IdeenSet Archäologische Lernorte

Relevanz und Übersicht

Für Schulklassen wurden im Kanton Bern archäologische Standorte mit exemplarischem Charakter didaktisch erschlossen: Zu jedem Ort gibt es Unterrichtsmaterialien, welche die Fundorte mehrperspektivisch beleuchten und die Lehrkräfte bei einer Exkursion unterstützen. Die Unterrichtsmaterialien werden ausschliesslich online auf einer Website zur Verfügung gestellt und können kostenlos mit Computer und Smartphone genutzt und heruntergeladen werden. Aktuell stehen fünf Standorte zur Auswahl. Weitere Standorte sind in Planung.

Vorstellungen und Vorkenntnisse

Allgemein

Die Vorstellungen der Lernenden über das Leben in früheren Zeiten reduzieren sich oft auf eine bestimmte Menschengruppe (z.B. Reiche und Kämpfer) und lassen die restliche Gesellschaft und die Abhängigkeiten untereinander aussen vor. Zudem nehmen Lernenden Epochen oft losgelöst voneinander wahr und können sie kaum zeitlich oder örtlich einordnen. Daher ist es nicht erstaunlich, dass es ihnen oft schwer fällt, die zeitlichen und örtlichen Zusammenhänge in das historische Geschehen mit einzubeziehen. Oft betrachten die Lernenden die Vergangenheit zudem zu stark geprägt aus heutiger Sicht und erkennen deshalb nicht, mit welchen Problemen und Fragestellungen die Menschen in früheren Zeiten konfrontiert waren. Selten stellen sich die Lernenden die Frage, ob ihre Vorstellungen von früheren Zeiten überhaupt realistisch sind und auf welchen Informationen sie aufgebaut sind (vgl. Kalcsics et al. 2019: 73f).

gallo-römische Zeit

Lernende haben bezüglich der Kelten und Germanen weitestgehend wenig bis kein Vorwissen. Zum Vorverständnis der Römischen Epoche bedarf es eine „Ausleuchtung“ der keltischen Kultur: Diese Völkerstämme lebten über Jahrhunderte in ihren eigenständigen, hochentwickelten Gesellschaften, besassen weitumspannende Handelsbeziehungen und hatten Riten, Gebräuche und insbesondere Sprachen, welche auch  nach der Romanisierung lange nachwirkten und in einigen Teilen Europas immer noch gesprochen werden, so etwa in der Bretagne (F), in England und Irland. Das Keltenvolk der Helvetier bildete Anlass, unser Land bei der Staatsgründung der Schweiz 1848 als Confoederatio Helvetica (CH) zu taufen!

Die Germanen sind den Lernenden ebenfalls kaum ein Begriff. Hier gilt es, diese am Rande des Römischen Reiches lebende Völkergemeinschaft dahin auch vorzustellen, weil sie für die Römer praktisch unbezwingbar waren und eine permanente Bedrohung an der nördlichen Aussengrenze des Reiches bedeuteten und letztlich auch beim Zusammenbruch des Römischen Imperiums eine zentrale Rolle einnahmen. Dass die Germanen namensgebend für „Germania“ - dem heutigen Deutschland - sind, darf den Lernenden dabei auch bewusst werden.

Die gelegentlich bereits stark verankerten Vorstellungen resp. Präkonzepte der Lernenden zum Thema "Römer" entstammen aus Kinderbüchern (Comics) und Filmen wie Asterix und Obelix und möglicherweise auch von Besuchen römischer Ruinen und Museen. Dieses bereits vorhandene „Wissen“ gilt es aufzugreifen, zu präzisieren und stufengerecht auszubauen. 

Mittelalter

Kloster im Mittelalter: Lernenden haben bezüglich dieses Themas weitestgehend keine Ahnung. Die Religiosität spielt im heutigen, durchschnittlichen Lebensalltag kaum mehr eine grosse Relevanz. Dementsprechend gilt es, Basics der Christlichen Religion parallel zur Darstellung des Klosterlebens zu vermitteln. Die enorm spiritualisierte Lebenswelt des Mittelalters kann mit denjenigen heutiger, noch stark religiös geprägter Gesellschaften - wie etwa derjenigen in islamischen Ländern, aber auch in Buddhistischen und Hinduistischen Kulturen - verglichen werden. Vor allem in letzteren kann der klösterliche Lebensalltag, für uns zwar etwas exotisch, als gut brauchbare Illustration beigezogen werden, um sie mit der monastisch-christlichen Kultur zu vergleichen.

