Neuer Studiengang verspricht und hält viel

Die ersten sechs Studierenden im Studiengang Bachelor Primarstufe+ erzählen, weshalb sie die heilpädagogische Spezialisierung trotz Mehraufwand mit Überzeugung weiterempfehlen.
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Nach den Sommerferien starten die ersten fünf Absolventinnen und ein Absolvent des neuen Studiengangs Bachelor Primarstufe+ der PHBern ins Berufsleben. Das Kollegium darf sich auf gut qualifizierte, motivierte und engagierte Regellehrpersonen freuen. Sie haben sich im letzten Studienjahr Spezialwissen in der Schulischen Heilpädagogik angeeignet und werden dieses auch nach Erhalt des Lehrdiploms als Primarlehrpersonen weiter vertiefen. «Der Studiengang Bachelor Primarstufe+ entspricht einem grossen Bedürfnis aus der Schulpraxis», ist Daniel Steiner, Leiter des Instituts Vorschulstufe und Primarstufe, überzeugt. «Das Schulfeld profitiert einerseits von der zusätzlichen heilpädagogischen Expertise der Absolventinnen und Absolventen. Andererseits schärfen die Absolventinnen und Absolventen ihr persönliches Profil als Primarlehrperson, was ihnen in Bewerbungsverfahren einen Vorteil verschaffen kann.» «Der Bachelor Primarstufe+ ersetzt aber keine Fachpersonen mit einem Masterabschluss in Schulischer Heilpädagogik», betont Michael Eckhart, Leiter des Instituts für Heilpädagogik, «sondern hilft Regellehrpersonen, mit den täglichen Herausforderungen heterogener Klassen angemessen umzugehen sowie auf die besonderen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler sowie auch auf unterschiedliche Aspekte der Zusammenarbeit im Kollegium einzugehen.» Der Bachelor Primarstufe+ des Instituts Vorschulstufe und Primarstufe (IVP) und des Instituts für Heilpädagogik (IHP) ist ein neues Angebot der PHBern. Ab dem vierten Semester können Studierende des IVP einen Schwerpunkt in Schulischer Heilpädagogik wählen. Der Bachelor Primarstufe+ besteht einerseits aus einem regulären Bachelorstudium am Institut Vorschulstufe und Primarstufe (IVP) mit heilpädagogisch ausgerichteten Veranstaltungen des dritten Studienjahrs im Umfang von 24 ECTS Punkten. Andererseits werden am Institut für Heilpädagogik (IHP) zusätzliche Veranstaltungen im Umfang von weiteren 24 ECTS-Punkten absolviert. Dem Transfer wird mit entsprechenden, institutsübergreifend verantworteten Transfermodulen eine besondere Beachtung geschenkt.

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Primarstufe+

Weshalb haben Sie sich für den Bachelor Primarstufe+ entschieden?

Daniel Torres Ich habe während des Studiums fünf Praktika gemacht. Während zwei Praktika kam ich wegen der grossen Heterogenität der Klassen immer wieder an meine Grenzen. Als ich vom Pilotprojekt hörte, fand ich dies eine gute Möglichkeit, mich in diesem Bereich zu spezialisieren. Denn im Praktikum habe ich mich teilweise überfordert gefühlt. Ich möchte dank dem Zusatzwissen als Primarlehrer besser gerüstet sein.

Anouk Schaffer Dem kann ich mich anschliessen. Ich hoffe, dass mir das Zusatzwissen des Bachelors Primarstufe+ hilft, meinen Ansprüchen gerecht zu werden, damit ich die Kinder in der Klasse möglichst individuell fördern kann.

Carina Mischler Ich konnte mir schon von Anfang an vorstellen, den Master Schulische Heilpädagogik anzuschliessen. Der Bachelor Primarstufe+ ist eine gute Möglichkeit, bereits jetzt eine Verknüpfung herzustellen.

Haben Sie eine andere Perspektiveauf den Unterricht und auf das Kind entwickelt?

Michelle Zahnd Ja, es fand im letzten Ausbildungsjahr ein Perspektivenwechsel statt. Wir können nun den Transfer zur Schulischen Heilpädagogik vornehmen und sehen die Lernenden aus verschiedenen Blickwinkeln. Dies hilft im Umgang mit der Heterogenität.

Torres Genau. In der Heilpädagogik wird nur von Unterrichtsstörungen geredet, nie von schwierigen Kindern. Das Verhalten
des Kindes ist aus dieser Perspektive gerechtfertigt, es hat immer einen Grund. Somit muss die Gesamtsituation reflektiert
werden. Dieser Ansatz hilft, um nachhaltige, pädagogisch fundierte Vorgehensweisen zu finden. Ich habe dank dem Zusatzwissen einen guten Einblick in die Heilpädagogik sowie deren Handwerk bekommen. Mir sagte einmal eine Heilpädagogin im Praktikum, dass wir Studierenden im Bachelor Primarstufe+ die Brücke zwischen der Heilpädagogik und der Regelschule seien. Diese Metapher trifft es gut.

