Relevanz und Übersicht
Krieg betrifft uns alle – auch die Lernenden. Wir sind täglich mit Nachrichten und Bildern aus kriegsbetroffenen Gebieten konfrontiert. Doch Krieg ist nicht nur in den Medien präsent, sondern auch im Alltag: beim Einkaufen, wenn die Preise steigen, im Gespräch mit Nachbarinnen und Nachbarn oder ganz konkret in der Schule, etwa bei der Beschulung geflüchteter Kinder. Die Lernenden sind diesen Einflüssen nicht entzogen. Sie stellen Fragen und möchten verstehen. Manchmal entstehen dabei auch Gefühle wie Angst oder Wut.
Dieses IdeenSet möchte Lehrpersonen dabei unterstützen, mit solchen Fragen, Sorgen oder Konflikten im Klassenzimmer oder Schulumfeld sensibel umzugehen. Es greift die Anliegen der Lernenden auf und hat zum Ziel, über Krieg aufzuklären und friedensfördernde Perspektiven zu eröffnen.
Im Zentrum steht der Wissensaufbau zu den Themen Krieg und Frieden. Zu einem späteren Zeitpunkt eröffnen Vertiefungsaufgaben die Möglichkeit, den Nahostkonflikt zu thematisieren.
Das IdeenSet wird etappenweise konzipiert und erweitert.
Vorstellungen und Vorkenntnisse
Die Entwicklungs- und Medienpsychologin Anne Geneits besagt, dass Kinder ein anderes Verständnis von Krieg als Erwachsene haben. Es ist eng mit dem persönlichen Weltverständnis verknüpft. Wesentlich dabei ist die kognitive Entwicklung sowie die Entwicklung der moralischen Urteilsfähigkeit. Neben dem Alter sind auch kulturelle sowie mediale Einflüsse, historisches Wissen und Sozialisation massgebend für die Konzeptualisierung von Krieg. Ganz abgesehen davon hat die eigene Betroffenheit, den grössten Einfluss auf die Vorstellung von Krieg. Viele Kinder, die Krieg selbst erlebt haben, leiden an körperlichen, psychischen und psychosozialen Folgen.
Der Psychologe Peter Cooper (1965) fand heraus, dass Kinder im Alter von sechs bis acht Jahren Krieg vor allem mit Objekten verbinden (z.B. Waffen, Flugzeuge oder Schiffe) oder aber mit Handlungen. Staaten, die Krieg führen werden meist in «die Guten» und «die Bösen» eingeteilt. Wobei die Partei, welche den Krieg scheinbar beginnt als «die Bösen» beurteilt wird. Die Psychologen A. Jacob & H.D. Schmidt (1988) konnten diese Feststellung bestätigen und erweiterten, dass erst mit steigendem Alter den Kindern die negativen Folgen von Krieg bewusstwerden. Ebenso bestätigt der Sozialpädagoge Robin Hall (1993) die Ergebnisse von Cooper (1965). Sieben- und Achtjährigen nennen Gewalt als Hauptmerkmal von Krieg. Die Elf- und Zwölfjährigen benennen (emotionale) Konsequenzen und Kriegsursachen. Bereits ab dem Alter von sieben bis acht Jahren sind die Kinder in der Lage, Ursachen von Krieg zu benennen: z.B. Kampf um Ressourcen und Territorium. Ab einem Alter von neun bis zehn Jahren wird dies zunehmend als Kampf um Überlegenheit und Macht abstrahiert und verallgemeinert.
Cooper konnte vier Vorstellungen von „Frieden“ bei Kindern und Jugendlichen ausmachen: 1. Frieden wird als Abwesenheit von Krieg verstanden (negativer Frieden), 2. Frieden als gemeinschaftliches und soziales Handeln (Freundlichkeit, Kooperation, usw.), 3. Aussöhnen sowie internationale Kooperation, mit dem Ziel Krieg zu vermeiden, 4. Frieden wird mit den Aspekten Untätigkeit, Beschaulichkeit und Ruhe verbunden. Die Pädagogin Ilse Hakvoort und der Entwicklungspsychologe Louis Oppenheimer kommen zum Schluss, dass unterschiedliche Vorstellungen von Krieg und Frieden kulturell bedingt sein können.
