Bildnerisches Gestalten
Unser Körper ist dem Verfall geweiht. Langsam, schleichend, oft unbemerkt. Die Welt wirkt auf uns ein, deformiert uns, formt uns um. Wir merken es kaum. Doch was, wenn wir diese Veränderung sichtbar machen könnten? Was, wenn wir zusehen müssten, wie ein Körper verformt, verunstaltet und zerstört wird?
In dieser Arbeit wurde ein Freund von mir in eine digitale Welt entlassen, in der physikalische Kräfte die Kontrolle übernehmen. Er wird gegen seinen Willen entstellt und du darfst dabei zusehen.
Der menschliche Körper befindet sich in einem ständigen Wandel. Das Streben nach Schönheit und Glück, unvorhersehbare Schicksalsschläge und das unaufhaltsame Fortschreiten der Zeit nagen an uns, verändern uns und verunstalten uns.
Diese Veränderungen geschehen oft schleichend. Sie bleiben unbemerkt oder werden als natürlich empfunden. Manchmal sind sie willkommen, manchmal unvorteilhaft. Es gibt unzählige Arten des Wandels und es liegt stets im Auge der Betrachtenden, ob dieser als positiv oder negativ wahrgenommen wird. Wie so vieles im Leben bleibt auch die Bewertung körperlicher Veränderung eine subjektive Wahrnehmung.
Was jedoch keine subjektive Wahrnehmung sondern eine objektive Tatsache ist, ist das Bewusstsein darüber, dass physische Vergänglichkeit geschieht, ob man es will oder nicht. Der Mensch ist der Zeit machtlos ausgeliefert.
Mein Projekt widmet sich der Verunstaltung des physischen Seins. Auch wenn diese Veränderung oft als natürlich oder gar schön empfunden wird, verspüre ich ein starkes Unbehagen bei dem Gedanken an meine eigene Ohnmacht gegenüber diesem Prozess.
Daraus ergibt sich eine Frage: Wäre es nicht sinnvoll, sich dieser Machtlosigkeit bewusst hinzugeben und zu akzeptieren, dass der Prozess der Verunstaltung des Körpers ein natürlicher, vielleicht sogar ein schöner ist? Aber wo bliebe dabei der Spass?
Deshalb habe ich einen anderen Weg gewählt. Ich habe das Ganze umgedreht.
Mit Hilfe eines 3D-Scanners auf meinem Smartphone und der Software Blender habe ich die Rolle des Verunstalters übernommen. Ich habe einen guten Freund eingescannt und ihn in eine digitale Welt entlassen. Dort habe ich nach eigenem Ermessen verschiedenste physikalische Kräfte auf ihn einwirken lassen, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Endlich konnte ich bestimmen, was mit einem fremden Körper geschieht. Diesen Prozess der gezielten Verunstaltung habe ich in einer Animation festgehalten und mit passenden Sound- und Videoeffekten ergänzt.
Heute muss ich mir jedoch eingestehen, dass diese Arbeit mein Unbehagen gegenüber meiner eigenen Machtlosigkeit keineswegs gelindert hat. Vielleicht wäre Akzeptanz der bessere Weg gewesen. Doch diesen Weg habe ich nicht gewählt.
Und wenn ich mich schon unbehaglich fühlen muss, dann sollst du es beim Betrachten dieser Arbeit auch. So bin ich wenigstens nicht allein.