Jedes Jahr entstehen an der PHBern Arbeiten, die wissenschaftlich fundiert und praxisnah die Bildungslandschaft bereichern. Im Herbstsemester 2024 wurden drei herausragende Bachelorarbeiten prämiert, die Fragestellungen in den Bereichen Mathematik, Rechtschreibung und Partizipation nachgehen. Die prämierten Arbeiten wurden von einer fachübergreifenden Jury aus Dozierenden verschiedener Disziplinen des Instituts Primarstufe ausgezeichnet. Kriterien für die Auswahl waren neben einer hervorragenden Note insbesondere die Innovationskraft der Arbeiten, ihre Relevanz und Anwendbarkeit für das Schulfeld sowie eine überzeugende Methodik. Darüber hinaus überzeugten die Arbeiten durch inhaltlich und formal sehr hohe Qualität und eine präzise wissenschaftliche Ausarbeitung.
Opening a Can of Worms – Wie geht Mathematik lernen in den Köpfen der Kinder? Ein Bewertungsinstrument.
Die Redewendung „opening a can of worms“ veranschaulicht die Schwierigkeiten der Lernprozessbewertung. Was eine einfache Aufgabe zu sein scheint, ist eigentlich ein hochkomplexes Problem. Anhand dieser Analogie analysiert Jane Achtman in ihrer Bachelorarbeit „die Wurmarten in der Konservendose“. Dabei hat sie das Ziel, eine praktikable Lösung für die Lernprozessbewertung im schulischen Alltag zu entwickeln, sprich „ein Wurmmittel“ zu finden. Obwohl schweizweit Einigkeit herrscht, dass gelungene Lernprozesse für eine erfolgreiche schulische Laufbahn essenziell sind, hat bis heute nur der Kanton Bern Lernprozesse als Beurteilungsgegenstand im Lehrplan 21 verankert. Trotz dieser gesetzlichen Pflicht werden auch in Bern Lernprozesse im schulischen Alltag noch kaum bewertet. Der Schwerpunkt liegt oft noch auf fachlichen Inhalten, während individuell angepasste Lernstrategien und deren Entwicklung kaum Beachtung finden. So entwickelte Jane Achtman ein praxisnahes Instrument, das hilft, Lernprozesse zu beurteilen. "Meiner Meinung nach sollte in der Schule das "Lernen lernen" vermittelt werden", erläutert Jane Achtman die Motivation für ihre Arbeit. "Um diese Fähigkeit zu fördern, braucht es eine enge und regelmässige Begleitung von Lernprozessen." Entstanden ist ein Beurteilungsraster, das eine einfache und klare Bewertungsmethode mit überfachlichen Handlungsaspekten kombiniert, um die Leistungen der Schülerinnen und Schüler ganzheitlich zu beurteilen. Dieses Raster erlaubt gezielte und individuelle Rückmeldungen und ist ein formatives Bewertungsinstrument. "Das Beurteilungsraster hilft Lehrpersonen, Lernprozesse greifbarer zu machen und gezielt zu fördern", erklärt die Achtman. Der Weg zum Endprodukt war aber nicht hürdenlos: "Lernprozesse finden unsichtbar im Kopf der Schülerinnen und Schüler statt und sind somit also nicht beobachtbar. Daher war die grösste Herausforderung, einen Weg zu finden, diese Lernprozesse sicht- und damit beurteilbar zu machen."
Weitere Informationen und Details zum entwickelten Bewertungsinstrument finden Sie in der vollständigen Bachelorarbeit "Opening a Can of Worms".
