Berufsfindung ist zu einem hohen Anteil Persönlichkeitsentwicklung und soll Jugendliche auf weitere Übergänge im Leben vorbereiten. Mit folgender Unterrichtsidee kann die lebenslange Laufbahnplanung initiiert werden: Die Lernenden erhalten unterschiedliche Laufbahnporträts von Berufsleuten und besprechen diese in Gruppen. Sie bekommen den Auftrag, eine Berufsperson, die ihnen gefällt, zu interviewen und ebenfalls ein Berufsporträt zu erstellen. Dann wird eine Klassenzusammenkunft 20 Jahre nach dem Schulabgang inszeniert, und alle verkleiden sich. Die Schülerinnen und Schüler erzählen am Klassenfest aus ihrem Leben. Im Anschluss werden Vor- und Nachteile, Herausforderungen und Fragen zu Weiterbildungen besprochen.
Der Berufswahlunterricht stellt Lehrpersonen vor vielschichtige Herausforderungen. Die Lehrperson muss die Lernenden individuell abholen und im Findungsprozess persönlich begleiten können, denn die Diversität ist gross. Die Forschung zeigt, dass die Berufswahl nach sozialer und ethnischer Herkunft, nach Geschlecht und nach Region unterschiedlich verläuft. Die Ambitionen der Schülerinnen und Schüler sind von ihrer Familie geprägt. Ebenso gibt es wesentliche Unterschiede bei der Motivation.
Genau hier setzt der neu konzipierte Weiterbildungslehrgang an: Lehrpersonen der Sekundarstufe I und der Brückenangebote lernen, wie sie Jugendliche im Berufsfindungsprozess professionell begleiten können. Der Berufswahlunterricht soll sich an den Ressourcen der Jugendlichen orientieren, das mobilisiert Kräfte. In einem weiteren Schritt sollen die Lernenden erkennen, wie sie ihre Stärken in Ausbildung und Beruf zielführend einsetzen können.
Um ihre Schülerinnen und Schüler bei dieser Entdeckungsreise zu unterstützen, müssen Lehrpersonen über ein vielfältiges und anregendes Methodenrepertoire verfügen, das die unterschiedlichen Voraussetzungen ihrer Lernenden berücksichtigt. Zudem müssen sie Ideen entwickeln, wie sie in ihrem Unterricht die Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts fördern können, sodass die Jugendlichen agil und resilient in die Zukunft schreiten. Ungefähr zehn Prozent aller Schweizer Jugendlichen bleiben heute auf der Sekundarstufe II ausbildungslos. Diese Quote soll sich verringern. Gerade Jugendliche mit Mehrfachproblematiken müssen mit Rückschlägen im Berufswahlprozess und den damit verbundenen unangenehmen Gefühlen umzugehen lernen.
In der Weiterbildung sollen die Lehrpersonen Methoden lernen, wie sie konstruktiv die strauchelnden Lernenden unterstützen können. Manchmal hilft, wenn diese erkennen, dass es anderen Peers ähnlich ergeht. Manchmal können sich Ermutigungen der Lehrperson auszahlen, indem sie einen Perspektivenwechsel vorschlägt: „Jetzt steckst du gerade in einer sehr unangenehmen Situation. Angenommen, genau diese Situation könnte für dich aus langer Sicht nützlich sein, hast du eine Idee, was das sein könnte?“ Oder sie fragt, ob sie eine paradoxe Frage stellen darf: „Was könntest du machen, damit die Situation noch schlimmer wird?“ Und manchmal müssen die Jugendlichen mutig Nein sagen dürfen. Denn es geht um ihre Zukunft.
Was Lehrpersonen brauchen
Die Berufswahl ist ein entscheidender Schritt im Leben junger Menschen, und Lehrpersonen spielen nebst den Eltern und dem sozialen Umfeld dabei eine zentrale Rolle. „Man kann als Lehrperson viel beeinflussen. Ich bin Coach, Tagesbegleiter, Motivator, Ermöglicher und Lehrperson in einem“, beschreibt Brückenangebot-Lehrer Reto Wynistorf seine Rolle. Was er vom neuen Lehrgang erwartet? „Ich will meinen Werkzeugkoffer erweitern und das, was ich bereits intuitiv gut mache, theoretisch untermauern und weiterentwickeln. Dazu gehören zeitgemässe Bewerbungsunterlagen, KI-Anwendungen und multimediale Trends. Denn die Anforderungen werden ständig grösser und ändern sich laufend.“
Reto Wynistorf und Francesca Maesano sind Brückenangebot-Lehrpersonen bei einem kantonalen Pilotprojekt an der BFF in Köniz und arbeiten im Teamteaching. „Ich brauche neues Wissen, damit ich noch bewusster und fundierter arbeiten kann. Gerade wenn es um neuropsychologische Besonderheiten wie ADHS oder Autismus geht“, präzisiert Francesca Maesano, gelernte Sozialpädagogin. In der Klasse von Francesca und Reto haben die meisten Jugendlichen einige Misserfolge, erschwerte Bedingungen in der Schulkarriere oder Krisen erlebt, und die Berufswahl ist deshalb holprig, erklären beide. Der besondere Förderbedarf stellt die Lehrpersonen vor so manche Herausforderung. Mehr, auch wissenschaftlich fundiertes Hintergrundwissen, das ihre praktische Arbeit untermauert, begrüssen sie sehr. Ihre Aussagen wie auch die im Austausch mit verschiedenen Lehrpersonen auf Sekundarstufe I gewonnenen Erkenntnisse fliessen massgeblich in die inhaltliche Entwicklung des neuen Lehrgangs ein.
Und was sie kriegen
Der CAS ist beides, praxisorientiert und wissenschaftlich. Lehrpersonen lernen aktuelle Lehrmittel kennen, bauen ihre Coachingkompetenz aus, bekommen didaktische Impulse zum Einsatz von (digitalen) Berufswahltools und vernetzen sich mit Fachstellen. Daneben setzen sie sich mit sich wandelnden Anforderungen der Berufswelt auseinander.
Aufbau des konsekutiven Studiengangs
Der Lehrgang CAS Berufliche Orientierung begleiten (CAS BOB) und das EDK-Zusatz-Zertifikat „Fachlehrerin/Fachlehrer Berufswahlunterricht“ sind sowohl für Lehrpersonen auf Sekundarstufe I als auch im Brückenangebot konzipiert.
Der CAS BOB besteht aus dem obligatorischen Einstiegsmodul „Berufswahlprozess organisieren“, drei Wahlmodulen und der unterrichtsfokussierten Abschlussarbeit (Abschlussmodul). Der CAS BOB kann mit einem Zusatzzertifikat nach EDK-Profil ergänzt werden.
Mittels „Blended Learning“ sollen Beruf und Weiterbildung bestmöglich vereinbar sein. Präsenzveranstaltungen sind an Samstagen in Bern geplant. Der Lehrgang startet am 21. Oktober 2024. Die Anmeldung dazu ist ab Ende August möglich.