Vom Eisfeld ins Klassenzimmer: Etienne Froidevaux wird Lehrer

Etienne Froidevaux (36) war während 17 Jahren eine feste Grösse im Schweizer Eishockey. Heute trifft man ihn an der PHBern oder im Klassenzimmer – denn er wird Lehrer. Das Studium absolviert er in Teilzeit, dazu unterrichtet er. Bei all dem legt er dieselbe Leidenschaft an den Tag wie einst auf dem Eisfeld.
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Porträtfoto von Etienne in der Fabrikstrasse 6

Bild: Peter Brand

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"Auch im Klassenzimmer bin ich ständig in Bewegung"

Etienne Froidevaux absolvierte als Eishockeyspieler über 800 Spiele in der National League. Er stand bei seinem Stammklub SC Bern (Meister 2010), den SCL Tigers, dem Lausanne HC und dem EHC Biel unter Vertrag. Der defensive Center galt als guter Teamplayer mit ausgeprägten Führungsqualitäten. Er beendete seine Karriere nach der Saison 2022/23.

Viele Profisportler erleben das Ende der Aktivzeit als Herausforderung. Wie erging es Ihnen?

Ich hatte Respekt. Deshalb habe ich mich frühzeitig damit befasst. Ich war mehrfach in der Berufsberatung und tauschte mich regelmässig mit meinen Eltern aus. Mir war aber immer klar, dass ich eine befriedigende neue Herausforderung finden würde. Ich bin ein Mensch mit vielseitigen Interessen. Ich beschäftige mich mit Geschichte, male gerne und lese viel. Auf den Fahrten zu den Auswärtsspielen hatte ich stets ein Buch dabei.

Was motiviert Sie, Lehrer zu werden?

Im Lehrberuf kommt vieles zusammen, das zu meiner Persönlichkeit passt. Ich will etwas Sinnstiftendes tun und brauche eine Aufgabe, die mich herausfordert. Der Lehrberuf bietet all das. Zudem finde ich dank meiner Erfahrungen aus dem Sport schnell den Zugang zu jungen Menschen. Ihnen möchte ich meine positive Einstellung zum Leben weitergeben.

Konnten Sie während Ihrer Zeit als Eishockeyspieler eine Ausbildung absolvieren?

Ja, und ich habe mir immer Mühe gegeben in der Schule … (lacht). Während der Berufswahl stand die Hockeykarriere im Vordergrund. Für mich und meine Eltern war aber klar, dass ich daneben eine Ausbildung mache. Ich stand vor der Wahl zwischen dem Gymnasium und einer kaufmännischen Lehre. Ich entschied mich für das KV im Modell "Lehre und Sport" am Bildungszentrum für Wirtschaft und Dienstleistung Bern. Nach der Lehre habe ich die Berufsmaturität nachgeholt.

Ich liebe das Studium. Es macht Spass, jeden Tag Neues zu lernen und etwas in die Praxis mitzunehmen. Sehr gut gefällt mir, dass ich weitgehend selbstgesteuert studieren kann.
Etienne Froidevaux  -  Student Sekundarstufe I

Als Leistungssportler waren Sie ständig in Bewegung. Jetzt sitzen Sie im Hörsaal oder stehen vor einer Schulklasse. Wie fühlt sich das an?

Auch im Klassenzimmer bin ich ständig in Bewegung. Ich bin kein Lehrer, der am Pult sitzt. Was sich verändert hat: Im Eishockey war der Körper mein Kapital. Jetzt ist es der Kopf. Ich liebe das Studium. Es macht Spass, jeden Tag Neues zu lernen und etwas in die Praxis mitzunehmen. Sehr gut gefällt mir, dass ich weitgehend selbstgesteuert studieren kann. Nach den Jahren im Korsett des Spitzensports geniesse ich diese Freiheiten.

Sie studieren am Institut Sekundarstufe I – werden also an der Oberstufe unterrichten. Welche Fächer haben Sie gewählt?

Französisch, Englisch, Räume-Zeiten-Gesellschaften – was Geografie und Geschichte beinhaltet – sowie Sport. Sprachen faszinieren mich, weil die Schweiz ein mehrsprachiges Land ist und ich den Jugendlichen einen positiven Zugang zur französischen Sprache bieten will. Geschichte und Geografie sind unverzichtbar, um die grossen Fragen unserer Zeit zu verstehen und die Zukunft mitzugestalten. Und Sport … ist schlicht eine Lebensschule.

Welche Kompetenzen nehmen Sie vom Eisfeld mit ins Klassenzimmer?

Minutiöse Planung, Umgang mit Stresssituationen, Disziplin, Teamspirit. Das versuche ich nicht "nur" ins Klassenzimmer, sondern auch ins Lehrerzimmer einzubringen.

Und welche Werte aus dem Profisport bringen Sie in Ihren neuen Beruf ein?

Erstens: Ich verstehe mich als Teil eines Teams – in der Klasse und im Kollegium. Es geht darum, als Team etwas zu erreichen. Zweitens: Wer etwas erreichen will, muss investieren. Das gilt auch für mich als Lehrperson. Wenn ich ein positives Lernumfeld schaffen will, dann muss ich auch Zeit dafür investieren, die Schülerinnen und Schüler kennenzulernen und eine Beziehung aufzubauen. Drittens: Motivation ist die Triebfeder für Erfolg. Doch häufig entwickelt sie sich erst, indem man etwas tut.

Geniessen Sie als ehemaliger Profisportler bei den Schülerinnen und Schülern mehr Kredit als andere Lehrpersonen?

Nein. Meine Biografie hilft mir nur im ersten Moment. Danach muss ich liefern – wie jede andere Lehrperson. Das heisst: Ich muss mir den Respekt erarbeiten.

Zum Schluss: Welche Eishockeyregel sollte unbedingt auch in der Schule gelten?

Die Coaches Challenge: Ist der Coach mit einem Entscheid der Schiedsrichter nicht einverstanden, kann er verlangen, dass sie sich die strittige Situation im Video anschauen und gegebenenfalls die Entscheidung korrigieren. Im Unterricht muss ich oft unter Zeitdruck entscheiden. Da wäre ich zuweilen froh, ich könnte mir die Situationen nochmals anschauen, um sicherzugehen, dass sie sich so zugetragen haben, wie ich sie wahrgenommen habe.

Studium Sekundarstufe I

Die PHBern bietet auf Sekundarstufe I unterschiedliche Studiengänge (Bachelor und Master), aus denen die Studierenden – je nach Berufsziel und Vorkenntnissen – wählen können. Die Ausbildung ist modular aufgebaut und bietet Gestaltungsfreiraum für individuelle Schwerpunkte.

Eine verspätete Anmeldung fürs Herbstsemester ist bis 31. August möglich.

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