Leonie Mosimann - KörperSpuren

Bildnerisches Gestalten

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Losgelöst von Form, Planung und Kontrolle entfaltet sich das Werk als Sprache des Körpers. Inspiriert von abstrakter Kunst und getragen von Musik tanzen Spuren über das Papier – roh, intuitiv, frei. Ohne Sehkontrolle, ohne klassisches Werkzeug, entsteht Gestaltung durch Bewegung. Jede Linie erzählt vom Loslassen, jeder Abdruck vom Dialog zwischen innerem Impuls und äusserer Fläche. Ein Experiment zwischen Malerei, Tanz und Intuition.

Was bleibt, wenn Kontrolle weicht? Wenn Sehen, Planen, Bewerten ausgeschaltet werden – und stattdessen Bewegung, Musik und Intuition übernehmen? Mein Werk lädt ein, genau solchen Fragen nachzuspüren.

Den kunsthistorischen Ursprung sehe ich im Expressionismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts, als Künstler*innen begannen, nicht mehr die sichtbare Welt, sondern innere Zustände auf die Leinwand zu bringen. Später entwickelten sich daraus die abstrakte Kunst und das Action Painting – etwa bei Jackson Pollock, Franz Kline oder Joan Mitchell.

Bei meinen Museumsbesuchen wurde mir schnell klar, dass mich vor allem die abstrakte Kunst fesselt. Sie schreibt den Betrachtenden nicht vor, was sie erkennen oder lesen sollen, sondern lässt Raum für freie Wahrnehmung und individuelle Deutung. In dieser Offenheit fand ich einen Spiegel für mein eigenes künstlerisches Anliegen. Besonders prägend war für mich die Begegnung mit Amy Sillmans Arbeiten im Kunstmuseum Bern. Ihre Malereien bewegen sich zwischen Abstraktion und Figuration und strahlen eine spürbare Lust an der Malerei aus. Ihre Offenheit für neue Perspektiven hat auch meinen eigenen Zugang zur Kunst nachhaltig beeinflusst.

Ich entschied mich während meines Bildprozesses bewusst für eine reduzierte Bildsprache: schwarze, trockene Acrylfarbe, ein einziger breiter Pinsel, grosse A1-Bögen. Um mich vom Anspruch der Ästhetik zu lösen, arbeitete ich zunächst unter engen Zeitlimiten – zuerst fünf, dann nur noch eine Minute pro Blatt. Doch trotz dieser Beschränkungen blieb mein Schaffen zu kontrolliert, zu überlegt. Ich malte noch immer mit dem Auge, nicht mit dem Körper.

Deshalb begann ich blind zu arbeiten – ohne zu sehen, wohin meine Hand führte. In einem nächsten Schritt ergänzte ich Musik, die die Bilddynamik wesentlich beeinflusste. So wurde mein Körper zunehmend zum eigentlichen Werkzeug. Um die Kontrolle weiter zu reduzieren, löste ich mich schliesslich ganz vom Pinsel und meinen Händen: Ich trug die Farbe mit Füssen und Beinen auf, bewegte mich auf dem Papier, rutschte, trat, drehte. So entstanden rohe, spontane Spuren auf weissem Untergrund.

Die entstandenen Werke fotografierte ich, bearbeitete sie digital und liess die finalen Arbeiten auf A0-Format drucken und zuschneiden. Die fünf grossformatigen Bilder sind keine Abbildung, sondern Spuren und Momentaufnahmen des Loslassens. Sie laden dazu ein, Malerei neu zu denken: nicht als Produkt, sondern als performativer Akt.

Material und Technik

je 84cmx112cm, Gouache auf Karton / Ausstellungstücke: Digitaldruck auf zugeschnittenem Papier A0