Nach Corona: Der Zug nimmt wieder Fahrt auf

Mit einem Strauss aus knapp 30 Angeboten für Zyklus- und Fachbereichsverantwortliche bis im Mai 2022 will die PHBern die fachbezogene Unterrichtsentwicklung beschleunigen. Wo aber stehen die Schulen heute, und wohin geht die Reise? Antworten gibt ein Round-Table-Gespräch mit fünf Fachpersonen aus der Region Thun.
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Zyklus- und Fachbereichsverantwortliche Seftigen

Pia Aebersold, Thomas Schmid, Brigitte Studer, Verena Hostettler und Doris Furer (v.l.n.r.) diskutierten in Seftigen für EDUCATION über die Etablierung der Zyklus- und Fachbereichsverantwortlichen an den Schulen in der Region Thun.

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Die fachdidaktischen Begleitangebote, die den Lehrpersonen die Umsetzung des neuen Lehrplans erleichtern sollten, sind vielen Lehrpersonen noch in guter Erinnerung. Nun geht es um die Frage, wie sich Kollegien, Schulgemeinden und Schulregionen aufstellen können, um bei der fachbezogenen Unterrichtsentwicklung dranzubleiben. Neben Schulinspektorin Verena Hostettler diskutierten für EDUCATION die Gesamtschulleiterin Doris Furer und die Standortleiterin Brigitte Studer aus Steffisburg sowie der Seftiger Schulleiter Thomas Schmid und seine Stellvertreterin Pia Aebersold.

Am Gespräch in Seftigen werden zwei Dinge rasch klar: Erstens hat die Coronapandemie die Etablierung der Fachbereichs- und Zyklusverantwortlichen an den Schulen ganz gehörig ausgebremst. Angebote der PHBern wurden abgesagt, die geplanten Anlässe der Schulen sistiert. Lehrpersonen und Schulleitungen mussten im Frühling 2020 ruckzuck auf den Fernunterricht umstellen und kämpften und kämpfen seither mit zahlreichen weiteren Herausforderungen der weltweiten Krise. Vielerorts braucht es darum nun einen Neustart für die Etablierung der Fachbereichs- und Zyklusverantwortlichen. Zweitens ist es auch ohne Pandemie nicht einfach, Lehrpersonen zu überzeugen, dass die Übernahme einer pädagogischen Leitungsfunktion im Kollegium nicht nur fürs Team, sondern auch für sie selbst durchaus interessant und lehrreich sein kann.

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education seftigen

Respekt vor Leitungsaufgabe im Kollegium
"Die Lehrpersonen haben einen gesunden Respekt davor, die Verantwortung für einen Zyklus oder einen Fachbereich zu übernehmen", sagt Brigitte Studer. Im Klassenzimmer seien sie versierte Fachkräfte, das Moderieren von Arbeitsgruppen mit bis zu 40 Kolleginnen und Kollegen könne ihren Puls aber durchaus etwas erhöhen. "Trotzdem lohnt sich das Bewältigen neuer Herausforderungen; nur so wachsen wir – als Lehrkräfte und als Schule." Damit der Zug trotzdem Fahrt aufnehmen kann, werden in Steffisburg Zyklus- und Fachbereichsverantwortliche beim Vorbereiten und Durchführen von Anlässen von Schulleitenden unterstützt.

"Vor vier Jahren haben wir in Steffisburg mit der Etablierung der Zyklus- und Fachbereichsverantwortlichen begonnen. Seither diskutieren wir viermal pro Jahr unterrichtsrelevante Themen und entwickeln uns zum strukturierten Kollegium weiter", ergänzt die Steffisburger Gesamtschulleiterin Doris Furer. Eine kürzlich durchgeführte Evaluation habe gezeigt, dass die Arbeit in kleinen Gruppen am gewinnbringendsten beurteilt werde, also zum Beispiel, wenn eine Gruppe im Zyklus 2 über Innovationen im Fachbereich Deutsch diskutiere und ihre Erkenntnisse anschliessend in einem kurzen Referat allen Lehrpersonen der 3. bis 6. Klasse vorstelle.

