Sie ist mittlerweile allüberall, wenn es um die reine Verfügbarkeit geht: die Künstliche Intelligenz (KI). Mit Prompts (Fragen und/oder Anweisungen) und mit copy-paste – Kopieren und Einfügen, um mit schnell und ohne Aufwand gefundenen Informationen Aufgaben zu lösen. Zum Beispiel in der Schule.
Wenn es aber um echte Bildungsförderung geht, ist die KI noch nirgends. Das hat auch Marc Eyer festgestellt, Leiter des Instituts Sekundarstufe II. Er und der eigens dafür angestellte Wolfgang Spahn tüfteln deshalb seit rund einem Jahr an einem sogenannten KI-Tutor.
Mittel zum Zweck
"KI einfach so auf die Schüler loszulassen, ist nicht a priori förderlich für Bildungsprozesse", erklärt Eyer. "Also fragen wir uns, wie man damit arbeiten kann, sodass die Bildung wirklich gefördert wird." Mit dem KI-Tutor gibt es dafür ein wichtiges Hilfsmittel, denn das eigentliche Ziel ist später, in einem zweiten Schritt, ein Forschungsprojekt zur KI-sensitiven Pädagogik zu lancieren. Um mit dieser Art von Pädagogik Wissen wirklich zu verankern.
Doch zu Schritt eins. Beim KI-Tutor handelt es sich um eine Software, welche mögliche Unterrichts- bzw. Lernsituationen zu verschiedenen Themengebieten abbildet (etwa Physik und Französisch). Sie tritt mit den Schülerinnen und Schülern in einen Lerndialog. Kein simples Frage-Antwort-Spiel also, sondern ein ausgefeiltes, interaktives Tool: bereit, Reaktionen aufzunehmen, das virtuelle Gespräch entsprechend anzupassen und durch die Evaluation des Dialogs mittels einer Einstufung sowohl dem Schüler als auch seiner Lehrerin eine Standortbestimmung zu ermöglichen.
"Zentral ist somit, wie die Jugendlichen damit umgehen. Und was es daraus abgeleitet für sinnvolle Einsatzmöglichkeiten gibt, um Lernprozesse zu initiieren, zu begleiten und zu evaluieren", führt Projektleiter Wolfgang Spahn aus. Als Vorbereitung für ein geplantes Forschungsprojekt sollen bald Versuche mit mehreren Schulklassen stattfinden. Wie erwähnt: als Mittel zum Zweck. "Es ist nicht geplant, den KI-Tutor künftig als kommerzielles Produkt an den Schulen einzusetzen, was wir als Pädagogische Hochschule im Übrigen ohnehin nicht dürften", betont Spahn. "Es geht uns um die Forschung, denn in einigen Jahren wird diese Art von Tools im Schulunterricht regelmässig zum Einsatz kommen. Deshalb befassen wir uns jetzt damit."
Pionierarbeit
Mit diesem Ansatz beschreitet die PHBern Neuland unter den Pädagogischen Hochschulen der Schweiz. Andernorts steht im Vordergrund zu evaluieren, was sich mit bereits bestehenden KI-Lösungen im Klassenzimmer machen lässt.
Die grösste Gefahr beim unreflektierten Einsatz von Künstlicher Intelligenz bestehe darin, dass sie der disfunktionalen Bildungsentwicklung Vorschub leiste, sagt Marc Eyer. "Stattdessen muss das eigene Denken gefördert werden." Macht dies Lehrpersonen letztlich überflüssig? "Nein", entgegnet der Institutsleiter. Der KI-Tutor konzentriere sich auf vier Erkenntnisebenen: Schlussfolgerungen, mathematische und physikalische Grundkenntnisse, Konzeptverständnis und Textverständnis. "So kann man für jeden Schüler und jede Schülerin feststellen, wo die Stärken und Schwächen liegen. Die Lehrperson mit ihren limitierten Ressourcen erhält folglich Unterstützung, um (noch) besser individuell auf die einzelnen Lernenden einzugehen. Es braucht sie somit unbedingt weiterhin."