Studieren und unterrichten – eine fruchtbare Wechselwirkung

Vier Studierende erzählen, wie sie mit Unterrichten und Studieren jonglieren. Und davon, wie sie alles unter einen Hut bringen. Manchmal ist es eine fruchtbare Wechselwirkung, manchmal belastend, und manchmal geht es einfach um den Lebensunterhalt.
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50 Prozent unterrichten, 100 Prozent motiviert

Lea Aeschbach, warum gerade Primarlehrerin?  
Der Beruf hat mich immer interessiert. Trotzdem habe ich zuerst eine kaufmännische Lehre absolviert. Wohl aus Angst vor schwierigen Eltern … (lacht). Aber ständig am Computer sitzen – das war nicht das Richtige für mich. Die Schule ist lebendiger, abwechslungsreicher. Ich werde von den Kindern permanent gefordert.

Sie studieren, gleichzeitig unterrichten Sie in einem 50-Prozent-Pensum. Was haben Sie davon – ausser Stress?
Ich muss mein Leben finanzieren. Dass ich mit meinem künftigen Beruf bereits Geld verdiene, finde ich prima. Zudem profitiere ich von der Verzahnung von Theorie und Praxis. Was ich im Studium lerne, kann ich in der Praxis anwenden; was mich in der Praxis beschäftigt, kann ich an der PH reflektieren.

Wie profitieren die Schülerinnen und Schüler von Ihnen?
Ich bin zu 100 Prozent motiviert. Und ich bin unverbraucht. Das heisst: Ich probiere gerne Dinge aus. Das bringt Abwechslung in den Unterricht. Zudem studiere ich auf dem zweiten Bildungsweg. Ich kenne die Arbeitswelt und unterschiedliche Bildungswege: Berufslehre, Berufsmaturität, Hochschule. So kann ich die Schülerinnen und Schüler gut auf ihren künftigen Bildungsweg vorbereiten.

Klassenzimmer oder Hörsaal: Wofür stehen Sie morgens lieber auf?
Fürs Klassenzimmer. Ich bin nicht der Typ, der gerne still sitzt und zuhört. Deswegen habe ich Verständnis, wenn das den Schülerinnen und Schülern zuweilen auch so ergeht …

Lehrpersonenzimmer oder PH-Mensa: Wo wird mehr gelacht?
Gelacht wird an beiden Orten. Im Lehrpersonenzimmer aber etwas mehr.

Welches Kompliment von Ihren Kolleginnen und Kollegen an der Schule hat Sie bisher am meisten gefreut?
Man sagt von mir, ich trage stets ein Lächeln im Gesicht und verbreite gute Laune.

Welche Pläne haben Sie für die Zeit nach dem Studium?
Ich möchte Erfahrung als Klassenlehrperson sammeln. Über Weiterbildungen mache ich mir noch keine Gedanken.

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Steckbrief Lea Aeschbach

Beruf: Lehrerin Primarstufe

Unterrichtsstufe: Zyklus 2

Alter: 26

Arbeitsort: Schulzentrum Elzmatte/Steckholz, Langenthal

Vom Schreibtisch ans Lehrerpult

Livio Cadosch, Sie sind mit einer kaufmännischen Grundbildung ins Berufsleben gestartet. Weshalb haben Sie den Schreibtisch mit dem Lehrerpult getauscht?
Das KV ist eine solide Ausbildung. Aber mir fehlte die soziale Interaktion. Deshalb habe ich nach der Lehre in den Verkauf gewechselt. Dort war es diesbezüglich besser – aber noch lange nicht so gut wie jetzt im Klassenzimmer … (lacht).

Wo haben Sie Ihre Leidenschaft fürs Unterrichten entdeckt?
Im Zivildienst – als Klassenassistent in der Stiftung Rossfeld. Da wurde mir klar: Es liegt mir, Jugendlichen etwas beizubringen und sie ins Erwachsenenalter zu begleiten.

Und warum Sekundarstufe I?
Ich finde die Adoleszenz eine spannende Lebensphase. Als Lehrperson sehe ich, wie sich Persönlichkeiten entwickeln, mit denen man in spannende Dialoge treten kann.

Sie unterrichten parallel zum Masterstudium mit einem 60-Prozent-Pensum. Wie haben Sie die Doppelbelastung gemeistert?
Auf Kosten des Privatlebens. Ich wollte weder im Studium noch in der Schule Abstriche machen. Letzteres wäre gegenüber den Schülerinnen und Schülern unfair gewesen. Jetzt wird es entspannter, es steht "nur" noch die Masterarbeit an. Die Präsenz an der PH fällt weg. Entsprechend kann ich mein Unterrichtspensum erhöhen.

Welche Erfahrungen aus Ihrem Erstberuf kommen Ihnen als Lehrer zugute?
Ich kenne die Arbeitswelt. Und ich kenne sowohl die berufliche als auch die akademische Bildung. So kann ich die Schülerinnen und Schüler bei der Berufswahl gezielt begleiten. Mehr noch: Ich kann auch den Eltern den Wert der Berufsbildung glaubwürdig vermitteln.

Sie machen Ausdauersport. Ist Ausdauer für Lehrpersonen wichtig?
Absolut – insbesondere, wenn man gleichzeitig studiert und unterrichtet. Da muss man "beissen" können.

Gibt es etwas, das Sie in Ihrem Entschluss, Lehrer zu werden, bestätigt?
Auch wenn es kitschig klingt: Ich freue mich jeden Morgen auf meine Klasse.