Ritter und Burgen im Mittelalter: Die gelegentlich bereits tief verankerten Vorstellungen resp. Präkonzepte der Lernenden zum Thema „Ritter / Burgen“ entstammen aus Spielen (Spielfiguren), Filmen und aus Sachbüchern, welche inflationären Charakter haben. Dieses „Wissen“ über das Leben von Rittern gilt es dahin zu korrigieren, weil meist ein hochherrschaftliches „Ritter-Leben“ und dementsprechend auch spektakuläre Lebensräume der Burgen und Schlösser dargestellt werden. Ebenfalls werden die Kernaufgaben der Ritter stark auf das Kriegs- und Turnierhandwerk fokussiert. Hier gilt es aufzuzeigen, dass die allermeisten Ritter und ihre Familien ein unspektakuläres, im Vergleich zur übrigen Bevölkerung dennoch etwas privilegierteres Leben, verbringen konnten. Es gilt auch darzustellen, dass die allermeisten Burgen in der Schweiz Kleinburgen lokaler Adelsfamilien waren und sie auch wesentlich mehr repräsentativen als prioritär militärischen Charakter gehabt haben.

Bauerndorf und Bauernhaus im Mittelalter: Eine beachtliche Zahl bäuerlicher Bauten, Weiler und Dörfer haben in ländlichen Gebieten teilweise eine vergleichbare, äusserliche Charakteristik bewahrt, wie sie hier im fiktiven Dorf aus dem Spätmittelalter dargestellt wird. Somit gelingt es den meisten SuS wohl recht schnell, hier Parallelen zu finden und „anzudocken“. Dennoch fussen die Präkonzepte des SuS auf ländliche Alltagssituationen der Gegenwart, die mit der Lebenswelt des MA nicht mehr zu vergleichen sind.

Stadt & Handwerk im Mittelalter: Die meisten Städte haben einen sehr grossen Wandel vollzogen, so dass ihr Erscheinungsbild weit entfernt von dem der dargestellten Stadt ist. Einige Parallelen könnten Lernenden jedoch bei Besuchen von gut erhaltenen Alt-Städtchen gemacht haben. Die Befestigungsanlagen könnten den Lernenden etwas bekannter vorkommen, da diese doch recht verwandt mit denjenigen der Burgen sind.

Lerngegenstand und thematische Schwerpunkte

Vor- und Nachbereitung

Eine Zusammenstellung von ausgewählten Unterrichtsmaterialien ermöglicht Lehrpersonen mit ihren Lernenden es das Thema im Schulzimmer vor- und nachzubereiten.

Archäologische Stätte

Die eigentlichen Exkursionsmaterialien sind hier zu finden.

Hintergrundinformation

Eine kleine aber feine Sammlung mit weiterführender Literatur zum Thema Archäologie ist hier zu finden.

Verlauf und Lehrplanbezug

Verlauf

    Das didaktische Vorgehen basiert auf dem Prozessmodell von Mathis, Favre und Keller (Zürich 2018), welches einen kompetenzorientierten Ansatz verfolgt und sich zur Vermittlung an archäologischen Stätten eignet. Das Modell wurde mit spezifischen Aufträgen und Handlungsempfehlungen an die jeweiligen Fundstellen angepasst und mit praxistauglichen Materialien und Hinweisen erweitert. Die Exkursionsvorschläge sind jeweils zeitlich auf zwei Stunden beschränkt, die Aufträge werden für die Bearbeitung in kleinen Gruppen (à 3–4) konzipiert. Die Unterrichtsvorschläge gehen davon aus, dass Lernenden grob wissen, was sich an der archäologischen Stätte befunden hat (z.B. Tempel, Grabhügel).

