Eine Förderplanung ist stets Teil eines Kreislaufs. Dazu gehören die begründete Entscheidung, zu welchem Förderbereich Beobachtungen und Erfassungen durchzuführen sind, wie und was nachvollziehbar dokumentiert und theoriegeleitet interpretiert wird und welche Förderziele formuliert werden sollen.
1. Förderbedarf wahrnehmen / Entwicklungsbereich definieren
Zuerst ist die Entscheidung zu treffen, in welchem Entwicklungsbereich ein Förderbedarf vermutet wird. Unterrichtsbeobachtungen, Analyse von Lernprodukten aus dem Unterricht, Gespräche, Lernbestandserfassungen und Lernzielkontrollen können Hinweise zum aktuellen Lern- und Entwicklungsstand geben. Falls bereits eindeutige Informationen zum Förderbedarf vorliegen (z.B. Screening-, Testergebnisse, Diagnose durch Fachstelle) müssen diese für das weitere Vorgehen einbezogen werden.
Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtungsweise sind an diesem Schritt verschiedene Personen beteiligt: Erziehungsberechtigte, Lernende oder Lernender, Lehrperson, MR-Lehrperson und andere involvierte Fachpersonen. Fokussiert wird auf für das schulische Lernen relevante Entwicklungsbereiche der ICF-CY. Die daraus abgeleiteten beobachtbaren Indikatoren entsprechen den Bereichen des Schulischen Standortgesprächs (SSG) aus dem Kanton Zürich.
Hinweis zum Schulischen Standortgespräch
Im Kanton Bern ist das Schulischen Standortgesprächs (SSG) nicht obligatorisch. Die SSG-Vorlagen können jedoch zur Priorisierung des Entwicklungsbereichs und zur Klärung des Handlungsbedarfs und weiteren Vorgehens im Rahmen des obligatorischen Standortgesprächs an jeder Schule verwendet werden. Im Rahmen eines Standortgesprächs definieren die Beteiligten gemeinsam ein oder zwei Entwicklungsbereiche, die den Schwerpunkt der Diagnostik und Förderung für die nächste Phase bilden. Hier ein hilfreiches Protokoll zur Vorbereitung und Durchführung von SSG.
2. Theoriebezug offen legen / Erfassungsmethode anwenden
Um den Entwicklungsstand einschätzen zu können, ist theoretisches Hintergrundwissen notwendig. Bei diesem Schritt wird bestimmt, welche Informationen mit welchen diagnostischen Methoden erhoben werden müssen, um den vermuteten Förderbedarf einordnen zu können. Ziel ist es, aufgrund einer Erfassung sichtbar zu machen, wo die Lernenden im definierten Entwicklungsbereich stehen und in welche Richtung die Entwicklung führt.
Zunächst müssen während des Unterrichts Beobachtungen zum Entwicklungsbereich erfolgen und festgehalten werden. Beteiligte Fachpersonen tauschen sich über Beobachtungen aus. Als weitere methodische Vorgehensweisen im Schulalltag bieten sich Fehleranalysen, Beobachtungsbogen und Lernstandserfassungen an. Für einige Bereiche existieren fachlich gut begründete förderdiagnostische Konzeptionen mit Screenings oder Tests. Für andere Bereiche müssen, ausgehend vom theoretischen Modell, eigene Aufgaben und Fragen zusammengestellt werden.
Theoriebezüge
Die theoretischen Grundlagen wurden aus den Entwicklungsbereichen der ICF-CY bzw. den Lebensbereichen des Schulischen Standortgesprächs (SSG) abgeleitet. Den Entwicklungsbereichen können jeweils verschiedene, sich überschneidende theoretische Bezüge zugeordnet werden.
Die folgende Auswahl an theoretischen Grundlagen erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, die Volltexte, Links und Literaturhinweise ermöglichen jedoch einen Einstieg in die Thematik. Weitere empfohlene theoretische Grundlagen finden sich in den Kommentaren zu anerkannten Lehrmitteln und in den Manualen zu diagnostischen Testverfahren.
- Lernen bei kognitiver Beeinträchtigung
- Neurodiversität: Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) / Autismus-Spektrum-Störung (ASS)
- Exekutive Funktionen / Selbstgesteuertes Lernen
- Sozial- emotionale Entwicklung / Spielentwicklung
- Motivation / Lern- und Arbeitsverhalten
- Motorik / Graphomotorik / Wahrnehmung
- Mathematik
- Schriftsprache (Lesen und Schreiben)
- Mündliche Sprache
- Fremdsprachen
- Kommunikation / Unterstützte Kommunikation
Die Verlinkungen zu den Theoriebezügen folgen in Kürze.
3. Förderziele und Fördermassnahmen formulieren
Aufgrund der systematischen Erfassung des Lern- und Entwicklungsstands des Kindes erfolgt eine Bewertung zum Ausmass des Förderdarfs. Im nächsten Schritt werden basierend auf theoretischen Grundlagen konkrete Förderziele abgeleitet. Passend dazu werden Fördermassnahmen in Absprache mit den involvierten Fachpersonen und unter Einbezug der Lernenden und deren Erziehungsberechtigten formuliert. Die Massnahmen orientieren sich an den theoretischen Grundlagen des Entwicklungsbereichs.
Da oft mehrere Fachpersonen an der Förderung beteiligt sind, sind Absprachen zur Umsetzung von Massnahmen notwendig. Bei fehlendem Hintergrundwissen oder zusätzlichem Beratungsbedarf sollten MR-Lehrpersonen (IF, Logopädie, Psychomotorik, DaZ) und gegebenenfalls externe Fachstellen hinzugezogen werden.
Fachstellen
- ASS / ADHS Fachberatung Heilpädagogik | PHBern
- Hörbeeinträchtigung Audiopädagogischer Dienst (be.ch)
- Mobilitätsbeeinträchtigung Ambulanter Dienst - Stiftung Rossfeld Bern
- Sehbeeinträchtigung Blinde und sehbeeinträchtigte Kinder in Regelschulen | Blindenschule Zollikofen
4. Förderung durchführen und evaluieren
Die Umsetzung der Fördermassnahmen erfolgt im Unterricht. Alle Lehrpersonen, die im definierten Entwicklungsbereich mit dem Kind arbeiten, sprechen sich ab und koordinieren die Massnahmen. Die Massnahmen werden in der Förderplanung dokumentiert und die Wirksamkeit der Förderung in sinnvollen Zeitabständen (mindestens halbjährlich) überprüft. Förderziele und Fördermassnahmen werden falls notwendig angepasst.