Was passiert, wenn sich Literatur, Lehrpersonenausbildung und ein Festival zusammentun? Digitales Unterrichtsmaterial für die Schulen. Studierende der PHBern haben für das Jugend- und Kinderliteraturprogramm (JuKiLi) der Solothurner Literaturtage 2025 multimediale Unterrichtseinheiten zu drei Schweizer Romanen entwickelt, einer davon ist "Tabak und Schokolade" von Martin R. Dean. Die beiden anderen Romane, die von Studierenden für die Plattform Jugend- und Kinderliteratur aufgearbeitet werden, sind "Fucking fucking schön" von Eva Rottmann und Flurin Jeckers "Santa Tereza".
Im Zentrum des Romans "Tabak und Schokolade" steht ein Ich-Erzähler – Sohn eines Vaters aus Trinidad und einer Schweizer Mutter – und seine Suche nach Zugehörigkeit, Identität und Selbstbestimmung. Der Ich-Erzähler berichtet über Gefühle der Entwurzelung, Erfahrungen mit Rassismus und Ausgrenzung oder über Liebe und Beziehungskonflikte. Genau hier setzen die Studierenden an: Auf der eigens erstellten Webseite kann das jugendliche Publikum zwischen Schreib- und Rechercheaufträgen, Diskussionsgrundlagen und interaktiven Übungen auswählen. Behandelte Themen sind beispielsweise Migration, die Kolonialgeschichte der Schweiz, Generationenkonflikte und Familie, Diskriminierung und "Weiss-Sein".
Kreative Freiheit nutzen
Das Projektziel des Dreierteams war klar: "Wir wollten zeigen, wie vielfältig ein Buch im Unterricht genutzt werden kann – über die klassischen Leseaufträge hinaus", sagt PHBern-Student Livio Cadosch. So oder so, gelernt hätten sie alle viel. Zum Beispiel "Lehrmittel in Zukunft mehr zu schätzen. Ich bin mir jetzt bewusst, wie viele Dinge es zu bedenken gibt oder wie viel nur schon das Design ausmacht", verrät Denisa Sallahu, PHBern-Studentin und Mitgestalterin.
In der Umsetzung des Materials waren Livio Cadosch, Denisa Sallahu und Rifka von Känel sehr frei. Das brachte auch unerwartete Herausforderungen: "Wir mussten uns zuerst überlegen, was wir überhaupt aufgreifen wollen und wie wir das Material strukturieren", beschreibt Rifka von Känel den kreativen Prozess. "Wir wussten anfangs gar nicht so genau, worauf wir uns da eingelassen haben. Die Zusammenarbeit mit den Literaturtagen klang spannend und hat uns motiviert, das Beste aus dem Projekt herauszuholen – auch um Lehrpersonen gutes Material für den Unterricht zu bieten", ergänzt Rifka von Känel.
Direkter Austausch
Ein zentrales Element des Projekts ist der direkte Austausch mit den Literaturschaffenden. Die Studierenden führten Interviews und erhielten so tiefere Einblicke in die Entstehung der Bücher. Livio Cadosch fand es "unglaublich spannend, mit Martin R. Dean direkt über sein Buch sprechen zu können. Dadurch gewann ich einen ganz neuen Blick auf sein Werk." Der Autor selbst sieht sein Buch als Beitrag für die Zukunft. "Es ist nicht nur ein Text über mich. Es ist ein Text, der hilft, die Schweiz als Teil einer globalen Geschichte zu begreifen – mit all den kolonialen Spuren und Nachwirkungen, die oft übersehen werden. Wenn die Schule solche Perspektiven aufnimmt, ist das ein wichtiger Schritt." Er betont dabei, wie wichtig die Kontextualisierung ist: Die Erfahrungen seiner Figuren stehen exemplarisch für gesellschaftliche Brüche und Ausschlüsse, wie sie auch heute noch wirken.
Martin R. Dean, selbst langjähriger Lehrer an einem Gymnasium, lag die direkte Zusammenarbeit offensichtlich am Herzen. An einem Kolloquium nahm er selbst teil und gab Feedback zum Entwurf der Webseite. "Ich bin sehr beeindruckt. Die Studierenden zeigen ein feines Gespür für die beschriebenen Zusammenhänge im Roman und wie sie die Fragestellungen pädagogisch geschickt angehen."
JuKiLi - Jugend- und Kinderliteratur an den Solothurner Literaturtagen
Die Jugend- und Kinderliteratur ist wichtiger Bestandteil des Programms der Solothurner Literaturtage. Jedes Jahr lesen namhafte Literaturschaffende der Schweizer Kinder- und Jugendbuchszene in Solothurn aus ihren Neuerscheinungen.
Das Projekt Unterrichtsvorschläge fürs Klassenzimmer ist eine Initiative zur Vermittlung von aktueller Kinder- und Jugendliteratur im Unterricht und bietet didaktisch fundierte, digitale, fächerübergreifende Materialien zu ausgewählten Werken. Es besteht seit 2021 und ist eine Zusammenarbeit der Solothurner Literaturtage mit der Pädagogischen Hochschule Bern, der Pädagogischen Hochschule FHNW sowie dem hep Verlag. Begleitet werden die PHBern-Studierenden von Nina Ehrlich, Leiterin Institut Sekundarstufe I, und Oliver Käsermann, Dozent an der PHBern. Sie haben die Zusammenarbeit mit den Solothurner Literaturtagen vor mehr als vier Jahren ins Rollen gebracht.
Bereits vom 26. bis 28. Mai 2025 gibt es im Rahmen der Jugend- und Kinderliteraturtage (JuKiLi) ein breites Angebot für Klassen vom Kindergarten bis zur Oberstufe.
Mehr über das JuKiLi erfahrenAus der Hochschule – für die Schule
"Ich finde es nach wie vor toll, als zukünftiger Lehrer so viele unterschiedliche Themen im Unterricht aufgreifen zu können. Und diese Freude wollte ich durch unsere Webseite weitergeben", erklärt Livio seine Motivation, um am Projekt überhaupt mitzumachen. Entstanden sind innovative und praxisnahe Materialien für die Schule. Die Studierenden haben von Grund auf ein Lehrmittel gestaltet – mit grossem Engagement, frischer Herangehensweise und viel Freude am literarischen Arbeiten.
Das aktuelle Unterrichtsmaterial wird pünktlich zum Jugend- und Kinderliteraturprogramm der Solothurner Literaturtagen im Mai 2025 veröffentlicht und ist ab dann auf der Webseite verfügbar. Bis dahin gilt: Ein Blick in die bereits verfügbaren Unterrichtsmaterialien lohnt sich. Stöbern Sie gut!