"Beziehungspflege braucht es schon vor einer Krise"

Das Case Management für Lehrpersonen der PHBern gibt es bereits seit 15 Jahren. Es steht für die Begleitung des Wiedereinstiegs von krankgeschriebenen Lehrpersonen. Christine Thomet, Schulleiterin an der Schule Hindelbank, erzählt im Gespräch mit Luciana von Arx, Case Managerin der PHBern, von ihren Erfahrungen.
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Case Management
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Frau Thomet, Sie haben als Schulleiterin  bereits mehrere Lehrpersonen nach einer Krankschreibung wieder in den Berufsalltag zurückbegleitet. Wie haben Sie dabei
die Zusammenarbeit mit dem Case Management erlebt?

Christine Thomet: Das Case Management der PHBern berät sowohl mich als Schulleiterin und Arbeitgeberin als auch die Lehrperson als Arbeitnehmerin, sieht also beide Perspektiven. Da jeder Fall gänzlich individuell ist, halfen mir die grosse Erfahrung und das Wissen der Case Manager immer enorm. Sie kennen die vielen wichtigen Faktoren, die wir bei einer Wiedereingliederung beachten müssen, und sind neutrale Ansprechpersonen für beide Seiten. Mir persönlich hat es immer geholfen, dass ich mich bei Fragen nicht direkt an die krankgeschriebene Lehrperson wenden musste. Denn ich möchte natürlich wissen, wie es der Person geht, ihr aber auch unbedingt den Raum lassen, den sie zur Genesung braucht. Mir genügt es, zu wissen, dass jemand krankgeschrieben ist, die genauen Gründe sollte mir eine Lehrperson freiwillig erzählen dürfen. Wenn ich als  Arbeitgeberin zu viel weiss, kann dies danach die Beziehung auch belasten. Deshalb half es mir immer, eine professionelle, neutrale Ansprechperson von aussen zu haben, um meinen Weg zu finden.

Frau von Arx, wie unterscheiden Sie denn als Case Managerin Beratungen für Lehrpersonen von Beratungen für Schulleitungen?
Luciana von Arx: Ich mache da keine aktive Unterscheidung, sondern orientiere mich an den Bedürfnissen und den Fragen, die bei den Beteiligten im Raum stehen. Für Schulleitungen ist die Organisation des Schulbetriebs, das Suchen von Stellvertretungen während eines Ausfalls immer ein wichtiger Punkt. Es gibt auch viele administrative, rechtliche und versicherungstechnische Fragen zu klären. Auch die Frage, wie lange ein Ausfall dauern könnte, ist ein wichtiger Faktor für die Planung. Da können wir auf Basis unserer Erfahrung beraten. Denn eine gute Organisation im laufenden Schulbetrieb nimmt der krankgeschriebenen Person den Druck, schnell wieder an die Stelle zurückkehren zu müssen. Bei allen Beratungen unterstehen wir einer strikten Schweigepflicht gegenüber Dritten. Alles Gesagte bleibt also bei mir.Welches sind aus Ihrer Perspektive die Erfolgsfaktoren für eine gut gelungene Wiedereingliederung?
Thomet: Ein wichtiger Faktor ist die Beziehung, die ich zu einer Lehrperson pflege. Ich muss nicht erst in der Krise eine Beziehung pflegen wollen. Beziehungspflege braucht es immer. Ausserdem hilft es, ein Team zu haben, das bereit ist, die Situation mitzutragen. Denn eine Abwesenheit betrifft immer ein ganzes Team. Rein organisatorisch ist vieles möglich, aber eine offene, vertrauensvolle und wohlwollende Basis sollte schon vorhanden sein, bevor eine Krise eintrifft.
Von Arx: Dem stimme ich zu. Was aber helfen kann, wenn die Beziehung nicht so gut ist, ist vor allem Klarheit und Transparenz. Es ist wichtig, dass dies angesprochen
wird. Man kann immer an der Beziehung arbeiten. Als Case Managerin brauche ich gerade solche Informationen, um gut beraten zu können.

Ich habe es oft erlebt, dass Lehrpersonen zu schnell zu viel wollen. Deshalb ist es wichtig, sich Zeit zu lassen und sich die Zeit zu nehmen, die es braucht.
Christine Thomet  -  Schulleiterin Schule Hindelbank

Thomet: Ich habe es oft erlebt, dass Lehrpersonen zu schnell zu viel wollen. Deshalb ist es wichtig, sich Zeit zu lassen und sich die Zeit zu nehmen, die es braucht.
Wiedereingliederungen erfolgen zu Beginn oftmals eher langsam. Wenn man dann wieder sicherer wird, kann man das Pensum erhöhen. Das Thema "Druck herausnehmen" ist deshalb essenziell. Mein Fokus richtet sich immer auch darauf, eine gute Stellvertretungslösung zu finden. Denn dies hilft auch der abwesenden Lehrperson. Was ausserdem gut geplant werden sollte, ist die Kommunikation gegen aussen. Was kommunizieren wir wem wie? Was sagen wir den Schülerinnen und Schülern, was den Eltern? Dies ist meine Aufgabe als Schulleiterin. Manchmal hilft es, Anhaltspunkte zu geben, weil auch Gerüchte sehr belastend sein können. Aber dies ist sehr individuell und muss je nach  Situation gut und gemeinsam mit der Lehrperson und dem Case Management geklärt werden.
Von Arx: Womit wir ebenfalls sehr gute Erfahrungen gemacht haben, ist der begleitete Wiedereinstieg im Arbeitsversuch bei hundertprozentiger Arbeitsunfähigkeit. Die  Lehrperson übernimmt dabei für einen vereinbarten Teil des Pensums die volle Verantwortung. Die Stellvertretung bleibt – in diesem Setting – über das ganze Pensum der  krankgeschriebenen Lehrperson angestellt. Im Falle eines krankheitsbedingten Rückfalls übernimmt sie die Lektionen wieder. Erfahrungsgemäss wird dieses Back-up wenig gebraucht, aber es entlastet die wieder einsteigende Lehrperson sehr.

Frau Thomet, was empfehlen Sie anderen Schulleitungen in solchen Krisensituationen?
Thomet: Beim ersten Fall stand ich schon etwas im luftleeren Raum. Deshalb wäre mein Rat, selbst aktiv beim Case Management anzuklopfen, wenn man als Schulleitung
im Zusammenhang mit arbeitsunfähigen Lehrpersonen und der Situation an der Schule Fragen hat. Das Case Management unterstützt die Schulleitungen oder die  Anstellungsbehörde bei Fragen rund um drohende und bestehende Krankschreibungen von Lehrpersonen.