    Didaktische Phase * Aufgaben
    Die Welt wahrnehmen

    archäologische Spuren forschend wahrnehmen:
    erfahren, betrachten, beobachten, beschreiben

    Sich die Welt erschliessen

    archäologische Spuren handelnd erschliessen:
    dokumentieren: zeichnen, nachzeichnen, ausmessen, fotografieren

    untersuchen: Fragen stellen, vermuten, rekonstruieren,
    ergänzende Materialien suchen

    Sich in der Welt orientieren und Sachurteile fällen

    archäologische Spuren deuten:
    naturräumliche, soziale und kulturelle Zusammenhänge klären, Ergebnisse in den Zusammenhang von Zeit und Raum einordnen, sich Handeln von Menschen der Vergangenheit im Raum vorstellen, Geschichte erzählen respektive rekonstruieren

    Werturteile fällen und in der Welt handeln

    archäologische Spuren bewerten:
    Erkenntnisse mit heutigen Problemen verbinden und vergleichen, Situationen und Probleme beurteilen, Erkenntnisse zu archäologischen Spuren (re-)präsentieren

    * Die didaktischen Phasen basieren auf dem Modell forschend-entdeckendes Lernen nach Mathis, Favre & Keller, 2018.

    Ausrüstung

    Folgende Ausrüstung ist mitzubringen:

    • vorbereitete Materialien und Hilfsmittel, laminierte Bilder
    • Schreibzeug, Handy oder Fotoapparat
    • Gutes Schuhwerk und Rucksack
    • Sonnenschutz und/oder Regenschutz
    • Getränk und Snack
    • Erste-Hilfe-Set

    Lehrplanbezug

    Die Aufträge entsprechen den Vorgaben des Lehrplans 21 und bieten die Möglichkeit, mit Lernenden des 2. Zyklus (3.- 6. Klassen) an folgenden Kompetenzen zu arbeiten:

    Lernenden können …

    • Veränderungen in Räumen erkennen, über Folgen von Veränderungen und die künftige Gestaltung und Entwicklung nachdenken (NMG.8.3)
    • sich in ihrer näheren und weiteren Umgebung orientieren, sich sicher bewegen und dabei Orientierungsmittel nutzen und anwenden (NMG.8.5)
    • Zeitbegriffe aufbauen und korrekt verwenden, Zeit als Konzept verstehen und den Zeitstrahl nutzen (NMG.9.1)
    • Dauer und Wandel bei sich, in der eigenen Lebenswelt und Umgebung erschliessen (NMG.9.2)
    • verstehen, wie Geschichte aus Vergangenheit rekonstruiert wird und dass mit Geschichte Gegenwart entsteht. (NMG.9.3)

    Grundsätze zu Exkursionen

    • Im Zentrum steht die persönliche Begegnung mit dem originalen Objekt.
    • Aus etwas scheinbar Unbedeutendem entwickelt sich etwas Spannendes.
    • Exkursionen knüpfen an den persönlichen Erfahrungs- und Wissensschatz an.
    • Das gemeinsame sowie das individuelle Tun vertiefen das Erlebte.
    • Sinnliches Erleben kann neugierig machen, sich in Fachwissen zu vertiefen.
    • Exkursionen ermuntern, weitere Zugänge zum betreffenden Thema für sich selber zu suchen und zu erschliessen.

    Quellen

    • Titelbild: Lernende bei der Grasburg, CC-BY-SA Martin Furer
    • Kalcsics, K., Gafner Knopf, A.-M., Arnold, J., Conrad, S.-J., Hoesli, M., Wyssen H.-P., Heraus-geberin und Herausgeber: Kalcsics, K., Wilhelm, M., (2019). Lernwelten – Weiterbildung – Grundlagen und Planungsbeispiele, 1. Auflage 2019. Schulverlag Plus AG
    • Becher, A., Gläser, E., Pleitner, B., (2016). Die historische Perspektive konkret, Begleitband 2 zum Perspektivenrahmen Sachunterricht, Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn
    • Adamina, M., Wyssen, H.-P., (2005). Panorama, Raum und Zeit, Hinweise für Lehrerinnen und Lehrer, 1. Auflage 2005, Schulverlag, Bern.
    • Grundschule Sachunterricht, Leben vor 100 Jahren Nr.67/2015, Verlag Friedrich
    • Grundschule Sachunterricht, Leben in der Steinzeit, Nr.76/2017, Verlag Friedrich