Didaktischer Kommentar

Mädchen im Rollstuhl

Kontakte – die natürlichste Sache der Welt

Aufgrund fehlender Kontaktmöglichkeiten haben Jugendliche, ihre Eltern und auch Lehrpersonen kaum Erfahrungen mit inklusiven Settings. Oftmals sind Ängste, Überforderungsgefühle oder Vorurteile vorhanden. Solche Einstellungen sind jedoch nicht naturgegeben. Sondern sie bilden das Ergebnis von komplexen Sozialisationsprozessen. In einer nach wie vor weitgehend segregativen Gesellschaft bieten sich nur eingeschränkte Kontaktmöglichkeiten an.

Aus der Wissenschaft ist bekannt, dass Vorurteile äusserst hartnäckig sind. An Vorurteilen wird festgehalten. Erst wenn das Umfeld ein Umdenken verlangt, wird ein Vorurteil überdacht. Kontakte können einen Beitrag zu einem solchen Umdenken bieten. Aus der Wissenschaft ist bekannt, dass sich Kontakte – insbesondere das kooperative Arbeiten mit einem gemeinsamen Ziel – positiv auf die Entwicklung von Einstellungen, zum Beispiel auf Vorurteile, auswirken können.

Erkenntnisse aus der Forschung

In der Tradition der Kontakthypothese wurden in den vergangenen Jahrzehnen Hunderte von Untersuchungen durchgeführt. Dabei wurde auf die Wirkungen von Kontakten zwischen ganz unterschiedlichen Gruppen fokussiert. So gibt es z.B. eine lange Tradition, welche Kontaktwirkungen zwischen Angehörigen unterschiedlicher ethnischen und kulturellen Gruppen untersucht. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden IdeenSet interessieren uns vor allem die Auswirkungen von Kontakten zwischen Jugendlichen mit und ohne Behinderung.

Aus der Forschung (vgl. Eckhart 2005) wissen wir,

  • ...dass in der deutlichen Mehrzahl der Untersuchungen sich Kontakt positiv auf die Entwicklung von Einstellungen auswirkt.
  • ...dass je nach Art der Behinderung die Wirkung des Kontaktes eine sehr unterschiedliche sein kann. Am ungünstigsten ist die Kontaktwirkung bei Verhaltensauffälligkeiten, günstiger dagegen wenn Behinderungen oder das Anderssein durch äussere Faktoren erklärt werden kann (z.B. Kinder mit Trisomie 21, mit Körperbehinderungen u.a.m.)
  • ...dass die Kontakthäufigkeit alleine nicht genügt, um Vorurteile abzubauen.
  • ...dass alleine mit Kontakten auch das Gegenteil erreicht werden kann.
  • ...dass nicht nur der quantitative Aspekt des Kontaktes, sondern vor allem der qualitative Aspekt berücksichtigt werden muss.

Bedingungen eines erfolgreichen Kontakts

Weil Kontakte nicht automatisch positiv wirken, wurde in vielen Untersuchungen nach positiven Kontaktbedingungen gesucht. Wie muss ein Kontakt eingebettet sein, wenn positive Wirkungen auf den Abbau von Vorurteilen erzielt werden sollen. Herauskristallisiert haben sich drei wichtige Bedingungen:

  1. Jugendliche sollen sich in der Kontaktsituation als gleichwertig erleben. Es sollen keine äusserlichen Statusunterschiede entstehen. (Statusgleichheit)
  2. Jugendliche sollen gemeinsam an wichtigen Aufgaben arbeiten um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. (Kooperation)
  3. Jugendliche sollen sich in einer Kontaktsituation erleben, die von der Öffentlichkeit und der Lehrperson sowie Schulleitung unterstützt und mitverantwortet wird. (Öffentliche Unterstützung).

