IdeenSet Sexuelle ud geschlechtliche vielfalt

Relevanz und Übersicht

Eine von Vielfalt geprägte Gesellschaft spiegelt sich in der Schule wider. In der Schule kommen Menschen zusammen, die sich in körperlichen, kognitiven oder sprachlichen Voraussetzungen, in Herkunft, religiöser Prägung, Weltanschauung, Lebensform, sexuellen Orientierungen, Geschlechtsidentitäten und Geschlechtsvariationen unterscheiden. Ein wertschätzender, empowernder und konstruktiver Umgang mit vielfältigen Menschen und Lebensformen ist eine bedeutende Voraussetzung für die Identitätsentwicklung, Inklusion und Gesundheit von Kindern und Jugendlichen sowie das Zusammenleben und ist im Lehrplan 21 festgelegt.

Es wird angenommen, dass etwa 5-10% der Bevölkerung in der Schweiz einer sexuellen oder geschlechtlichen Minderheit angehören (Quellen: 3, 5, 7) also lesbisch, schwul, bisexuell, trans, intergeschlechtlich oder/und queer (kurz: LGBTIQ+) sind (für eine ausführliche Definition der Begriffe, siehe Abschnitt «Lerngegenstand»). Das bedeutet, dass es in jeder Schulklasse oder jedem grösseren Kollegium ungefähr 1-2 LGBTIQ+ Menschen gibt. Diese Vielfalt wird in der Schule jedoch kaum sichtbar. Sie wird nach wie vor wenig behandelt und wenn, dann meist nur im Rahmen des Sexualkunde- oder Biologie-Unterrichts (6, 7, 9).

Viele LGBTIQ+ Menschen erleben in ihrem Alltag Abwertung, Diskriminierung oder Gewalt, beispielsweise in Form von Witzen, Nichtrepräsentation, Nicht-ernst-nehmen ihrer Identität, Ausgrenzung, Mobbing, physischer oder körperlicher Gewalt durch die Gesellschaft, Peers oder Familienmitglieder (8, 15). Dazu gehört auch das Umfeld Schule. Dort sind homophobe, transphobe oder sexistische Äusserungen, wie beispielsweise die Verwendung von «schwul» als Schimpfwort oder Spott über homosexuelle Menschen immer noch Alltag (17). So geben in einer Studie der FHNW 85% der Schweizer Oberstufenlernende an, homofeindliche Begriffe zu verwenden, um Menschen, Dinge oder Situationen negativ zu beschreiben (z.B. «das ist so schwul»). In einer nicht repräsentativen Umfrage des Schweizer LGBTIQ+ Panels gaben 16% der Angehörigen geschlechtlicher Minderheiten und 8% der Angehörigen sexueller Minderheiten an, aufgrund ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung bereits körperlich angegriffen worden zu sein (6). Eine europaweite Studie untersuchte zum ersten Mal auch Gewalt in ihrer vielfältigen Ausprägung von intergeschlechtlichen Menschen: 62% der 1519 befragten intergeschlechtlichen Personen wurden nicht um ihr Einverständnis oder das ihrer Eltern gebeten, bevor sie einem chirurgischen Eingriff zur Veränderung ihrer Geschlechtsmerkmale unterzogen wurden (18). Solche geschlechtsverändernden und menschenrechtswidrige Eingriffe finden auch in der Schweiz noch statt.

Angst vor dem Coming Out, indirekte oder direkte Diskriminierung, Stigmatisierung und Gewalterfahrungen von LGBTIQ+ Jugendlichen können als Folge zu einer erhöhten psychosozialen Belastung und problematischen Verhaltensweisen mit teilweise weitreichenden Konsequenzen führen. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass LGBTQ+ Jugendliche im Vergleich zu heterosexuellen Cis-Jugendlichen (Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, welches ihnen bei der Geburt zugewiesen worden ist) häufiger über unbefriedigende Beziehungen zu Gleichaltrigen, verheimlichte Gefühle, Einsamkeit, soziale Isolation und ein schlechteres Selbstwertgefühl berichten und deutlich mehr von Schulabbruch, Substanzmissbrauch, Suchterkrankungen, Depression und Suizidalität betroffen sind (5, 15, 16). So berichten homo- und bisexuelle junge Frauen und Männer in einer repräsentativen Schweizer Studie fünfmal häufiger über Suizidversuche als ihre heterosexuellen Gleichaltrigen (5). Spezifische Untersuchungen zu intergeschlechtlichen Jugendlichen mit einer Variation der Geschlechtsmerkmale existieren nicht.

Umso wichtiger ist, dass LGBTIQ+ Jugendliche, die in ihrem Umfeld keine Gewalt und Diskriminierung erfahren, gut integriert sind und in der Familie sowie Schule unterstützt werden, im Vergleich zu heterosexuellen Cis-Jugendlichen nicht stärker problembelastet sind.

Vorurteile, Stereotype und Diskriminierungen gegenüber LGBTIQ+ Menschen sind oftmals durch Unwissenheit und fehlende Auseinandersetzung mit der Thematik begründet (14). Herabwürdigende oder verletzende Kommentare sind nicht immer eindeutig, sondern oft subtil und unreflektiert in Alltag und Sprache vorhanden. Umso wichtiger ist es, dass sowohl Schulen als Gesamtinstitution wie auch deren einzelnen Lehrkräfte ihre Verantwortung wahrnehmen und die Themen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt einbeziehen, für offene und versteckte Diskriminierungen sensibilisieren und somit Gleichwertigkeit und Chancengleichheit unterstützen und fördern. Denn Unterricht zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt geht ALLE Lernende, Lehrpersonen, Speziallehrkräfte, Schulleitende, Schulsozialarbeitende, Tagesschul-mitarbeitende und Hauswart*innen an.  

