstand und thematische Schwerpunkte

Sprachstand erheben und Sprachförderung

Um den Sprachstand von Lernenden realistisch einschätzen zu können, werden empfohlene Instrumente für die Sprachstandserfassung eingesetzt. Daraus kann abgeleitet werden, ob Deutsch als Zweitsprache lernende Lernenden Anspruch auf Unterstützung in DaZ-Angeboten haben. Ebenfalls kann aus den Auswertungen eine gezielte Sprachförderung abgeleitet werden.

Die von der Erziehungsdirektion im Fächernet Lehrplan 21 empfohlenen Instrumentarien sind im IdeenSet aufgelistet.

Die Sprachförderung dient in sprachlich und soziokulturell heterogenen Gruppen und in allen Fächern des Regelunterrichts als eines der grundlegenden Prinzipien des Unterrichtens. Mehrsprachigkeit soll als Ressource wahrgenommen und genutzt werden. Um erfolgreich am Unterricht teilnehmen zu können, müssen Deutsch als Zweitsprache lernende Lernende über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen. Dazu gehören das Verstehen (Rezeption) und die produktive Sprachverwendung (Produktion). Lernende müssen einerseits über einen altersangemessenen rezeptiven und produktiven Wortschatz verfügen. Andererseits müssen sie altersgerecht strukturierte Äusserungen –grammatisch nicht zu komplexe Aussagen, Fragen und Aufforderungen – verstehen. Die Lernenden sollen in der Kommunikation mit anderen Menschen ihrem Alter entsprechend angemessen agieren und reagieren können; ihre mündlichen Produktionen sollen in Lautung und Pragmatik angemessen sein, damit sie von anderen verstanden werden. Dabei kommt es nicht primär auf grammatische Korrektheit an. Dass Sprache produziert wird und rezeptives Sprachverständnis vorhanden ist sind zentrale Punkte der Sprachförderung.
(Schader, Basil  (2004): Sprachenvielfalt als Chance. 101 Unterrichtsbeispiele. Bildungsverlag EINS. Orell Füssli Verlag).

Wortschatz

Von Mitteilungswortschatz wird gesprochen, wenn die produktive Sprachverwendung (Sprechen und Schreiben) gemeint ist. Von Verstehenswortschatz wird gesprochen, wenn die rezeptive Sprachverwendung (das Verstehen von Gesprochenem und Geschriebenem) gemeint ist. (www.hoppla.ch)

Für die Entwicklung von kognitiven und kommunikativen Kompetenzen ist der Wortschatz zentral. Die Wortschatzförderung im Unterricht ist somit eine zentrale Aufgabe und sollte sich an der kindlichen Entwicklung und am kindlichen Interesse orientieren. Feste Wendungen(«Chunks»), und sprachlich gestützte Angebote («Scaffolds») müssen geklärt, vorbereitet und in vielfältiger Weise im Unterricht angeboten werden. Chunks sind morphosyntaktisch nicht analysierte Sprachbausteine, die als Teilstücke einer Sprache  und deren Kommunikation gelernt und angewendet werden. Sie basieren nicht auf sprachlichen Regelkenntnissen und werden gemeinsam mit Handlungen quasi „auswendig“ gelernt. Es sind eine Art „Formeln“ wie: „Das weiss ich nicht“, „Es tut mir leid“, „Bis bald“. Chunks sind für jeden Anfangsunterricht und jedes noch kleine Sprachrepertoire geeignet.  Scaffolds sind sprachlich gestützte Angebote, welche die (Sprach-) Lernprozesse unterstützen. Sie werden durch die Lehrperson bereitgestellt und bieten Orientierungsgrundlagen in Form von Anleitungen, Sprachbausteinen, und zu Aufträgen passenden Hilfestellungen. Dieses «Hilfsgerüst» kann mit zunehmender Eigenständigkeit der Lernende abgebaut und schlussendlich entfernt werden. Merkmale des Scaffoldings sind das Bereitstellen einer klaren Anleitung, das Offenlegen des Lernziels, das Klären der Kriterien für die Bewertung und das Aufzeigen der Informationsquellen. 

In «DaZ unterrichten» (Schlatter, Tucholsky, Churschellas, 2016) wird das folgendermassen beschrieben:
Lernende, die ohne Deutschkenntnisse in den Kindergarten oder in die Schule eintreten, sollen möglichst schnell mit den Lehrpersonen und ihren Mitlernenden kommunizieren können. Für die Bewältigung alltäglicher Kommunikationssituationen sind feste Wendungen von grossem Nutzen. Damit sind Äusserungen gemeint, die mehr als ein Wort umfassen und typischerweise häufig im Sprachgebrauch vorkommen: «Wo ist …?», «Ich hätte gern …», «Können Sie mir bitte helfen?», «Darf ich mitspielen?“. (Schlatter, Katja; Tucholski, Yvonne & Curschellas, Fabiola (2016, S.44): DaZ unterrichten. Ein Handbuch zur Förderung von Deutsch als Zweitsprache in den Bereichen Hörverstehen und Sprechen. Bern: Schulverlag plus).

