Bildnerisches Gestalten
Warum reicht es nicht, einen Ort einfach zu zeigen? Warum wollen wir ihn fühlen, neu erfinden, übersteigern? Diese Arbeit nimmt einen Ort und zerlegt ihn in Farbe, Form und Rhytmus. Linien lösen sich, Flächen flammen auf, die Realität wird verzerrt, bis sie die innere Wahrnehmung spiegelt. Was bleibt, ist nicht mehr ein geografischer Ort, sondern ein verdichteter Moment - Erinnerungen, Stimmung, Projektion. Die Frage bleibt: Ab wann ist ein Bild des Ortes näher an der Wahrheit als der reale Ort selbst?
Warum reicht es nicht, einen Ort einfach so zu zeigen, wie er ist? Reicht ein Foto, um seine Bedeutung zu erfassen? Diese Arbeit geht davon aus, dass ein Ort mehr ist als nur ein geografischer Punkt – er ist eine Ansammlung von Erinnerungen, Stimmungen und persönlichen Verbindungen. In meinem Fall ist es ein Ort, der mich seit Jahren begleitet: ein Schloss, das ich aus unterschiedlichen Blickwinkeln und zu verschiedenen Tageszeiten fotografiert habe. Neun Fotografien bilden den Ausgangspunkt. Doch anstatt sie unverändert zu lassen, beginne ich, sie zu zerlegen – in Linien, Farben und Flächen. In einer ersten Phase übersetze ich jedes Foto in eine expressionistische Malweise, inspiriert von Van Goghs dynamischem Pinselstrich. Die Architektur bleibt erkennbar, doch sie pulsiert in Wirbeln, rhythmischen Linien und leuchtenden Farbkontrasten. Himmel, Mauerwerk und Schatten treten in einen Dialog, der weniger die reale Beschaffenheit zeigt, sondern die emotionale Resonanz, die dieser Ort in mir auslöst. In einer zweiten Phase erfolgt eine weitere Abstraktion: Die Bewegungen und Strukturen weichen klaren Farbflächen, die Details verschwinden zugunsten einer verdichteten Formensprache. Das Schloss verwandelt sich in eine Komposition aus Flächen und Farben, in der nur noch Spuren seiner realen Gestalt sichtbar sind. Aus den 9 Fotografien entstehen so 18 Bilder – jeweils ein Paar aus expressiver und vereinfachter Darstellung. Das Nebeneinander dieser beiden Stadien lädt die Betrachtenden ein, den Weg von der Realität zur subjektiven Wahrnehmung nachzuvollziehen. Es wird erfahrbar, wie sich die Essenz eines Ortes verändert, wenn er nicht nur gesehen, sondern gefühlt und interpretiert wird. Die expressive Phase macht die emotionale Aufladung sichtbar, die zweite Phase verdichtet diese Emotionen zu einer fast symbolischen Form. Das Projekt stellt die Frage, ab wann ein Bild vielleicht sogar wahrer ist als der reale Ort. Ist es dann, wenn es die topografische Genauigkeit verlässt und stattdessen das subjektive Erleben in den Vordergrund rückt? Oder wenn es die Grenzen zwischen Realität und Erinnerung auflöst? Die Arbeit lädt dazu ein, nicht nur den Ort, sondern auch den Blick darauf zu hinterfragen – und die feine Linie zwischen äusserem Bild und innerer Welt zu erkunden.