Das IdeenSet will für die Thematisierung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt an Schulen sensibilisieren. Es will nicht Anklagen, sondern Chancen aufzeigen, wie geschlechtliche und sexuelle Vielfalt an Schulen und im Unterricht explizit und implizit einbezogen werden kann und damit ein wichtiger Beitrag zum Zusammenleben, zu psychischer Gesundheit und zur Prävention von Gewalt und Diskriminierung nicht nur für LBGTIQ+ jugendliche, sondern auch für heterosexuelle Cis-Jugendliche geleistet werden kann. Schulen und Lehrkräfte sollen ermutigt, gestärkt und unterstützt werden, das Bewusstsein für Diskriminierungen aufgrund der sexuellen Orientierung (LGB+), der Geschlechtsidentität (T oder non-binär oder weitere) oder einer Geschlechtsvariation (I) zu schärfen, einen Diskurs über den Umgang damit zu führen sowie eine gemeinsame Haltung dazu zu entwickeln. Hierzu bietet dieser didaktische Kommentar Anregungen und konkrete Beispiele. Weiter enthält das IdeenSet Vorschläge und Methoden zur Umsetzung der Thematik im Unterricht und verweist auf vielfältige ausgewählte und geprüfte Unterrichtsmaterialien. Ausserdem weist das IdeenSet auf Begegnungsangebote, Beratungsstellen und Hintergrundinformationen zur Thematik hin.

Vorstellungen und Vorkenntnisse

Es ist davon auszugehen, dass Kinder und Jugendliche ganz unterschiedliche Vorkenntnisse zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt mitbringen. Es gibt Jugendliche, die einem LGBTIQ+ Menschen auf Social Media folgen, andere haben noch sehr wenig Vorwissen zur Thematik. Auch wenn Jugendliche nicht selten über gutes Faktenwissen verfügen, fehlt ihnen teilweise der konkrete Bezug zur eigenen Realität, was zu Unsicherheiten, Befürchtungen und Ängsten führen kann (11). Deshalb ist es wichtig, nicht nur Fakten zu vermitteln, sondern den Bezug zur Lebenswelt zu schaffen und die Jugendlichen dabei zu unterstützen, den Transfer ins (eigene) Leben zu üben.

Lehrplanbezug

Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sowie Geschlecht und Rolle weisen Bezüge zu zahlreichen Kompetenzen aus unterschiedlichen Fachbereichen des Lehrplans 21 auf, die (für den 3. Zyklus) in den Kompetenzen ERG.2.2, ERG.5.2, ERG.5.3, WAH.5.2 und NT.7.3. abgebildet sind.

Der Umgang mit Vielfalt ist zudem in den sozialen Kompetenzen als Teil der überfachlichen Kompetenzen des Lehrplans 21 verankert: 

       «Umgang mit Vielfalt: Vielfalt als Bereicherung erfahren, Gleichberechtigung     
         mittragen     

        Die Lernenden ...

  • können Menschen in ihren Gemeinsamkeiten und Differenzen wahrnehmen und verstehen.
  • können respektvoll mit Menschen umgehen, die unterschiedliche Lernvoraussetzungen mitbringen oder sich in Geschlecht, Hautfarbe, Sprache, sozialer Herkunft, Religion oder Lebensform unterscheiden.
  • können die Wirkung von Sprache reflektieren und achten in Bezug auf Vielfalt auf einen wertschätzenden Sprachgebrauch.
  • können einen herabwürdigenden Sprachgebrauch erkennen und nehmen einen solchen nicht passiv hin.»

     (Lehrplan 21, Kanton Bern)

Darüber hinaus ist das Anliegen in übergeordneten Teilen des Lehrplans 21 festgelegt. Die Grundlagen des Lehrplan 21 des Kantons Bern halten unter den Bildungszielen die gesetzlichen Grundlagen ausgehend von den Grundrechten der Bundesverfassung und den kantonalen Volksschulgesetzen fest. Die Schule orientiert sich demnach unter anderen an folgenden Werten:

      «[…]

  • Sie fördert die Chancengleichheit.
  • Sie fördert die Gleichstellung der Geschlechter.
  • Sie wendet sich gegen alle Formen der Diskriminierung.
  • Sie weckt und fördert das Verständnis für soziale Gerechtigkeit, Demokratie und die Erhaltung der natürlichen Umwelt.                                                                                                                                                          
  • Sie fördert den gegenseitigen Respekt im Zusammenleben mit anderen Menschen, insbesondere bezüglich Kulturen, Religionen und Lebensformen.
  • Sie geht von unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Kinder und Jugendlichen aus und geht konstruktiv mit Vielfalt um.
  • Sie trägt in einer pluralistischen Gesellschaft zum sozialen Zusammenhalt bei.»

      (Lehrplan 21, Kanton Bern)

Vielfalt als Ressource findet ebenfalls in den Allgemeinen Hinweisen und Bestimmungen (AHB) des Lehrplans 21 unter Punkt 1.3 Eingang:

      «Lehrpersonen und Lernende bringen unterschiedliche Kompetenzen
        und Ressourcen mit. Die Schule kann von dieser Vielfalt profitieren, wenn sie die
        spezifischen Fähigkeiten, Vorerfahrungen und Interessen aller Beteiligten     
        wertschätzt, miteinbezieht und fördert. Damit werden die individuellen
        Lernvoraussetzungen der Lernende berücksichtigt sowie
        Selbstwirksamkeit und Erfolgserlebnisse ermöglicht.»

        (Lehrplan 21, Kanton Bern)

Weiter hält Punkt 7. Vielfalt und Gleichstellung verschiedene Facetten von Vielfalt fest und macht unter anderem Hinweise in Bezug auf Geschlechter und Gleichstellung:

       «[…]

        Vielfalt zeigt sich in unterschiedlichen Facetten wie beispielsweise Geschlecht, sexueller
        Orientierung, Sprache, Leistungsfähigkeit, Entwicklung, Religion, besonderem
        Bildungsbedarf, Herkunft oder in verschiedenen Lebensformen. Die Schule berücksichtigt
        die Diversität der Lebensentwürfe der Lernende bei der Gestaltung von
        Schule und Unterricht. Die Facetten der Vielfalt lassen sich nicht immer klar voneinander
        trennen.