Methodische Ausrichtung
Das IdeenSet verfolgt den Ansatz, dass den Lernenden zuerst Begrifflichkeiten geboten werden, um einen Austausch über Krieg und Frieden zu ermöglichen. Dies soll sie dabei unterstützen Sachverhalte zu verstehen und sie einzuordnen. Zugleich soll es auch aufzeigen, wie komplex die Thematik ist. Die Lernenden sollen Gründe für den Krieg, seine Folgen und die Bedeutung Frieden aus verschiedenen Perspektiven erkunden. So soll binärem Denken entgegengewirkt und die Vielschichtigkeit von Kriegen sichtbar gemacht werden. Die Werte und Normen der Lernenden werden durch diese multiperspektivische Herangehensweise, ebenso wie durch philosophische Gespräche herausgefordert.
Das IdeenSet fokussiert sich auf folgende Kompetenzen:
NMG 10 Gemeinschaft und Gesellschaft - Zusammenleben gestalten und sich engagieren
NMG 11 Grunderfahrungen, Werte und Normen erkunden und reflektieren
Wichtige Hinweise: Es ist wichtig, dass alltägliche Konflikte und Krieg nicht gleichgesetzt werden. Natürlich kann diese Parallele helfen, Verständnis zu fördern, da die Lernenden alle schon einen Konflikt erlebt haben. Dennoch ist es wichtig zu unterscheiden, dass im Krieg die Handlungsmacht der Einzelperson sehr eingeschränkt ist. Eine Gleichsetzung würde bedeuten, dass die Zivilbevölkerung für Krieg und Gewalt zur Rechenschaft gezogen werden kann, was einer Diskriminierung und ungerechtfertigten Bestrafung der Betroffenen gleichkäme. Ausserdem soll kein negativer Friedensbegriff (Abwesenheit von Krieg) etabliert werden. Denn dieser wird der Thematik nicht gerecht und lässt keine Handlungsoptionen für den Einsatz für Frieden offen. Kinder verarbeiten Beobachtetes oder Erlebtes oft durch Imitation (Spiel). So kann es sein, dass Lernende auch in der Schule Krieg spielen. Statt dies sofort zu unterbinden, ist es hilfreicher, das Spielverhalten aufzugreifen und zu thematisieren.
Lerngegenstand und thematische Schwerpunkte
Schwerpunkt | Fragen | Inhalt |
Krieg |
Was ist Krieg? Warum gibt es Krieg?
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Begriffe kennenlernen, verstehen und einordnen. Verstehen, dass es verschiedene Auslöser für Krieg gibt. Erkennen, dass jeder Krieg multiperspektivisch ist und die Einteilung in Gut und Böse schwierig ist. Die verschiedenen Auswirkungen von Krieg, auf Menschen und Umwelt kennenlernen. |
Frieden | Was ist Frieden? | Philosophieren über den Frieden. Erkennen, dass der Frieden nicht automatisch eintritt, wenn der Krieg vorbei ist. Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg. Nachdenken, wie fühlt sich Frieden für mich an. |
Organisation
Es ist zu bedenken, dass die Lernenden unterschiedliche Erfahrungen mit der Thematik wie Krieg, Gewalt, Tod, usw. gemacht haben. Gerade bei direkt betroffenen Kindern kann das Thematisieren im Unterricht starke emotionale Reaktionen auslösen. Daher ist es sinnvoll, mit den Lernenden und bei Bedarf auch mit den Eltern abzuklären, wie eine produktive Bearbeitung der Thematik möglich ist. Die Ängste und Sorgen der Lernenden müssen ernst genommen werden. Es kann hilfreich sein mit den Lernenden ein Zeichen zu vereinbaren, womit sie signalisieren können, wenn sie eine Pause, ein Gespräch oder Hilfe benötigen.
Quellen
- Geneits Anne, 2005: Zur Entwicklung des kindlichen Verständnisses von Krieg. In: Wissenschaft und Frieden 2005/4.
- Kallweit Nina 2019: Kindliches Erleben von Krieg und Frieden. Eine phänomenografische Untersuchung im politischen Lernen des Sachunterricht. Springer Fachmedien. Wiesbaden. S. 80-85.
- Alle Bilder wurden mit Zuhilfenahme von GMLS erstellt.