Eine Podiumsdiskussion mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Wissenschaft und Schule hat am 14. August 2019 die Ausstellung "Lesen lernen" im Berner Generationenhaus eröffnet.

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Foto Diskussionrunde zum Thema "Lesen lernen"

V.l.n.r.: Julia Winkes, Eva Mollet, Erich Aschwanden (Moderation), Hansjakob Schneider, Maja Huber, Peter Keller

Die Diskutandinnen und Diskutanden debattierten unter der Moderation von Erich Aschwanden über das sogenannte "Schreiben nach Gehör", das verschiedene Kantonsregierungen verbieten wollen, weil sie es verantwortlich machen für mangelhafte Rechtschreibkompetenzen der Kinder. In der Kritik steht dabei im Kern die Methode "Lesen durch Schreiben" des Zürcher Reformpädagogen Jürgen Reichen: Er schlug in den 1980er Jahren vor, Kinder nicht alle uniform mit Fibeln zu unterrichten, sondern ihnen einen raschen und selbstständigen Zugang zur Schrift zu ermöglichen. Mit der sogenannten Anlauttabelle, die jedem Buchstaben ein Bild mit dem entsprechenden Anlaut zuordnet, lernten die Schüler und Schülerinnen in Kürze schreiben – und zwar lautgetreu und ohne orthographische Strategien zu kennen. Das Lesen erlernten sie erst in einem zweiten Schritt.

Die anwesenden Fachpersonen, namentlich Hansjakob Schneider von der PH Zürich und Julia Winkes von der Universität Freiburg, machten deutlich, dass Lehrpersonen die Reichen-Methode und den entdeckenden Zugang zur Schrift heute nur noch in Kombination mit geführten Sequenzen und anderen Lehrmitteln einsetzen. Auch Eva Mollet, Lehrerin in der Stadt Bern, betonte, dass sich Kinder beim Erlernen der Schrift sowieso immer zuerst am gesprochenen Laut orientieren und folglich nach Gehör schreiben, bevor sie orthographische Regeln lernen können.

Peter Keller, Nationalrat der SVP und ehemaliger Gymnasiallehrer, betonte seinerseits wiederholt die Sorge um die Sprachkompetenzen der Schülerinnen und Schüler und forderte ein systematisches Üben der Rechtschreibung und die konsequente Korrektur der Kindertexte durch die Lehrpersonen.

Die kontroversen Ansichten zum Erwerb der Schriftsprache in der Schule, zum Umgang mit Fehlern und letztlich zur Wichtigkeit, die Lese- und Rechtschreibkompetenzen in der Gesellschaft von heute haben sollen, lockten zahlreiche Zuhörerinnen und Zuhörer ins Generationenhaus Bern. Ihre Fragen und Statements in der Schlussrunde der Diskussion zeigten, dass das Thema der Ausstellung Lehrpersonen und Eltern interessiert und bewegt – und immer wieder auch ratlos macht.

Text: Pascale Schaller

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[Publiziert am: 19.08.2019 unter www.phbern.ch]