        Es gehört zur Aufgabe der Schule, die Gleichstellung von Mädchen und Jungen im
        Schulalltag zu fördern, damit diese ihre Persönlichkeit und ihr Potenzial möglichst
        frei von der Zuschreibung bestimmter Eigenschaften und Verhaltensweisen aufgrund
        ihrer Geschlechterzugehörigkeit entfalten können. Als fächerübergreifendes Thema
        und als überfachliche Kompetenz (Umgang mit Vielfalt) fliesst die Gleichstellung von
        Mädchen und Jungen in alle Fachbereiche ein.

        […]

       Deshalb sollten Lehrpersonen bereits im 1. Zyklus Geschlechteridentitäten    
       aufzeigen, die frei von Wertungen und Urteilen sind. Dabei gilt es, sich der
       Problematik von pauschalisierenden Vorstellungen über Mädchen und Jungen
       bewusst zu sein, da diese geschlechtsspezifischen Typisierungen als natürlich gelten
       und im Alltag kaum hinterfragt werden. Deshalb richten sich immer noch viele
       Mädchen und Jungen an Geschlechterrollenerwartungen aus.

       […]»

      (Lehrplan 21, Kanton Bern)

       sowie Lebensformen:

     «[…]

      Für Kinder und Jugendliche ist die Familie in der Regel die zentrale Bezugsgruppe
      sowie Ort der Sicherheit und Zugehörigkeit. Da sie in unterschiedlichen
      Familienformen aufwachsen, bietet es sich an, verschiedene Lebensformen im
      Unterricht zu thematisieren und die Lernenden zu ermutigen, eigene
      Zukunfts- und Lebensperspektiven zu entwickeln. Anknüpfungspunkte zur
      Thematik finden sich im Fachbereich NMG, insbesondere im Bereich ERG.
      Auch die Auseinandersetzung mit der sexuellen Orientierung ist bei Jugendlichen ein
      wichtiges Thema. Die Lehrpersonen anerkennen die verschiedenen sexuellen
      Orientierungen als gleichwertig und thematisieren diese im Unterricht.»

      (Lehrplan 21, Kanton Bern)

Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt widerspiegelt sich zudem in den sieben fächerübergreifenden Themen der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), so beispielsweise explizit in den Themenbereichen «Politik, Demokratie und Menschenrechte», «Gesundheit» sowie «Geschlechter und Gleichstellung»:

    «Das Thema leistet einen Beitrag zur Umsetzung der rechtlichen und tatsächlichen
      Gleichstellung der Geschlechter in Familie, Ausbildung und Arbeit. Es befasst sich
      mit Wahrnehmung und Umgang mit Geschlecht und Rollen in der Gesellschaft und
     
thematisiert die Auseinandersetzung mit Gestaltungsmöglichkeiten und
      Lebenschancen aufgrund des Geschlechts.
Die Lernenden setzen

      sich dabei mit Geschlechterrollen, Stereotypen, Vorurteilen und Klischees im Alltag
      und in der Arbeitswelt auseinander.

     […]

     Sie setzen sich mit Faktoren und Situationen auseinander, die Diskriminierungen und
     Übergriffe begünstigen, und wissen, wie sie sich dagegen wehren können

Lerngegenstand

Begriffsglossar und Dimensionen sexueller und geschlechtlicher Vielfalt
Zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt gibt es eine Reihe an Begrifflichkeiten. Einige zentrale Begriffe, die in diesem IdeenSet explizit verwendet werden, werden im Folgenden kurz erläutert. Weiterführende Informationen und Begriffe bieten das Lexikon von du-bist-du und das das Glossar der Fachstelle für die Gleichstellung von Frau und Mann der Stadt Bern.

Homosexuell

Menschen, die sich vom gleichen Geschlecht angezogen fühlen. Lesbische Frauen sind Frauen, die sich in Frauen verlieben und Frauen begehren. Schwule Männer sind Männer, die sich in Männer verlieben und Männer begehren.

Bisexuell

Menschen, die sich von zwei oder mehr Geschlechtern angezogen fühlen.

Trans

Menschen, die eine andere Geschlechtsidentität haben, als die, die ihnen bei der Geburt oder von der Gesellschaft zugewiesen wurde (Gegenteil: Cis).

Intergeschlechtlich

Menschen, deren Körper sich von den sozialen und v.a. medizinischen Normen und Erwartungen von "männlich" und "weiblich" unterscheiden. Solche angeborenen Variationen der Geschlechtsmerkmale oder -entwicklung können den Chromosomensatz, die Hormone, die Gonaden (Hoden, Eierstöcke oder beides) und/oder äussere und/oder innere Geschlechtsmerkmale betreffen (Gegenteil: Endogeschlechtlich). Auf www.varges.at/uber.vdg gibt es eine Übersicht der Variationen der Geschlechtsmerkmale.

Queer

Das Adjektiv queer stammt aus dem Englischen und bezeichnet Personen und Handlungen, die sich durch sexuelle Orientierungen, Geschlechtsidentitäten und Geschlechtsmerkmale von der gesellschaftlichen Heteronormativiät unterscheiden. Früher wurde die Bezeichnung queer als "sonderbar, eigenartig, suspekt" verwendet, um Menschen, die von der sexuellen oder geschlechtlichen Norm abweichen abzuwerten, heute wird der Begriff als ins Positive gewendete Selbstbezeichnung gebraucht. 