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education zv und fbv

Zyklusgruppen sind in Seftigen etabliert
Während in Steffisburg mit zehn Schulstandorten und rund 190 Lehrpersonen die schiere Grösse eine Herausforderung darstellt, kennen die Schulen im Thuner Westamt ganz andere Probleme: "An der Schule Seftigen haben wir eine lange Kultur der gegenseitigen Unterrichtsbesuche und haben auch immer wieder aktiv Schulentwicklung betrieben. Die Zyklusgruppen sind eingerichtet, funktionieren gut und werden von einer zyklusverantwortlichen Person geleitet", sagt Schulleiter Thomas Schmid.  Viele Schulen in der Umgebung seien aber so klein, dass sie auf die Zusammenarbeit im Verbund angewiesen seien. Diese habe mit den regional organisierten fachdidaktischen Begleitangeboten im Zuge der Einführung des Lehrplan 21 Fahrt aufgenommen und werde bei der Etablierung der Fachbereichsverantwortlichen unabdingbar sein, sagt Schmid.

Lehrpersonen aus elf Gemeinden mit ähnlichem Fächerprofil werden zwei- bis viermal pro Jahr zu regionalen Arbeitstreffen zusammenkommen, um in Gruppen zu je acht bis zehn Personen fachspezifische, aber auch überfachliche Themen zu diskutieren und Grundlagen für alle zu ent-wickeln. "Da die meisten Lehrpersonen viele Fächer unterrichten, ist es für sie unmöglich, sich mit all ihren Fachbereichen gleichzeitig zu  beschäftigen. Darum wird es eine Konzentration aufs Wesentliche geben, und auch überfachliche Themen werden einen hohen Stellenwert haben", sagt Thomas Schmid. Seine Stellvertreterin Pia Aebersold ergänzt: "Wegen Corona musste die Einführungsveranstaltung auf November 2021 verschoben werden. Wir sind nun aber zuversichtlich, dass die Lehrpersonen bei der Unterrichtsentwicklung tatkräftig mitarbeiten werden, zumal sie selbst entscheiden können, zu welchen Themen sie sich engagieren wollen. Ein System von rotierenden Vorsitzenden jeder Arbeitsgruppe soll dafür sorgen, dass sich alle für den Erfolg der Arbeit verantwortlich fühlen."

Zusammenarbeit ist sehr wertvoll
"Die fachbezogene Unterrichtsentwicklung ist noch kein Selbstläufer." Schulinspektorin Verena Hostettler freut sich sehr über das grosse Engagement an vielen Schulen. Sie ist sich aber bewusst, dass noch einige Aufbau- und Überzeugungsarbeit geleistet werden muss, um dem "Langzeitthema", wie sie sagt, zum Durchbruch zu verhelfen. Bezogen auf die vielen kleinen Schulen westlich von Thun und anderswo sagt sie: "Schön ist, dass die grösseren Schulen Thierachern, Wattenwil und Seftigen nicht nur für sich geschaut haben. Sie waren bereit, gemeinsamen mit acht kleinen Schulen die Umsetzung des Lehrplan 21 anzupacken. Das ist eine neue Qualität und nur möglich, weil auch die Schulleitungen eng zusammenarbeiten. Vernetzung in der Region ist nun auch beim Aufbau der fachbezogenen Unterrichtsentwicklung sehr wichtig, denn das Gefühl, auf sich alleine gestellt zu sei, kann für Lehrpersonen in Randregionen ein echtes Problem sein." Sie ist zuversichtlich, dass die Schulen in den nächsten Jahren mithilfe der Angebote der PHBern, aber auch durch das grosse Engagement vor Ort immer agiler auf neue Entwicklungen und Herausforderungen reagieren können. Dies auch, um im Team dem Risiko von Überforderung und Resignation begegnen zu können.

Brigitte Studer, Standortschulleiterin aus Steffisburg, ergänzt: "Gute gegenseitige Unterstützung von und für Lehrpersonen zahlt sich im täglichen Unterricht aus. Es geht auch darum, der Schnelllebigkeit, den Trends in der Gesellschaft und den damit verbundenen Erwartungen an die Schule gelassener und professioneller begegnen zu können."

Angebote ab Herbst 2021

Die PHBern spricht Lehrpersonen in ihrer Rolle und ihrer Arbeit als Fachbereichs- und Zyklusverantwortliche (FBV/ZV) mit verschiedenen Angeboten an. Diese thematisieren die fachbezogene Unterrichtsentwicklung sowie die Leitung von Gruppen im Kollegium. Start Anfang September mit einem Treffpunkt Schulentwicklung 1. Zyklus in allen vier Inspektionsregionen. Ebenfalls im Herbst 2021 starten zahlreiche fachbereichsbezogene Treffs mit Inputs, News und Austauschmöglichkeiten für Fachbereichs- und Zyklusverantwortliche sowie Leitende von Fachgruppen. Im Februar und Mai 2022 wird zudem der Kurs «Gruppen leiten im schulischen Kontext» durchgeführt.