Satzinterne Grossschreibung – ein syntaxbasierter Unterrichtsansatz
Wie vermittelt man die satzinterne Grossschreibung im Deutschunterricht der Primarstufe so, dass Schülerinnen und Schüler nachhaltig davon profitieren? Dieser Frage widmet sich die zweite prämierte Bachelorarbeit und untersucht dabei die Vorteile eines syntaxbasierten, auf die Satzstruktur bezogenen Ansatzes gegenüber der herkömmlichen wortartbezogenen Methode. "Schülerinnen und Schüler schreiben Nominalisierungen und abstrakte Nomen eher gross, wenn sie nach dem syntaxbasierten Ansatz unterrichtet werden", erläutert Livia Sprecher, die Autorin dieser Bachelorarbeit, die Erkenntnisse dieser Arbeit. Sie zeigt, dass das Verständnis der Satzstruktur einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der Rechtschreibung leisten kann. Ziel sei es, dass Schülerinnen und Schüler die Zusammenhänge zwischen Wörtern im Satz erkennen, anstatt isolierte Regeln zu erlernen. Inspiration für die Arbeit fand Livia Sprecher in der Auseinandersetzung mit der Rolle des Grammatik- und Rechtschreibunterrichts im heutigen Schulalltag. "Nach wie vor ist der wortartbezogene Ansatz zur Vermittlung der satzinternen Grossschreibung ("Nomen schreibt man gross") weit verbreitet – im Lehrplan, in den Lehrmitteln, sowie im Unterricht." Livia Sprecher erklärt, dass diese Aussage zwar nicht falsch, es aber entscheidend sei, wie ein Nomen erklärt wird. "Ich denke, wir Lehrpersonen können viele Fehler und Fehlkonzepte bei unseren Schülerinnen und Schülern vermeiden, indem wir aufhören Nomen als "Dinge, die man sehen", oder noch schlimmer "Dinge, die man anfassen kann" zu bezeichnen." Und sie liefert auch gleich die Alternative: "Sinnvoller finde ich die Artikelprobe: Vor jedes Nomen kann ich einen Begleiter (der, die oder das) setzen."
Die Bachelorarbeit "Satzinterne Grossschreibung" liefert weitere wertvolle Anregungen für den Deutschunterricht und gibt einen tieferen Einblick in die Vorgehensweise und die gewonnen Erkenntnisse.
Die Stimme der Berner Schüler*innen – eine Analyse des Mitspracherechts
Wie gut ist das Recht auf Mitsprache von Schülerinnen und Schülern im Kanton Bern gesetzlich verankert? Diese Frage untersucht Tanja Taminé und liefert eine kritische Analyse der Gesetzeslage auf Ebene Bund, Kantone und Berner Gemeinden mit abschliessenden Handlungsempfehlungen an die drei Akteure. Dabei zeigt die Autorin deutlich: Im deutschsprachigen kantonalen Vergleich bleibt der Kanton Bern hinter den Anforderungen zurück, die die Kinderrechtskonvention (KRK) bei der Umsetzung an die Vertragsstaaten stellt. Im Fokus der Arbeit steht Artikel 12 Absatz 1 der KRK, der Kindern das Recht zuspricht, in allen sie betreffenden Angelegenheiten gehört zu werden und ihre Meinung darin berücksichtigt zu wissen. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen ein gemischtes Bild: Während es in Kantonen wie Basel-Stadt fortschrittliche Ansätze gibt, bleibt die Mitsprache in vielen Kantonen entweder gänzlich unberücksichtigt oder vage formuliert. Wo Regelungen zur Mitsprache bestehen, beschränken sich diese allerdings auf ein institutionelles Mitspracherecht wie in Form von Klassen- oder Schülerräten und schaffen in erster Linie Mitspracheräume, in denen die Lernenden selbst aktiv werden müssen, um ihre Meinung einbringen zu können. Der Kanton Bern zeigt sich hierbei als Nachzügler: "Die kantonale Schulgesetzgebung kennt bislang keine Regelungen zum Mitspracherecht von Lernenden im Schulkontext und auch aus den Bestimmungen des aktuellen Lehrplans ergibt sich kein unmittelbarer Rechtsanspruch auf Mitsprache im Sinne von Artikel 12 Absatz 1 KRK», so Tanja Taminé. Inspiriert zu ihrer Arbeit hat die Autorin die unterschiedliche Handhabung von Mitsprachemöglichkeiten in Schulen. Daraus ergab sich für sie die Frage, ob Lernende trotz ratifizierter KRK von der Willkür schulischer Entscheidungsträger abhängig sind, um ihr Recht auf Mitsprache wahrnehmen zu können. Lehrpersonen, so die Autorin, spielen dabei in doppelter Hinsicht eine Schlüsselrolle: "Sie tragen die Verantwortung, die Kinder zum einen über ihre Rechte aufzuklären und ihnen zum anderen echte Mitsprachemöglichkeiten zu bieten."
Einen umfassenden Überblick über die rechtliche Analyse und die Handlungsempfehlungen zur Stärkung des Mitspracherechts von Schülerinnen und Schülern finden Sie in der Bachelorarbeit "Die Stimme der Berner Schüler*innen".