Asexuell

Menschen, die sich von anderen nicht oder nur bedingt sexuell angezogen fühlen oder kein Verlangen nach sexueller Interaktion haben. Asexuelle können sich trotzdem verlieben und ein Verlangen nach einer Partnerschaft haben.

Pansexuell

Menschen, die keine Vorauswahl haben und andere Menschen unabhängig von deren Geschlecht, Geschlechtsidentität oder Geschlechtsausdruck begehren. «Pan» ist griechisch und bedeutet «alles, umfassend, gesamt».

Geschlechtsidentität

Meint das innere Wissen, welches Geschlecht ein Mensch hat.

Geschlechtsausdruck

Meint, wie sich ein Mensch präsentiert und wie er (sein) Geschlecht nach aussen zeigt.

Sexuelle Orientierung

Die sexuelle Orientierung beschreibt, zu welchem Geschlecht sich jemand hingezogen fühlt.

Romantische Orientierung

Bei der romantischen Orientierung geht es darum, in wen sich jemand verliebt. Diese kann mit der sexuellen Orientierung übereinstimmen, muss aber nicht.

Nicht-binär/non-binär

Binär bedeutet «zwei». Menschen, die ihre Geschlechtsidentität weder ausschliesslich als Mann noch als Frau wahrnehmen. Damit befinden sie sich zwischen oder ausserhalb der gesellschaftlich definierten binären Einteilung von Mann und Frau. Die nicht-binäre Geschlechtsidentität ist unabhängig vom biologischen Geschlecht.

Cis

Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde.

Heteronormativität

Die Annahme, dass es genau zwei Geschlechter (Frau und Mann) gibt und deren Begehren gegengeschlechtlich aufeinander bezogen ist (Heterosexualität als einzige natürliche Form des Begehrens).

LGBTIQ+ oder LSBTIQ*

Das Akronym steht für lesbische, schwule (gay), bisexuelle, trans, intergeschlechtliche und weitere queere Menschen. Das + oder der * stehen für zahlreiche weitere Identitäten, (Selbst)definitionen und Haltungen zu Geschlecht und sexueller oder romantischer Orientierung (7, 12). Es sind weitere Versionen der Abkürzungen möglich.

Erklärungshilfe - Trakine e.V.

Bildquelle: https://www.trans-kinder-netz.de/erklaerungshilfe.html [Zugriff: 11.02.2021]

Die Genderbread Person ist eine Illustration, die verschiedene Dimensionen von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt und deren Begrifflichkeiten veranschaulicht. Die Pfeile verdeutlichen, dass Geschlecht und sexuelle Orientierung nicht ausschliesslich zweipolig sind, sondern als Spektrum («mehr oder weniger») oder sogar als Kombination verschiedener Dimensionen («sowohl als auch», «weder noch») betrachtet wird und dass das Denken in Kategorien der Komplexität zu wenig gerecht wird. Auf den einzelnen Pfeilen kann eine persönliche Einschätzung gemacht werden. Wichtig ist, dass alle eingestuften Werte der Genderbread Person voneinander unabhängig sind.
Anmerkung: Der Begriff intersex ist vom Englischen übernommen und sollte auf Deutsch nicht so verwendet werden, er kann übersetzt werden mit intergeschlechtlich.

Einen weiterführenden Beschrieb von Geschlechtervielfalt bietet der Geschlechter-Radar von Chri Hübscher.

Umsetzung in Schule und Unterricht

Damit Kinder und Jugendliche ihre Lern- und Entwicklungschancen ausschöpfen können, braucht es eine Schule, die Vielfalt nicht nur willkommen heisst, sondern sie aktiv unterstützt, d.h. ein Klima der Offenheit und Sicherheit fördert, das vor Ausgrenzung und Diskriminierung schützt (12). Das Recht auf Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung ist seit 2020 ebenfalls in der Schweizer Rassismus-Strafnorm festgehalten, die um diese Kategorie erweitert wurde. So verbietet Artikel 261bis des Schweizerischen Strafgesetzbuchs öffentlichen Aufruf zu Hass oder Diskriminierung gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse, Ethnie, Religion oder sexuellen Orientierung.
Wenn Lernende eine Schule erleben, in der Vielfalt gelebt und Diskriminierung nicht geduldet wird, steigen die Chancen, dass ein Transfer in den Alltag stattfindet. Deshalb ist es wichtig, die Sensibilisierung für Vielfalt (in allen ihren Dimensionen) als übergeordneten Bildungsauftrag zu verstehen, so, wie dieser an zahlreichen Stellen im Lehrplan 21 (siehe Ausführungen unter «Lehrplanbezug») verankert ist. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt soll also nicht «nur» isoliert in spezifischen Unterrichtsfächern wie «Natur und Technik», «Wirtschaft, Arbeit, Haushalt», «Ethik, Religionen, Gemeinschaft» oder im sexualkundlichen Unterricht thematisiert werden, sondern in ALLEN Fächern Eingang finden und die Haltung dazu als Teil der Schulkultur von der Gesamtinstitution Schule reflektiert und weiterentwickelt werden. Die Herausforderung besteht dabei darin, sexuelle Orientierungen (LGB+), Geschlechtsidentitäten (T oder non-binär oder weitere) und Geschlechtsvariationen (I) nicht permanent explizit zu betonen, besonders hervorzuheben oder als etwas Aussergewöhnliches darzustellen, sondern Vielfalt selbstverständlich ins alltägliche Lehren und Lernen einzubeziehen (10).

Für die entsprechende Umsetzung in Schule und Unterricht lassen sich einige Faktoren nennen. Diese sind im Folgenden zusammenfassend ausgeführt. Sie sind entnommen aus Palzkill et al., 2020 (12) und Krell, 2019 (9) und werden untermauert mit konkreten Beispielen, die teilweise aus dem Leitfaden für Leitungspersonen von du-bist-du stammen. Der Leitfaden richtet sich primär an Leitende von Jugendverbänden, viele der Beispiele sind jedoch auch für den schulischen Alltag hilfreich. Zu den Beispielen ist anzumerken, dass diese eine Grundlage bieten, jedoch weder die Komplexität an Situationen abbilden noch allgemeingültige Anleitungen geben können (2).