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Steckbrief Livio Cadosch

Beruf: Lehrer Sekundarstufe I

Unterrichtsstufe: Zyklus 3

Alter: 25

Arbeitsort: Schulhaus Morillon, Wabern

Wissen verständlich weitergeben

Fabienne Mollet, Sie haben einen Master in Biochemie. Nun werden Sie Gymnasiallehrerin. Keine Lust auf Forschung oder Industrie?
Doch. Allerdings ist es nicht einfach, einen spannenden Job an der Schnittstelle zwischen Biologie und Chemie zu finden. Ich habe es versucht. Aber unterrichten hat mich auch immer interessiert. Ich habe viele Jahre Nachhilfe gegeben und während des Studiums eine Stellvertretung in einer Passerellenklasse geben dürfen. Das hat mir sehr gefallen.

Warum haben Sie sich für die Sekundarstufe II entschieden?
Mit einem Masterabschluss liegt das nahe. Am Gymnasium kann ich meine fachliche Kompetenz einbringen und auf einem Level unterrichten, der mich fordert.

Sie absolvieren das Teilzeitstudium und unterrichten bereits an einem Gymnasium. Studieren Sie neben dem Unterrichten – oder unterrichten Sie neben dem Studium?
Der Unterricht steht klar im Vordergrund. Nach fünf Jahren Biochemie-Studium freue ich mich, mein Wissen anzuwenden.

Inwiefern profitieren Sie fürs Studium vom Unterricht – und umgekehrt?
Das ist eine fruchtbare Wechselwirkung. Was wir im Studium behandeln, kann ich meist unmittelbar im Unterricht umsetzen. Umgekehrt kann ich meine Erfahrungen aus dem Unterricht im Studium einbringen. Allerdings ist es nicht immer einfach, Studium und Arbeit unter einen Hut zu bringen. Da würde ich mir zuweilen schlankere Prozesse wünschen – wie ich sie aus den Naturwissenschaften gewohnt bin … (lacht).

Apropos Naturwissenschaften: Wann stimmt für Sie die Chemie im Unterricht?
Wenn die Beziehungsebene zwischen Schülerinnen und Schülern und Lehrperson stimmt. Das bedeutet: gegenseitiger Respekt, Austausch auf Augenhöhe, lockerer Umgang.

Welche DNA sollte man für den Lehrberuf mitbringen?
Entscheidend ist die Motivation, Wissen verständlich weiterzugeben. Zudem braucht es Offenheit gegenüber der jungen Generation.

Wo sehen Sie sich in zehn Jahren?
Dort, wo ich gerade bin – aber mit abgeschlossenem PH-Studium und einer Vollzeitstelle.

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Steckbrief Fabienne Mollet

Beruf: Gymnasiallehrerin für Chemie

Unterrichtsstufe: Sekundarstufe II

Alter: 24

Arbeitsort: Kantonsschule Alpenquai, Luzern

"So lernt man nachhaltiger"

Nino Marti, Ende 2024 haben Sie das Bachelorstudium als Lehrer Sekundarstufe I abgeschlossen. Wo stehen Sie heute?
Ich habe kürzlich eine 3. Klasse an der Christophorus Schule Bern übernommen. Im September beginne ich parallel dazu das Masterstudium in Schulischer Heilpädagogik.

Warum Heilpädagogik? Was fasziniert Sie daran?
Die Arbeitsweise. Ich kann viel individueller auf jedes einzelne Kind eingehen als in der Regelschule. Mich faszinieren aber auch die Kinder selbst – sie sind überaus herzlich. Und: Man erlebt oft unglaubliche, schöne und humorvolle Momente mit ihnen.

Gab es ein Schlüsselerlebnis, das Sie für die Heilpädagogik motiviert hat?
Ja. Während der Fachmittelschule habe ich ein Praktikum in einer heilpädagogischen Institution absolviert. Das hat mich vom ersten Moment an begeistert. Später habe ich einen guten Teil meines Zivildiensts in der Christophorus Schule geleistet.

Was unterscheidet den Unterricht an einer besonderen Volksschule vom Unterricht an einer Regelschule?
In erster Linie das Leistungsniveau. Wir arbeiten mit den Schülerinnen und Schüler oft an basalen Kompetenzen – beispielsweise an der Kommunikation. Jedes Kind hat einen individuellen Förderplan. Und: Der Tagesablauf ist weniger strukturiert, die Unterrichtsgestaltung entsprechend flexibler. Das schätze ich.

Eine Klasse übernehmen und gleichzeitig studieren: warum zwei Fliegen auf einen Streich? 
Das Masterstudium ist Voraussetzung, um als vollwertige Lehrperson arbeiten zu können. Zudem muss ich meinen Lebensunterhalt bestreiten. Nun: Ich finde es bereichernd, Theorie und Praxis zu verbinden – so lernt man nachhaltiger. Sagt man jedenfalls … (lacht).

Sie sind Captain eines Fussballteams. Welche Kompetenz nehmen Sie aus dieser Funktion mit in den Lehrberuf?
Im Fussball bin ich der Primus inter pares (lat.: der Erste unter Gleichen), in der Klasse die klare Führungsperson. Was mir dabei hilft: Als Captain habe ich gelernt, Menschen für ein gemeinsames Ziel zu motivieren.

Wie geht es nach dem Masterstudium weiter?
Ich möchte an der Christophorus Schule ein grösseres Pensum übernehmen. Später könnte ich mir einen Einsatz im Ausland vorstellen.

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Steckbrief Nino Marti

Beruf: Lehrer Sekundarstufe I, Masterstudent Heilpädagogik

Unterrichtsstufe: Zyklus 2

Alter: 25

Arbeitsort: Christophorus Schule Bern