Bericht einer Spezialistin Medien und Informatik in Zeiten des Fernunterrichts

Karin Winkel ist Spezialistin Medien und Informatik (SMI) an der Schule Ittigen BE. Als pädagogische SMI unterstützt sie ca. 150 Lehrpersonen und rund 1000 Schülerinnen und Schüler von Zyklus 1 – 3 bezüglich der Umsetzung von Medien und Informatik im Unterricht.

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Karin Winkel

Wie verlief der Wechsel in den Fernunterricht?

An der Schule Ittigen verfügen wir über eine gute Infrastruktur, was den Einstieg in den Fernunterricht sehr erleichterte. Bereits vor vier Jahren haben wir Office365 eingeführt, das heisst alle Schülerinnen und Schüler ab der 1. Klasse haben eine E-Mail-Adresse und Zugriff auf die Apps von Office365 (OneDrive, Word, Powerpoint, …). Auf dem Zyklus 3 und teilweise auch bereits im Zyklus 2 wurde schon vor der Einführung des Fernunterrichts mit diesen Werkzeugen gearbeitet.

Im Zyklus 3 wurde für den Fernunterricht dann von Beginn an MS Teams als Kommunikations- und Arbeitsplattform etabliert, was rasch recht gut funktioniert hat. Bei einigen Klassen kam zudem LearningView.org zum Einsatz.

Auf der Primarstufe wurde es den Lehrpersonen frei gelassen, ob sie die Aufträge in Papierform oder elektronisch abgeben wollten. Auf der 5./6. Klasse wurde dann vor allem mit LearningView gearbeitet. MS Teams wurde als Kommunikationsplattform bis hinunter zum Zyklus 1 genutzt, allerdings nicht flächendeckend und nicht verbindlich.

Problematisch war am Anfang die Kommunikation mit den Eltern, da wir nicht von allen E-Mailadressen hatten. Es dauerte bis zu einer Woche, bis alle erfasst und verfügbar waren. Zukünftig wird die E-Mailadresse der Eltern bei Schuleintritt zusammen mit den anderen Personendaten erfasst werden.

Wie sieht es mit der Verfügbarkeit der Geräte bei den SuS bzw. deren Eltern aus?

Im Zyklus 3 hat jede Schülerin und jeder Schüler ein schuleigenes, personalisiertes iPad. Diese sind mit dem Office365-Account verknüpft. Daher war die Geräteverfügbarkeit auf dem Zyklus 3 von Anfang an flächendeckend gewährleistet.

Bis zur 6. Klassen waren wir darauf angewiesen, dass in den Familien passende Geräte vorhanden waren. Da waren die Unterschiede jedoch sehr gross. Einige Familien sind komplett ausgestattet und in einigen Familien gibt es nur ein Smartphone. Gerade bei Familien mit mehreren schulpflichtigen Kindern kam es so zu Engpässen, wenn die Aufgaben digital bearbeitet oder abgegeben werden sollten. Wir haben diesen Familien dann schuleigene iPads aus den Klassensätzen zur Verfügung gestellt. Insgesamt haben wir rund 25 Geräte ausgeliehen.

Gerade am Anfang der Schulschliessung waren einige Online-Plattformen und -dienste überlastet. Wie sah das bei Euch aus?

Ja, das war ein grosses Problem. In der ersten Woche konnte ich Einstellungen und Konfigurationen bei Office365 eigentlich nur zwischen 2:00 Uhr und 6:00 Uhr nachts machen. Ansonsten waren die Plattformen entweder wegen kompletter Überlastung nicht zugänglich oder wurden bspw. von mir

freigegebene Lizenzen nicht übernommen. Dies führte zu Problemen beim Unterricht, so dass die Lehrpersonen verärgert waren. In solchen Fällen ist es schwer zu vermitteln, wo das Problem liegt. Zu Unterrichtszeiten waren auch Plattformen wie LearningView oder LearningApps oftmals überlastet. Letztendlich hilft hier nur Geduld und gesundes Mass an Gelassenheit bei allen beteiligten.

Haben sich viele Lehrpersonen bei Dir mit einem Anliegen gemeldet?

Zu Beginn gab es natürlich viele offene Fragen. Wir richteten daher freiwillige online-Sprechstunden zu verschiedenen Themen ein, wo die Lehrpersonen Fragen stellen, sich Tipps und Tricks abholen und untereinander austauschen konnten.