  • Schulkultur
    Die institutionelle Haltung der Schule zu (sexueller und geschlechtlicher) Vielfalt spielt eine wichtige Rolle und wird idealerweise – wie bereits mehrmals erwähnt – von ALLEN an einer Schule tätigen Personen unterstützt. Dazu gehört auch, die eigene Haltung gegenüber der Thematik zu reflektieren. Schule und Lehrpersonen sind immer auch Modelle.
    • Beispiele
      Die Haltung einer Schule kann im Leitbild verankert werden und spiegelt sich in der Kommunikation nach Aussen, in der Raumgestaltung sowie allen Produkten, die es an einer Schule gibt wider (wie werden z.B. Elternbriefe, Formulare, Flyer gestaltet? Welche Bilder hängen im Schulhaus? Wie werden die Toiletten angeschrieben? Bietet die Schulhausbibliothek Medien zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt an?). Auch minimale Angebote, wie das Auflegen eines Fachstellen-Flyers oder das Anbringen eines Posters einer entsprechenden Jugendorganisation im Schulhaus signalisieren Offenheit, Sichtbarkeit, Akzeptanz und Wertschätzung gegenüber sexueller und geschlechtlicher Vielfalt und Jugendliche, die sich angesprochen fühlen, finden auf diese Weise Anlaufstellen.
  • Auf Diskriminierung und Abwertung reagieren
    Schule und Lehrpersonen prägen das Schul- und Unterrichtsklima und können aktiv zu einer offenen und wertschätzenden Atmosphäre beitragen. Die Erkennung und Benennung von Diskriminierungen und verletzenden Äusserungen ist deshalb von grosser Bedeutung. Auf direkte oder indirekte Diskriminierungen (z.B. homo- oder transphobe oder sexistische Äusserungen) sollte konsequent und unmittelbar reagiert und gegebenenfalls auf das Gesetz verwiesen werden, denn ein Nicht-Reagieren wird von Kindern und Jugendlichen als Akzeptanz der Diskriminierung aufgefasst. Gleichzeitig besteht dabei die Herausforderung, nicht moralisierend oder abwertend zu wirken, sondern die Perspektivenübernahme zu fördern. Es soll eine offene Diskussion möglich sein, in der Lernende ihre Gefühle und Meinungen angstfrei äussern können, sich angesprochen, willkommen und unterstützt fühlen.
    • Beispiele
      Negative Aussagen sollten nicht ungewollt verstärkt werden, sondern es geht darum, Aussagen differenziert zu reflektieren: «Schwul sagt man nicht!» wäre beispielsweise eine ungünstige Reaktion, «schwul» kann sehr wohl gesagt werden, nur nicht als Beleidigung. Es kann mit den Lernenden thematisiert werden, was die Begriffe, die als Schimpfwörter verwendet werden, bedeuten und ob es Alternativen dazu gibt. Manchmal ist es hilfreich, einen persönlichen Bezug herzustellen und beispielsweise zu sagen, dass die transgeschlechtliche Freundin oder der homosexuelle Kollege Äusserungen als verletzend empfinden können und auch in der eigenen Klasse Menschen beleidigen können, die man mag (13). Es darf auch humorvoll reagiert werden, wenn dies angebracht ist. Zum Beispiel könnte man auf die Aussage «Mein Lineal ist so schwul» fragen, ob noch jemand anderes im Klassenzimmer ein schwules Lineal hat (13)?                                                                                               
      Weitere hilfreiche Fallbeispiele und konkrete Strategien zum Umgang mit Beschimpfungen und diskriminierenden Äusserungen sind in Broschüre 3 «Schwule Sau!», «Du Transe!», «Kapmflesbe!» - Was tun bei Beschimpfungen und diskriminierenden Äusserungen? des Broschürenquartetts von Queer Format zu finden.
  • Exkurs Intergeschlechtlichkeit: Binäre Vorannahmen zur Vielfalt der Geschlechtsentwicklung oder Variationen von Geschlechtsmerkmalen im Unterricht einbeziehen
    Die Diversität von intergeschlechtlichen Variationen ist sehr gross. Intergeschlechtliche Lernende sind auch dann von Diskriminierung betroffen, wenn zwar offen und inklusiv über LGBTQ gesprochen wird, Intergeschlechtlichkeit aber nicht spezifisch thematisiert wird. Lehrkräfte sollten darum Kenntnisse zu Intergeschlechtlichkeit im Besonderen haben. Viele betroffene Jugendliche kennen nur ihre medizinische «Diagnose» und sind sich nicht bewusst, dass der medizinische Begriff ihrer «Diagnose» etwas mit intergeschlechtlich zu tun hat. Die Ermutigung zum Kontakt mit anderen intergeschlechtlichen Menschen (peer-groups) ist darum ein wichtiges Instrument, um die Jugendlichen in ihrer Resilienz und Selbstwirksamkeit zu fördern.
    • Beispiele
      Silvia, ein Mädchen mit einer Variation der Geschlechtsmerkmale, wurde zum 3. Mal an ihren Geschlechtsmerkmalen operiert. Sie muss regelmässig Hormone nehmen (Hormonersatztherapie nach Entfernung der Hoden im Bauchraum und Operation an der Klitoris und der Vagina und Vulva). Sie wurde als Mädchen erzogen und identifiziert sich als Mädchen und hat sich in einen Mitlernende verliebt. Sie weiss, dass sie keine Kinder haben kann. Aber sie findet die LGBTIQ-Gruppe in ihrer Umgebung «cool» und möchte dort mitmachen. Dass sie «intergeschlechtlich» sein könnte – also das I in LGBTIQ – weiss sie nicht, weil sie vom Arzt und den Eltern nur den Begriff ihrer (medizinischen) Variation kennt. Irgendwie scheint also die LGBTIQ-Gruppe nicht zu ihr zu «passen». Ohne eine Aufklärung z.B. in der Schule, was das «I» genau bedeutet, wird ihr nicht bewusst werden, dass sie zur LGBTIQ Gruppe «dazugehören» könnte.
  • Geschlechtergerechte und geschlechterinklusive Sprache
    Haltung spiegelt sich in unserer Sprache wider und Sprache prägt die Wahrnehmung der Realität sowie unser Denken. Eine geschlechtergerechte Sprache bezieht alle Geschlechter mit ein und führt so zu einer stärkeren Wahrnehmung und Sichtbarkeit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Einschliessende Sprache vermittelt, dass sexuelle und geschlechtliche Minderheiten die gleichen Rechte haben wie alle anderen und der Mehrheit wird vermittelt, sich tolerant und respektvoll gegenüber Minderheiten zu verhalten (1).