Sprachliche Kompetenzen und Textkompetenz

Sprachlogische Kompetenzen sind erforderlich, wenn Lernende mit komplexeren sprachlichen Anforderungen konfrontiert werden. Verfügen Deutsch als ZweitspracheLernende  über sprachlogische Kompetenzen, ermöglichen die ihnen, z.B. eine Geschichte, einen Text oder einen mehrschrittigen Ablauf sprachlich zu verstehen. Eine hohe sprachlogische Kompetenz wird von Lernenden verlangt, wenn Kommunikation mehrheitlich über mündliche oder schriftliche Texte verläuft (Schulsprache, Bildungssprache, CALP). Die sprachlogische Kompetenz gilt für alle Sprachen und muss darum nicht in jeder Sprache neu aufgebaut werden. Sie wird von Beginn des schulischen Unterrichts an erworben.
Die vier Fertigkeiten Hörverstehen, Leseverstehen, Sprechen und Schreiben können als Grundlage der Sprachleistung von Lernenden angesehen werden. In den jeweiligen Fertigkeiten können unterschiedliche kognitive Leistungen verlangt werden, welche für die Lernenden mit unterschiedlichen Voraussetzungen auch individuelle Unterstützung im Deutsch-als-Zweitsprache-Unterricht bedeuten.
Mit Lernenden sprachlogische und strategische Kompetenzen aufzubauen bedeutet, sie von alltagssprachlichen Kompetenzen (BICS) zu schulisch-kognitiven Kompetenzen (CALP) hinzuführen. Dabei ist das „Scaffolding“ ein wichtiges didaktisches Mittel.

Mit schulisch-kognitiven Kompetenzen ist im Wesentlichen auch die Textkompetenz  gemeint, wobei mit Text sowohl mündliche als auch schriftliche Texte gemeint sind . (Paul R. Portmann-Tselikas, Sabine Schmölzer-Eibinger: Textkompetenz: Schmölzer-Eibinger, Sabine (Hrsg.), Fremdsprache Deutsch, Heft 39/2008: Textkompetenz, München: Hueber).

Grammatik

Im unauffälligen Spracherwerbsprozess erwerben Lernende Sprachverständnis, Grammatik und Aussprache sowohl in ihrer Erstsprache, als auch in der Zweit- und jeder weiteren Sprache parallel. Für den Grammatikerwerb gilt: , Eine Lernabfolge nach festgelegten mentalen Strukturen und Prozessabläufen hat auf den ganzheitlichen Zweitspracherwerb und auf methodisch-didaktische Arrangements nur geringen Einfluss. Didaktische Entscheidungen, Lerninhalte und angestrebte Lernprogression sollten sich auf tatsächliche Spracherwerbsverläufe der Lernenden beziehen.  Zu früher (expliziter) Grammatikerwerb kann den restlichen Spracherwerb negativ beeinflussen. Grundsätzlich gilt: Vom Einfachen zum Schwierigen. Dies bedeutet, dass der Einsatz/Gebrauch von Chunks und der Erwerb von Sprachgefühl und sprachlichen Eigenheiten in der mündlichen Produktion vor dem Erwerb grammatischer Regeln stehen. Sowohl im Erstspracherwerb, als auch im Zweitspracherwerb wird Grammatik in allen Sprachhandlungen über längere Zeit implizit (unbewusst) vermittelt. Auf diesem Prinzip basiert auch das von der ERZ empfohlene Lehrmittel Hoppla 1-4.  Erst wenn das Sprachgefühl gefestigt ist, grammatische Formen und Strukturen in grundlegenden (natürlichen) Stadien durchlaufen wurden (natürliche Erwerbsstadien sind gegenüber didaktischen Progressionen dominant) und Lernende Sprechroutine erworben haben, macht es Sinn, grammatische Formen und Strukturen als didaktische Anregungen zu benutzen und anzuwenden: www.hoppla.ch

Thematische Schwerpunkte

Sechs Sprachverarbeitungsprozesse sind relevante Bereiche, in welchen Aktivitäten und Übungen so gestaltet werden können, dass die Lernenden bestimmte Sprachhandlungen ausführen und Sprachliches verarbeiten können

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Bild aus:  https://www.hoppla.ch/grundlagen/zweitsprachdidaktik