Nicht perfekt, aber präsent und zugewandt

Julia Stucki hat erst gerade das Lehrdiplom für Maturitätsschulen erworben. Sie erzählt, wie sie im Studium an Profil gewonnen hat und heute klarer und bewusster unterrichtet. Ohne dabei perfekt sein zu müssen.
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Kampagne Kompetenzzuwachs Julia Stucki

Julia Stucki: "Was brauchen die Lernenden, damit sie sich entfalten können? Dabei muss ich nicht perfekt sein – aber präsent und zugewandt."

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Julia Stucki wollte so schnell wie möglich ins Klassenzimmer und nicht ewig Bücher und Theorien wälzen. Deshalb hat sie gleichzeitig zum Master in Geschichte und Anglistik an der Universität in Bern das Studium am Institut für Sekundarstufe II begonnen. Seit Sommer 2024 hat sie das Lehrdiplom in der Tasche.

"Unterrichten ist für mich mehr als Stoffvermittlung – es ist Beziehungsgestaltung", so die 28-Jährige. Sie unterrichtet bis Dezember 2025 Englisch für Berufsmaturandinnen und -maturanden an der gewerblich-industriellen Berufsschule Bern (GIBB). Sie schätzt den Austausch auf Augenhöhe, denn "gerade junge Erwachsene, die die Berufsmatura machen, bringen viel Eigenmotivation mit – und eine klare Vorstellung davon, wofür sie lernen. In meiner Klasse sitzen 18 Männer und eine Frau, alle mit einer eigenen Expertise. Das ist sehr inspirierend und bereichernd." 
 

Unterrichten mit Haltung

Wie wird man eine Lehrperson, die nicht nur Wissen vermittelt, sondern junge Menschen begleitet und stärkt? Indem man das eigene Handeln reflektiert: "An der PHBern habe ich nicht einfach gelernt, was ich unterrichte – sondern wie ich es tun will. Und warum." So habe das Studium ihr geholfen, ihre Rolle als Lehrerin bewusst zu gestalten, ohne einfach ein Konzept zu übernehmen. Mit jedem Praktikum und jeder Begegnung schärfte sich ihr Berufsverständnis: "Ich will auf Augenhöhe unterrichten – mit Klarheit, aber ohne autoritäre Haltung. Es geht um die Frage: Was brauchen die Lernenden, damit sie sich entfalten können? Dabei muss ich nicht perfekt sein – aber präsent und zugewandt."

Kompetenzen, die tragen

Die Arbeit an einer heilpädagogischen Schule nach der Matura war der Auslöser für ihren Berufswunsch, Lehrerin zu werden und zu unterrichten. Damals merkte die Ostschweizerin, wie sehr sie die Arbeit mit jungen Menschen erfüllt. Dass sie sich mittlerweile kompetent und wohlfühlt vor einer Klasse, sei dem Studium zu verdanken. "Ich habe jetzt einen dicken Katalog gefüllt mit didaktischem, kommunikativem und methodischem Werkzeug. Damit kann ich auch in anspruchsvollen Situationen in der Klasse souverän reagieren." Besonders die Modelle zur Kommunikation und zum Beziehungsaufbau – etwa das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun, die gewaltfreie Kommunikation nach Rosenberg oder die Transaktionsanalyse – haben Julia Stucki beeindruckt. "Die Methoden haben mein Bewusstsein für Feedback und Kritik geschärft. Ich habe gelernt, Feedback so zu geben, dass es Wirkung entfaltet – und Rückmeldungen richtig einzuordnen, ohne sie persönlich zu nehmen. Das hilft mir enorm im Schulalltag."

Ich habe jetzt einen dicken Katalog gefüllt mit didaktischem, kommunikativem und methodischem Werkzeug. Damit kann ich auch in anspruchsvollen Situationen in der Klasse souverän reagieren.
Julia Stucki  -  Absolventin Institut für Sekundarstufe II

Schritt für Schritt professioneller

Die Begleitung durch die Dozierenden sei wertvoll, vor allem wenn diese selbst noch im Klassenzimmer stünden, meint Julia Stucki. "Besonders in der Fachdidaktik fand ich mit allen einen Austausch auf Augenhöhe. Da hat die Kombination von Theorie und Unterrichtsbeispielen geholfen, mich Schritt für Schritt zu professionalisieren." Ausserdem habe sie bei den Praktika erlebt, was es heisst, eine Klasse zu führen. Den Unterricht so zu strukturieren, dass er Orientierung bietet, aber zugleich Offenheit ermöglicht. 

Engagement, das wirkt

Mehr als zwei Jahre engagierte Julia sich auch in der VdS, der Vereinigung der Studierenden. "Ich wollte mitgestalten – und habe gemerkt: Man kann viel bewegen. Gerade für die Anliegen der Studierenden stehen viele Türen offen, wenn man den Dialog sucht." Ihr Appell: "Nicht die Faust im Sack machen, sondern aktiv werden. Die Studienleitung hört zu – das sollte man nutzen."

Warum die PHBern?

An der Universität sammelt man Fachwissen. An der Pädagogischen Hochschule habe sie gelernt, dieses Fachwissen zu transferieren und herunterzubrechen. Für Julia Stucki war es nicht nur die Qualität der Ausbildung, sondern auch das Umfeld, das den Ausschlag gab. "Das Gebäude ist offen, hell, freundlich – ein Ort, an dem man sich begegnen, zurückziehen, Sport machen oder einfach konzentriert arbeiten kann. Dass PH und Uni so nah beieinander liegen, ist ein grosser Vorteil. Und Bern als Stadt hat mich überzeugt: progressiv, vielfältig, engagiert."