    • Beispiele
      Spreche ich beispielsweise immer nur in der männlichen Form oder verwende ich auch weibliche Formen, um die Gruppe der Mädchen explizit anzusprechen? Mache ich Geschlechtervielfalt sichtbar, indem ich in der schriftlichen Sprache ein Genderzeichen (zum Beispiel den Gender_Gap, den Gender:Doppelpunkt oder den Gender*stern) verwende? «Gendere» ich in der gesprochenen Sprache, indem ich das Genderzeichen mit einer kleinen Pause symbolisiere (z.B. «Freund [Pause] in»)?. Wechsle ich ab zwischen den verschiedenen Formen, um Jungen und Mädchen, aber auch alle anderen anzusprechen und einzuschliessen? 
  • Geschlechterstereotype reflektieren und typisches Rollenverhalten aufbrechen (undoing gender)
    Geschlechterstereotype schreiben Personen unabhängig von ihren individuellen Bedürfnissen, Fähigkeiten oder Präferenzen zu, wie sie sich zu verhalten haben. Wenn Kinder und Jugendliche den zugeschriebenen Geschlechterstereotypen nicht entsprechen können oder wollen, kann dies Ausgrenzung oder Abwertung hervorrufen. Geschlechterstereotype werden oft unbewusst zementiert und prägen den Austausch zwischen Lehrpersonen und Lernenden auch neben dem eigentlichen Unterricht.
    • Beispiele
      Typisches Rollenverhalten kann aufgebrochen werden, indem z.B. nicht die Frage gestellt wird «Wer von den Jungen möchte Fussball spielen gehen?», sondern «Wer möchte Fussball spielen?». Oder bei einem quietschenden Velo eines Kindes könnte gesagt werden, dass das Kind oder dessen Eltern die Kette ölen solle, anstatt zu sagen «Sag Deinem Vater, er solle deine Kette ölen». Anstatt zu fragen «Was hat die Mama zum Mittagessen gekocht?» könnte gefragt werden, wer das Mittagessen zubereitet hat. Ebenso kann vielfältiges Rollenverhalten unterstützt werden. Wenn z.B. ein Junge mit einem pinken T-Shirt den Kommentar erhält «Pink ist für Mädchen», kann erwidert werden, dass Pink für alle da ist und jedem Menschen gut stehen kann. Häufig werden Aufgaben oder Aktivitäten in der Schule nach Geschlecht verteilt. Z.B. werden Gruppen im Sport nach Mädchen und Jungen aufgeteilt oder Pulte werden nur von Jungs hin und her geschleppt. Dies kann aufgebrochen werden indem beispielsweise nach Halbklassen oder anderen Kriterien aufgeteilt wird oder wenn beim Pulte verschieben nach hilfsbereiten und kräftigen Jugendlichen gefragt wird.
      Weitere hilfreiche Beispiele zur Reflexion von Geschlechterrollen finden sich bei der Methode Praxissituationen entgeschlechtlichen von Dissens.
  • Sensibilität bei der Auswahl von Unterrichtsmaterialien, Aufgabenstellungen, Beispielen und Bildern
    Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt und vielfältiges Rollenverhalten im schulischen Alltag zu repräsentieren, heisst auch, auf die Bildsprache in Lehrmitteln zu achten und bei Beispielen, Geschichten oder Aufgabenstellungen verschiedene Identitäten und Lebensentwürfe indirekt mit einzubeziehen. Insbesondere (ältere) Medien für den sexualkundlichen Unterricht bilden sexuelle und geschlechtliche Vielfalt oft ungenügend ab (geeignete Medien hierzu sind im IdeenSet verlinkt).
    • Beispiele
      Mache ich Beispiele von starken Frauen und traurigen Männern? Spreche ich nur Mädchen oder auch Jungen auf ihr Aussehen oder ihre Kleidung an? Werden auf Bildern Geschlechtsstereotypen reproduziert? Wer wird auf Bildern überhaupt gezeigt? Um sexuelle und geschlechtliche Vielfalt abzubilden, könnte die Familie bei einer Mathematikaufgabe beispielsweise auch einmal aus einem gleichgeschlechtlichen Elternpaar und Kindern bestehen oder die abgebildete Person bei einem Auftrag in Englisch lässt sich sichtlich nicht klar dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zuordnen (7). In einer Naturkundeaufgabe kommen auch Forscherinnen vor und nicht nur Forscher. In Geschichten können auch mal ruhige Jungen und starke Mädchen erwähnt werden. In Musik oder Bildnerischem Gestalten darf ruhig erwähnt werden, dass der Komponist oder Maler schwul war – bei heterosexuellen Kunstschaffenden wird schliesslich auch erwähnt, wenn sie verheiratet waren. Bei einem Rollenspiel können die Lernenden ihre Rollen als Eltern auch selber wählen, es müssen nicht immer Mutter und Vater sein. Im Geschichtsunterricht kann neben der Verfolgung der jüdischen Menschen auch erwähnt werden, dass auch homosexuelle Männer oder Menschen mit Beeinträchtigungen und weitere Minderheiten Opfer des Holocaust wurden.
      Hilfreiche Anregungen für die Auswahl von unterrichtlichen Methoden kann die Methodenmatrix von Dissens bieten.
  • Direkte Begegnungen ermöglichen
    Direkte Begegnungen mit LGBTIQ+ Menschen sind sehr bedeutsam. Sie ermöglichen, in einem geschützten Rahmen, Fragen zu stellen, Berührungsängste abzubauen und Vorurteile zu hinterfragen. Schulprojekte, die Begegnung ermöglichen, sind im IdeenSet verlinkt. Als Vorbereitung auf direkte Begegnungen oder auch als Alternative, wenn diese nicht möglich sind, eignen emotionale Zugänge zur Thematik, beispielsweise über Porträts oder Geschichten in Form von Filmen oder Klassenlektüren.
  • Weiterbildungen für Lehrpersonen und Schulleitungen
    Spezifische Weiterbildungen tragen dazu bei, Lehrpersonen und Schulleitungen für sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Schule und Unterricht zu sensibilisieren sowie Sicherheit im Umgang mit der Thematik zu vermitteln.