Wo oder inwiefern konnten Sie das Zusatzwissen konkret anwenden?
Mischler
Wir beschäftigten uns mehr und vertiefter mit der Heterogenität. Wir wissen nun genau, was damit gemeint ist, sehen die Verknüpfungen dahinter und können darauf eingehen. Ich nehme die Leistungen der Kinder jetzt auch individueller wahr.

Zahnd Ich konnte im Praktikum eine gute Zusammenarbeit mit der Heilpädagogin pflegen. Wir planten den Unterricht gemeinsam und konnten so unser jeweiliges Fachwissen einbringen.

Schaffer Ich fasste im Praktikum mehr Mut, offene Aufgaben zu stellen und entsprechend meinen Unterricht zu differenzieren. Ich verzichtete darauf, jede Minute vorauszuplanen und mein Programm genauso durchzuziehen. Jetzt versuche ich, die Ideen der Kinder aktiv in den Unterricht einzubeziehen und an ihre Lebenswelt anzuknüpfen. Ich richte den Fokus mehr auf die Individualität.

Lena Camp Bei mir hat sich der Schwerpunkt ebenfalls verlagert. Zu Beginn habe ich mich vor allem mit dem inhaltlichen Stoff auseinandergesetzt. Später begann ich, den Schwerpunkt bei der konkreten Förderung der Kinder und bei Strategien zum Erwerb der inhaltlichen oder überfachlichen Kompetenzen zu setzen.

Sarah Gfeller Bei mir war es ähnlich. Ich habe mir viel mehr Gedanken im Vorfeld gemacht. Ziel war es, die Kinder in ihren Strategien zu fördern und Strukturen zu schaffen, die ihnen helfen. So musste ich bei der Themenplanung all jene mitdenken, die Mühe haben, und auch jene, die mehr gefordert werden möchten.

Sollten demnach nicht alle Lehrpersonen dieses Zusatzwissen haben?

Zahnd Mehr Wissen und mehr Erfahrungen im heilpädagogischen Bereich sind der Schlüssel zur Integration. Dies müsste man allen jungen Lehrpersonen mitgeben und ihnen so die Angst nehmen und sie ermutigen, Kinder mit Beeinträchtigungen in die Klasse zu integrieren. 

Camp Es braucht nicht das gesamte heilpädagogische Wissen für alle. Aber einzelne Module, zum Beispiel «Schulentwicklung und Kooperation», wären für alle wichtig. Lehrpersonen sollten alle möglichen Kooperationsformen mit der Schulischen Heilpädagogin kennen. Denn hier haben die Regellehrpersonen eine wichtige Rolle.

Gibt es für euch noch "schwierige Klassen"?

Zahnd Als Lehrperson begegnet man herausfordernden Unterrichtssituationen. Diese werden wir auch  erleben. Es geht jedoch darum, wie man mit diesen umgeht.

Schaffer Sicher haben wir nun ein grösseres Repertoire, wie wir mit  einer herausfordernden Situation umgehen können, damit diese zeitnah besser wird.

Gfeller Und wir wissen, wo wir welche Hilfe holen können und wo noch mehr Ressourcen abrufbar sind. Und wir können diese nun gezielt einsetzen.

Empfehlt ihr den Studiengang Bachelor Primarstufe+ weiter?

Torres Das Studium ist sehr zeitaufwendig. Wenn jemand schon in den ersten Semestern am Limit ist, würde ich abraten. Aber  wenn man Zeit und Energie hat und diese investieren möchte, dann unbedingt.

Mischler Ja, man muss es wirklich wollen. Denn es ist sehr zeitaufwendig, und oft kommt auch viel auf einmal: Stellensuche, Bachelorarbeit und dann die Zusatzmodule, aber  mit viel Elan und Freude empfiehlt und lohnt es sich auf jeden Fall.

Schaffer Beim Abschlusspraktikum habe ich mich sehr sicher gefühlt. Ohne die Zusatzmodule würde ich mich auf meinen Berufseinstieg deutlich weniger gut vorbereitet fühlen. Schon nur deshalb lohnt sich der Aufwand.

Könnten Sie sich vorstellen, zu einem späteren Zeitpunkt den Masterstudiengang Schulische Heilpädagogik zu absolvieren? Camp Zuerst möchte ich Erfahrungen als Lehrperson sammeln. Danach könnte ich mir dies sehr gut vorstellen. 

Alle sechs nicken einvernehmlich.