"Gelerntes wendet man nur an, wenn es plausibel und praktikabel ist."

Matthias Probst ist PHBern-Dozent der Sekundarstufe II. Dieses Jahr hat er seine Dissertation "Hydrologie anwendungsorientiert vermitteln" veröffentlicht. Sie liefert erstmals statistisch untersuchte und praxisbezogene Grundlagen zur Transferleistung im Geografieunterricht.
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In der Einleitung seiner Dissertation erklärt Matthias Probst, dass die Ressource Wasser ein entscheidender Faktor für die Entwicklung von Regionen ist. Ein nachhaltiger Umgang mit Wasser müsse daher vorausschauend geplant und umgesetzt werden. Das Thema Hochwasser eignet sich für eine Studie, weil diese Naturgefahr mit 70 bis 80 Prozent der Schadenssummen aller Naturereignisse weltweit und auch in der Schweiz sehr bedeutend ist. Zudem nimmt das Thema Naturgefahren in den kantonalen Lehrplänen der Schweizer Gymnasien eine wichtige Stelle ein und setzt eine intensive Auseinandersetzung mit geografischen und sozioökonomischen Begebenheiten voraus. Die Bildung sei deshalb gefordert, hydrologisches Grundlagenwissen so zu vermitteln, dass es Lernende auf andere Situationen und Problemstellungen übertragen können.

Die Dissertation geht folgender Leitfrage nach: Welcher Geografieunterricht vermittelt hydrologisches Grundwissen so, dass die Lernenden es in anderen Situationen und Aufgaben anwenden und weiterentwickeln können?

Ausgehend von dieser Fragestellung wurde in der Dissertation der analytisch-erkenntnisorientierte Lernansatz (AEL) entwickelt. "Der Lernansatz AEL verlangt in allen drei Phasen eigenständiges Denken von den Lernenden", erklärt Matthias Probst. "In der ersten Phase werden eigene Überlegungen zu einer herausfordernden Problemstellung entwickelt. In Phase 2 werden die Schülervorstellungen dem Fachwissen situativ passend gegenübergestellt und dabei angepasst, ergänzt, hinterfragt und differenziert. Bei der dritten Phase wird das Gelernte auf andere Situationen und Aufgaben transferiert." In allen drei Phasen lernen die Schülerinnen und Schüler zum Thema eigenständig zu denken, mit hohem Bezug zu eigenen und fachlichen Vorstellungen. Dies ist für die Wissenskonstruktion und die Transferleistung äusserst wichtig, denn Gelerntes wendet man nur an, wenn es plausibel und praktikabel ist, erklärt der PHBern-Dozent. "Dies erscheint alles logisch", so Probst, "aber bisher gab es kein Konzept, dass diese lernpsychologischen und fachdidaktischen Kenntnisse zum Lerntransfer für Lehrpersonen in einem flexibel und vielfältig einsetzbaren Unterrichtsmodell zugänglich machte."

Das Lernmedium WASSERverstehen wurde ebenfalls im Rahmen der Dissertation erarbeitet und basiert auf dem entwickelten Lernansatz AEL. Es zeigt praxisorientiert die Umsetzung des Lernansatzes AEL auf und ermöglichte eine quantitative Wirksamkeitsstudie an vier gymnasialen Klassen im Geographieunterricht. In der Studie mit einem Pre-, Post-, Follow-up-Test-Design wurde in einer Experimental- und Vergleichsgruppe die Wirksamkeit des Lernansatzes AEL und des Lernmediums WASSERverstehen auf die vier Bereiche Wissenszuwachs, Behaltensleistung, Transferleistung und Beständigkeit der Transferleistung zum Thema Hochwasser untersucht. "Die Ergebnisse zeigen, dass die Transferleistung mit dem Lernansatz AEL hoch signifikant stärker zunehmen und beständig bleiben", berichtet Probst. "Momentan führe ich eine qualitative Studie durch, wo ich die individuellen Lernwege in einem adaptiven Unterricht nach Lernansatz AEL verstehen möchte. D.h. es geht darum, die Entwicklung einer beständigen Wissens- und Transferleistung in den Köpfen der Lernenden detaillierter zu erforschen."

Die Dissertation von Matthias Probst wurde in der peer reviewed Reihe "Geographiedidaktische Forschungen" in Deutschland publiziert.

Weitere Infos zum Projekt "Wissenschaftliche Kenntnisse der Hydrologie anwendungsorientiert vermitteln" von Matthias Probst

Mehr zum Lernmedium WASSERverstehen unter www.wasserverstehen.ch