Eine weitere und kurzgefasste Zusammenstellung von Empfehlungen zur Förderung von Toleranz und Sichtbarkeit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt bieten die 10 Empfehlungen für Schulen und Lehrpersonen der Fachgruppe eduqueer.

Die Broschüre Queer-inklusives pädagogisches Handeln. Eine Praxishilfe für Jugendeinrichtungen von Queer Format bietet eine Checkliste mit konkreten Reflexionsfragen zur Unterstützung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in pädagogischen Einrichtungen.

Verlauf

Im Verlauf sind mögliche Umsetzungsvorschläge und Aufgaben skizziert. Es wird vorwiegend auf Unterrichtsmaterialien verwiesen, welche online zur Verfügung stehen.

Didaktische Phase * Aufgaben
Explorieren

Alle sind anders
Die Vielfalt innerhalb der Klasse aufzeigen. Die Lernenden sensibilisieren, dass es zwischen allen Menschen Gemeinsamkeiten und Unterschiede (z.B. bezüglich Aussehen, Herkunft, Religion, Hobbies, Geschlecht oder sexueller Orientierung) gibt und dass alle «anders» sind.

Mögliche Materialien: Individuen-Spiel und als Weiterführung Fragebogen für Heterosexuelle von eduqueer, AB Wir sind alle anders aus IdeenSet Xund

Erarbeiten

Begriffe und Porträts
Begriffe zu LGBTIQ+ mithilfe von Beispielen, (Film-)Porträts und der Gender Unicorn Illustration erarbeiten. Es können auch berühmte Persönlichkeiten aus Musik, Kunst, Literatur, Politik, Geschichte etc. einbezogen werden. Die Bedeutung der einzelnen Pfeile des Gender Unicorns besprechen und eine persönliche Einschätzung (die selbstverständlich nicht geteilt werden muss) machen. Evtl. weitere Recherchen (dazu eignen sich die verlinkten Websites) durch die Lernenden und Erstellung eines eigenen Begriffsglossars.

Mögliche Materialien: Powerpoint-Präsentation von Milchjugend, Lexikon und Kurzporträts von du-bist-du, Lektionseinheit der Berner Gesundheit, Begriffslexikon von eduqueer, Arbeitsblatt von feel-ok, Dossier Geschlechtliche Vielfalt – trans* der Bundeszentrale für politische Bildung, Ressourcen von InterAction Schweiz, IdeenSet Xund, diverse verlinkte Filme, Schritte ins Leben

Rollenerwartungen
Rollenbilder, Rollenverhalten in Bezug auf das Geschlecht (gender) reflektieren.

Mögliche Materialien: Durcheinander im Poesiealbum von eduqueer, Collagen zu Geschlechterbildern von Dissens, Arbeitsblatt Geschlechterrollen aus IdeenSet Xund, Schritte ins Leben

Vorurteile und Diskriminierungen
Sich mit möglichen Vorurteilen und (sprachlichen und strukturellen) Diskriminierungen zu LGBTIQ+ Menschen auseinandersetzen und diese prüfen. Die rechtliche Situation in der Schweiz und weltweit thematisieren. Hier auch positive Veränderungen der letzten Jahre aufzeigen.

Mögliche Materialien: ILGA Weltkarte, Vorurteile rund um die sexuelle Orientierung von Liebesleben, Diversity exists, IdeenSet Xund

Coming out
Sich damit beschäftigen, wie es wäre, wenn ein*e Freund*in sich outen würde.

Mögliche Materialien: Brief an eine Freundin/einen Freund und Meine beste Freundin/Mein bester Freund von eduqueer

Vielfältige (familiäre) Lebensformen
Sich mit verschiedenen Beziehungs- und (familiären) Lebensformen auseinandersetzen.

Mögliche Materialien: Leitfaden von Regenbogenfamilien, diverse verlinkte Filme, Schritte ins Leben

Direkte Begegnung mit LGBTIQ+ Menschen
Den Lernenden Gelegenheit ermöglichen, persönliche Erlebnisse und Coming-out-Geschichten zu erfahren und Fragen zu stellen.

Möglichkeiten: Die unter dem Schwerpunkt «Schulprojekte» verlinkten Begegnungsmöglichkeiten sowie die Workshops der Milchjugend

Üben und Vertiefen

Spielerisch Begriffe wiederholen
Begriffe zu LGBTIQ+ spielerisch üben.

Mögliche Materialien: «Tabu» oder «Queerer Obstsalat» von Dissens, kahoot!