Neben diesen drei Kernbedingungen haben sich weitere Aspekte gezeigt, welche die Wirkung des Kontakts positiv beeinflussen:

  • Intensität des Kontaktes: Nicht nur die Quantität sondern vor allem die Qualität des Kontaktes ist entscheidend.
  • Emotionale Einbettung des Kontakts: Kontakte müssen in eine stimmige emotionale Atmosphäre eingebettet sein.
  • Freiwilligkeit des Kontaktes: Erzwungene Kontakte können sich negativ auswirken.
  • Erfreuliche Kontaktsituationen: Kontaktsituationen sind erfolgversprechend, wenn sie von den Beteiligten als angenehm und lohnend empfunden werden.

Didaktische Anregungen

Das IdeenSet "Vielfalt begegnen" zielt darauf ab, Begegnungen zwischen Menschen mit und ohne Behinderung zu fördern. Die darin vorgeschlagenen inklusiven Aktivitäten und Workshops sind speziell für den Unterricht im zweiten und dritten Zyklus konzipiert. Bei der Zusammenstellung wurde besonderes Augenmerk daraufgelegt, eine breite Palette von Interessengebieten abzudecken und gleichzeitig sicherzustellen, dass es sich um hochwertige und ansprechende Angebote handelt. Durch die Teilnahme an diesen inklusiven Aktivitäten wird es möglich gemacht, dass Kinder und Jugendliche verschiedener Hintergründe und Fähigkeiten aufeinandertreffen. Es bietet sich eine einzigartige Gelegenheit, Berührungsängste abzubauen und vorhandene Einstellungen zu hinterfragen sowie das Verständnis für Vielfalt zu fördern und das Miteinander in einer inklusiven Umgebung zu stärken.

Das Hauptziel des IdeenSets "Vielfalt begegnen" besteht darin, Barrieren abzubauen und die Integration von Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft zu fördern. Dabei wird besonderer Wert auf die Qualität und Attraktivität der ausgewählten Aktivitäten gelegt, um sicherzustellen, dass sie sowohl für Schüler als auch für Lehrer ansprechend sind. Die vorgeschlagenen Aktivitäten und Workshops in diesem IdeenSet sind sorgfältig ausgewählt, um verschiedene Interessensbereiche wie Kunst, Sport, Bildung und soziale Interaktion abzudecken. Sie sind so konzipiert, dass sie Schülern die Möglichkeit bieten, ihre Vielfalt zu feiern und gleichzeitig Verständnis und Empathie für Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten zu entwickeln. Diese inklusiven Aktivitäten sind ein Schritt in Richtung einer inklusiveren Gesellschaft, in der Vielfalt als Bereicherung und nicht als Hindernis betrachtet wird.

Gleichzeitig beinhaltet das IdeenSet eine Auswahl an analogen und digitalen Unterrichtsmaterialien, welche sich dazu eignen, die Themen Anderssein und Vielfalt mit den Schüler*innen zu thematisieren, z.B. als Vorbereitung für den Besuch eines inklusiven Workshops. Die vorgeschlagenen Angebote sind fächerübergreifend einsetzbar und eignen sich für verschiedene Unterrichtsformen. Für die Mehrzahl der aufgeführten Medien existieren Arbeitsmaterialien, welche online frei zugänglich sind. Mittels Verlinkungen sind die Medien als auch entsprechendes Arbeitsmaterial rasch auffindbar und können ohne grossen Aufwand in den Unterricht integriert werden.

Grundlage

IdeenSet VielfaltBegegnen Lehrmittel PrinzipVielfalt

Prinzip Vielfalt

Die Stiftung Cerebral, das Institut für Heilpädagogik der PHBern und die LerNetz AG haben ein Lehrmittel entwickelt, das Schülerinnen und Schülern aller Schulstufen einen sachlichen und offenen Zugang zum Thema Behinderung eröffnen soll. Dieses Lernangebot besteht aus einem kostenlosen Lernspiel und einem kostenpflichtigen Printlehrmittel. Das Lernspiel «The Unstoppables» steht im iTunes Store und im Google Play Store als kostenloser Download zur Verfügung.