Bildnerisches Gestalten
Die gesellschaftliche Selbstverständlichkeit einer solch persönlichen Frage bildet die Grundlage dieser Auseinandersetzung mit Herkunft, Identität und der Verwurzelung in der Vergangenheit. Darf Identität von Menschen mit Migrationshintergrund je isoliert bestehen? Oder befindet sie sich ständig hinter einem Vorhang aus Erwartungen und öffentlicher Neugier?
Was sind deine Wurzeln? Woher kommst du wirklich?
Diese Fragen werden mir als Mensch mit sichtbarem Migrationshintergrund regelmässig gestellt, oft ohne Bewusstsein für die vielschichtige Beziehung zwischen meiner eigenen Identität, der Familiengeschichte und dem gesellschaftlichen Signal, das solche Fragen setzen. Meine Arbeit macht diese Vielschichtigkeit sichtbar.Der Weg zu meinem heutigen Selbst war nie einer, den ich allein gehen durfte. Er ist geprägt von Rollenbildern, Glaubenssätzen und einem ständigen Gefühl, nicht wirklich dazuzugehören. Meine Identität gehört nicht ausschliesslich mir, sie ist verbunden mit allen, die vor mir kamen, und mit jenen, die für ihren Platz in der Gesellschaft kämpfen und kämpfen mussten.
Die Installation, bestehend aus Gipsgüssen, Papier und Metall, spielt bewusst mit der eurozentrischen Neugier, die sich in Fragen nach Herkunft und Identität äussert. Sie antizipiert Erwartungen, während die Identität des Individuums ins Verborgene rückt. Die Frage nach der Herkunft wird so zu einer Frage nach persönlicher und globaler Geschichte.
Um diese Arbeit zu realisieren, stellte ich mich mehreren persönlichen Herausforderungen. Die historische Recherche für meine Bildersammlung brachte mich in Berührung mit den Lebensgeschichten der Menschen, die vor mir für die Rechte Schwarzer Menschen kämpften. Bald war für mich klar, dass ich meine Arbeit diesen Personen widmen möchte. Gleichzeitig konfrontierten mich ihre Geschichten mit eigenen Fragen: Bin ich geeignet, diese Arbeit zu schaffen? Was habe ich selbst für meine Rechte getan? Muss ich heute noch für meine Rechte kämpfen?
Diese Auseinandersetzung führte mich zurück zu meiner Familie, zu den unterschiedlichen Wahrnehmungen der Welt und den verschiedenen Wegen, mit unserem Migrationshintergrund umzugehen. Die Gipsskulpturen der geballten Faust meiner Familienmitglieder bilden eine Brücke zwischen Geschichte und persönlicher Identität. Sie stehen symbolisch für die Tatsache, dass Identität in einem gesellschaftlichen Kontext nie isoliert existiert. Selbst wenn wir uns nicht aktiv politisch engagieren, ist unsere blosse Existenz politisch.
Der aus der Bildersammlung entstandene Vorhang verdeutlicht den fehlenden Schutz Schwarzer Menschen als private Personen in der Schweiz. Er zeigt die Gesichter des öffentlichen Aktivismus, die in Medien und Geschichtsbüchern weiterleben, und lässt gleichzeitig das Individuum und die Geschichte jeder einzelnen Person im Hintergrund verschwinden.