Kolumne: Kooperation zwischen Schule und Eltern auf dem Prüfstand

Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler sowie ihre Eltern erleben aktuell einen Zustand besonderer Art. Fernunterricht auf allen Stufen? Das schien vor wenigen Wochen noch undenkbar. Mit viel Kreativität und Engagement haben die Lehrpersonen in den vergangenen Tagen aber bewiesen, dass Fernunterricht möglich ist, und dies innerhalb kürzester Zeit.
NEWS —

  

Caroline Villiger Hugo

In Zeiten des Coronavirus müssen Lehrpersonen den Kontakt zu ihren Schülerinnen und Schülern neu herstellen. Während dies bei Klassen des Zyklus 3 aufgrund bereits etablierter, elektronischer Kommunikationsformen in den meisten Fällen gut klappt, ist die Ausgangslage bei den jüngeren Schülerinnen und Schülern anders: Wenn es um die Kommunikation und das Erteilen von Arbeitsaufträgen geht, sind die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten die zentralen Schaltstellen. Die Lehrpersonen sind deshalb mehr denn je auf die Kooperation mit ihnen angewiesen. Bei einem Grossteil der Eltern funktioniert dies ganz gut. So sehr es für eine Lehrperson beruhigend sein kann zu wissen, dass sie bei gewissen Eltern auf aktives Begleiten des Fernunterrichts zählen kann, so problematisch ist gleichzeitig das Delegieren der Verantwortung an die Eltern (siehe Thema Chancengerechtigkeit). Wie kann eine Zusammenarbeit zwischen Schule und Familie hergestellt werden, die die Eltern weder übermässig aktiviert, noch überfordert, noch aussen vor lässt?

Zentrale Punkte für die Lehrperson:

  • Machen Sie – sich selbst und den Eltern gegenüber – deutlich, welche Erwartungen Sie an die Eltern haben in Bezug auf die Organisation des Fernunterrichts.
  • Pflegen Sie den Kontakt zu den Eltern. Erkundigen Sie sich im direkten Gespräch oder vielleicht via einen kurzen Online-Fragebogen, wie die Eltern die Situation des Fernunterrichts erleben. Nutzen Sie Apps, die einen Austausch zwischen Lehrperson, Schüler/in und Eltern zum Teilen von Fotos, Kommentaren, Erfahrungen etc. ermöglichen.
  • Entlasten Sie die Eltern. Achten Sie darauf, dass die Verantwortung für das Lernen der Kinder nicht allein auf den Eltern lastet. Setzen Sie sie nicht als Hilfs-Lehrpersonen ein. Erteilen Sie Aufträge so, dass das Kind sie möglichst selbständig ausführen kann. Behalten Sie, sofern das Alter es zulässt, den direkten Kontakt zum Kind aufrecht und erklären Sie ihm, warum Lernen gerade jetzt wichtig ist.

Die allergrösste Herausforderung stellen jene Eltern dar, die schwer erreichbar sind. Was tun?

  • Suchen Sie aktiv den Kontakt zu den Eltern. Erkundigen Sie sich im direkten Gespräch, mit welchen Herausforderungen sie bezüglich Fernunterricht konfrontiert sind. Bieten Sie konkrete Hilfestellungen an.
  • Für gewisse Eltern ist nicht klar, dass Sie als Lehrperson auf eine Kooperation angewiesen sind. Machen Sie deutlich, wie wichtig und erwünscht die elterliche Unterstützung ist.
  • Stärken Sie die Kontakte zwischen den Eltern bzw. Familien. Bei Eltern, die Sie als Lehrperson nur schwierig erreichen können, sind manchmal bestehende Kontakte zwischen Eltern hilfreich. Nutzen Sie dafür Eltern als Vermittler, bei denen Sie sicher sind, dass die Kommunikation einwandfrei klappt.

Tipps für Eltern, denen der Fernunterricht Sorge bereitet:

  • Motivieren Sie Ihr Kind, die Arbeiten möglichst selbständig zu erledigen. Helfen Sie nur, wenn es nicht anders geht.
  • Wenn Sie Ihr Kind für die Schularbeit motivieren möchten, dann seien Sie Vorbild und sprechen Sie ihm gegenüber in positiver Weise über das Lernen und die Schule.
  • Ermutigen Sie Ihr Kind, schenken Sie ihm Aufmerksamkeit, wenn es keine Lust auf die Schularbeiten hat (gilt auch für ältere Schülerinnen und Schüler!).
  • Strukturieren Sie den Tagesablauf! Legen Sie fest, wann Aufstehenszeit ist, wann Lernzeit und wann Zeit für Hobbys und Freizeit. Eine klare Tagesplanung gibt Struktur und Sicherheit.
  • Nutzen Sie die Zeit mit Ihrem Kind für Gespräche, Spaziergänge, Spiele (auch elektronische), gemeinsames Lesen! Binden Sie Ihr Kind beim Verrichten alltäglicher Arbeiten ein, muten Sie ihm neue Dinge zu!

In vielerlei Hinsicht ist die aktuelle Situation zwar herausfordernd, aber gleichzeitig birgt sie auch Chancen. Eine davon ist die Zusammenarbeit zwischen Schule und Familie, die in dieser Zeit an Bedeutung gewinnt. Mehr denn je ist die gemeinsam verantwortete Bildung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen unumgehbar. Diese Kooperation muss gerade jetzt neu etabliert und ausgelotet werden. Klar ist: Die zielführendste Form der Zusammenarbeit muss im einzelnen Fall gefunden und gepflegt werden. Bringen Sie, liebe Lehrerin, lieber Lehrer, Ihre Kreativität auch in diesem Bereich zum Ausdruck! Ich wünsche Ihnen dabei gutes Gelingen und neue Erfahrungen, die Sie in Ihrer Tätigkeit weiterbringen.

Zur Plattform Fernunterricht: www.phbern.ch/fernunterricht

Alle Kolumnen zur Corona-Situation

Über die Autorin

Caroline Villiger

Prof. Dr. Caroline Villiger Hugo ist Leiterin des Schwerpunktprogramms Familie – Bildung – Schule am Institut für Forschung, Entwicklung und Evaluation und Dozentin am Institut Sekundarstufe I der PHBern.