Alternativ Erstellung eines eigenen Memorys durch die Lernenden. Ein Paar besteht jeweils aus einem Begriff und dem dazugehörigen Beschrieb.

Anwenden

Rollenspiele
Anhand von Rollenspielen konkrete Situationen im Umgang mit sexueller und geschlechtlicher Vielfalt erproben. Dabei können auch Alternativen zu diskriminierendem Verhalten entwickelt werden. Zusätzlich können die Situationen in Bildergeschichten verarbeitet werden.

Mögliche Materialien: Szene anspielen und mögliche Variante besprechen von eduqueer

Eigene Analyse
Lernende analysieren Text und Bild von Websites, Werbungen, Zeitungsartikeln, Filmen und Serien oder gar eigener Lehrmittel in Bezug auf die Darstellung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Leitfragen hierzu können sein: 

  • Wo und wie wird Vielfalt einbezogen und dargestellt? Wo nicht?
  • Wo und wie werden heteronormative Vorstellungen reproduziert? Gibt es Gegenbeispiele?

Collagen
Collagen erstellen, die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt sichtbar machen und das Spektrum an Vielfalt repräsentieren.

Mögliche Materialien: verlinkte online Bildplattformen

Übertragen

* Die didaktischen Phasen basieren auf dem Modell kompetenzfördernder Aufgabensets nach Kalcsics & Wilhelm, 2017.

Quellen

Literatur

(1) Allianz für Sexualaufklärung: Bulletin Sexualaufklärung No.5. Recht auf persönliche Selbstbestimmung und Anerkennung vor dem Gesetz. Fokus LGBTIQ. [Zugriff: 25.03.2021]

(2) du-bist-du: Leitfaden für Leitungspersonen. [Zugriff: 25.02.2021]

(3) Estermann, S. & Odermatt, A. (2019): Schritte ins Leben. Ich und die Gemeinschaft. Begleitband und Online-Material. Baar: Klett und Balmer.

(4) Erziehungsdirektion des Kantons Bern: Lehrplan für die Volksschule des Kantons Bern: Allgemein Hinweise und Bestimmungen (AHB). Module und fächerübergrefende Themen. [Zugriff: 17.02.2021]

(5) Gesundheitsförderung Schweiz (Hrsg.) (2017): Faktenblatt 19. Geschlechtliche und sexuelle Minderheiten in Gesundheitsförderung und Prävention. Zielgruppe Kinder und Jugendliche. [Zugriff: 10.02.2021]

(6) Hässler, T. & Eisner, L. (2020). Swiss LGBTIQ+ Panel - 2020 Summary Report. https://doi.org/10.31234/osf.io/kdrh4 [Zugriff: 19.01.2023]

(7) Hofmann, M., Lüthi, J., Kappler, C. (2019): Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt in pädagogischen Settings der Deutschschweiz. Recherchebericht. [Zugriff: 10.02.2021]

(8) Kleiner, B. (2020): Lebenslagen von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* und inter*geschlechtlichen sowie genderqueeren (Kindern und) Jugendlichen. In: Timmermanns, S. & Böhm, M. (Hrsg.): Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt. Interdisziplinäre Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis. Weinheim: Beltz Juventa.

(9) Krell, C. (2019): «Schule ist nochmal eine ganz andere Sache» in: Gender – Wissen – Vermittlung. Geschlechterwissen im Kontext von Bildungsinstitutionen und sozialen Kontexten. Wiesbaden: Springer.

(10) Marti, S. (2021): Schule soll Geschlechtergerechtigkeit fördern. Interview in ventuno – BNE für die Schulpraxis. Ausgabe 01/2021. [Zugriff: 16.02.2021]

(11) Nussbaum, M.-L. (2013): Zur Bedeutung des Themas für Jugendliche in: Geiser, L. & Voss, A. (2013): Erste Liebe. Beziehung und Sexualität. Pädagogisches Begleitmaterial. Bern: hep.

(12) Palzkill, B., Pohl, F.G., Scheffel, H. (2020): Diversität im Klassenzimmer. Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in Schule und Unterricht. Berlin: Cornelsen.

(13) Queerformat: Wie Sie vielfältige Lebensweisen an Ihrer Schule unterstützen können. Teil 3. [Zugriff: 31.03.2021]

(14) Schär, P. & Bach, C. (2018): Diversity exists. Unterrichtsmaterialien zum Film. www.diversity-exists.ch

(15) Timmermanns, S. & Thomas, P. M. (2020): «Dass sich etwas ändert und sich was ändern kann.» Ergebnisse einer qualitativen Studie über die Lebenssituation von lsbt*q Jugendlichen in Hessen. In: Timmermanns, S. & Böhm, M. (Hrsg.): Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt. Interdisziplinäre Perspektiven aus Wissenschaft und Praxis. Weinheim: Beltz Juventa.

(16) Untersee, M. & Kauer, M. (2008): Homo? Hetero? Bi? Sexuelle Orientierungen thematisieren. In: Rhyner, T. & Zumwald, B. (Hrsg.): Coole Mädchen – starke Jungs. Impulse und Praxistipps für eine geschlechterbewusste Schule. Bern: Haupt.

(17) Weber, P. & Gredig, D. (2018): Prevalence and predictors of homophobic behavior among high school students in Switzerland. Journal of Gay & Lesbian Social Services. Vol. 0, No. 0, 1-26. https://doi.org/10.1080/10538720.2018.1440683

(18) FRA - European Union Agency for Fundamental Rights (2020): A long way to go for LBBTI equality. No. 2.4. https://fra.europa.eu/sites/default/files/fra_uploads/fra-2020-lgbti-equality-1_en.pdf

Abbildung

Titelbild: CC0 Chenmanman https://pixabay.com/de/illustrations/geometrie-nichts-farbe-hintergrund-814744/ [Zugriff: 10.02.2021]