Doch auch ausserhalb der Sprechstunden trafen viele Anfragen bei mir ein, und das auf den unterschiedlichsten Kommunikationskanälen: MS Teamskanal, Chat, E-Mail, What’sApp, Telefon, …Als es sich häufte, habe ich auf MSTeams einen Helpdesk-Kanal eingerichtet und habe darin FAQs abgelegt. Leider wurden sie kaum konsultiert. Da braucht es noch etwas Zeit, um ein solches Werkzeug zu etablieren. Besonders in den Wochen vor den Frühlingsferien war ich sehr gefordert, um den Lehrpersonen zeitnah helfen zu können.

Hat sich der Einsatz von Programmen während des Lockdowns geändert?

Ja, vor allem im Zyklus 1 und 2. In der Primarschule wurde anfangs viel mit Papier gemacht. Eltern haben dann Ergebnisse fotografiert und z.B. per What’sApp an die Lehrperson geschickt. Dies sprengte schnell den Rahmen der privaten Handys der Lehrpersonen. Wir haben in einigen Klassen dann auch MS Teams eingerichtet. Die Eltern wurden durch eigene Erklärvideos in die Handhabung eingeführt. Das funktionierte soweit ich gehört habe gut.

Am Zyklus 3 wurde von Beginn weg mit MS Teams und/oder LearningView gearbeitet, was sich bewährt hat.

Was würdest Du bei einem Lockdown wieder so machen?

Ich würde wieder MS Teams als Grundplattform einsetzen und mit Erklärvideos in die Bedienung einführen oder die Handhabung auffrischen. Daneben sollten aber auch bewährte Dienste im Unterricht unbedingt weiter genutzt werden, da dadurch der Devise «Inhalte vor Technik» gefolgt wird.

Was sollte man aus dem Lockdown mitnehmen und zukünftig berücksichtigen?

Bei einem Lockdown sind die Kommunikationskanäle besonders wichtig. Ich denke, dass hier zukünftig klarer festgelegt wird, welcher Kommunikationskanal von wem für was verwendet werden soll. Dadurch können wir viel Zeit sparen, und uns auf das Wesentliche konzentrieren. Zudem würde es für Eltern mit mehreren schulpflichtigen Kindern übersichtlicher werden. Ich denke auch, dass während des Lockdowns einige Unterrichtslektionen entstanden sind, die wahre Perlen sind. Diese sollten z.B. in MS Teams als Notfalllektionen bereitgehalten werden. Fällt eine Lehrperson kurzfristig aus, kann auf diese Lektionen zurückgegriffen werden.

Was sollte zukünftig beim Einsatz von Programmen bedacht werden?

Es ist besonders wichtig, dass wir uns auf die Inhalte konzentrieren. Die Programme sind ein Hilfsmittel, mit denen die Inhalte bereitgestellt werden können. Einige Lehrpersonen wollten aufgrund von Empfehlungen von befreundeten Lehrpersonen unbedingt bestimmte Apps einsetzen. Dabei vergessen sie, dass sich viele Apps in ihrem Funktionsumfang gleichen. Ich wünsche mir hier etwas mehr Flexibilität. Eine gewisse Vereinheitlichung in einer Schule ist hilfreich. Ältere Geschwister können bspw. ihren jüngeren Geschwistern helfen. Für die Eltern ist es auch einfacher, da sie auch nicht so viele verschiedene Dienste kennen müssen.

Wird Deine Arbeit zukünftig aufgrund der gemachten Erfahrungen der Lehrpersonen leichter oder schwerer?

Weder – noch… Sie wird sich verändern. Die Lehrpersonen haben bei der Anwendung von digitalen Werkzeugen im Unterricht einen grossen Schritt vorwärts gemacht. Bestenfalls sind Visionen entstanden, die auch nach der Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts weiterentwickelt werden. Darauf kann nun aufgebaut werden, wobei der Fokus vor allem auf die Inhalte gelegt werden sollte.

Die Ansprüche erhalten einen neuen Level, und das ist auch gut so. Ich muss mich den Anforderungen der Lehrpersonen anpassen und mir passende Strategien überlegen. Meine Arbeitsschwerpunkte werden sich sicher verändern – aber weder leichter noch schwieriger werden.

Kontakt: karin.winkel@schule-ittigen.ch

Arbeitsgruppe "Digitalisierung und Chancen(un)gleichheit"

Think Tank Medien und Informatik (TTIM)
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