Eltern wollen ihre Kinder beim Lernen unterstützen, wissen jedoch oft nicht genau wie. Selbstgesteuertes Lernen (SRL) befähigt Schülerinnen und Schüler dazu, ihre Lernprozesse eigenständig zu planen, durchzuführen und zu reflektieren. Die PHBern-Forschungsstudie SEGEL zeigt, dass Eltern, die den Lernprozess unterstützend begleiten, einen positiven Einfluss auf die Leistungsentwicklung haben können.
Elterntraining zeigt Wirkung
SEGEL untersuchte selbstgesteuertes Lernen in der 5. und 6. Klasse. Dabei wurden einerseits Lehrpersonen speziell geschult, damit sie ein Training zu SRL mit ihren Schülerinnen und Schülern umsetzen konnten. Andererseits erhielten Eltern von 14 zufällig gewählten Klassen ein Kurztraining. Das Ziel war es, die Eltern mit wichtigen Erkenntnissen zu ihrer Rolle als Lernbegleitende vertraut zu machen und ihnen konkrete Tipps zu geben, wie sie das SRL ihrer Kinder zu Hause unterstützen können. Zwar gibt es heute viel weniger oder kaum mehr Hausaufgaben. Dennoch gibt es nach wie vor Lernmomente, die zu Hause stattfinden (z. B. Lernen für eine Lernkontrolle, Musikinstrument spielen). Deshalb ist das Thema elterliche Lernbegleitung nach wie vor bedeutsam.
Das Ergebnis des Trainings: Eltern, die am Elternabend dabei waren, haben laut Studienresultaten ihre Überzeugungen gegenüber dem Lernen und ihr Verhalten bei der Lernbegleitung verändert. Noch mehrere Monate nach dem Training berichteten diese Eltern von weniger Kontrollverhalten und mehr Vertrauen in die Fähigkeiten ihres Kindes. SEGEL wie auch viele andere Studien zeigen, dass elterliche Kontrolle (Prüfen, Abfragen) nicht nur Selbstregulation verhindert, sondern auch zu schlechteren Lernergebnissen führt und die Motivation der Kinder sinken lässt. Es ist also sinnvoll und effektiv, Eltern auf die negative Wirkung von Kontrolle hinzuweisen und förderliche Verhaltensweisen aufzuzeigen.
SEGEL - selbstgesteuertes Lernen fördern
Das Forschungsprojekt SEGEL hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, wie selbstgesteuertes Lernen (SRL) im Schulalltag implementiert und gefördert werden kann. Am Projekt nahmen 757 Schülerinnen und Schüler der 5. und 6. Klasse (total 40 Klassen) während eines Schuljahrs teil. Ziel war es, herauszufinden, wie sich die SRL-Fähigkeiten der Kinder im Laufe der Zeit entwickeln und welchen Einfluss Lehrpersonen und Eltern auf diesen Prozess haben. Ein erwünschtes Resultat der Studie ist, SRL durch gezieltes Training in der Schule zu fördern und dabei auch das Elternhaus in die Begleitung einzubeziehen. Ausführliche Studienergebnisse folgen im Frühjahr 2025.
Elterntraining fördert Chancengleichheit
Erfreulich war, dass der Elternabend sehr gut besucht war – und zwar unabhängig vom Bildungsniveau oder der Erstsprache der Eltern. Das wiederum zeigt, dass ein kostenloses, niederschwelliges Angebot in einem vertrauten Kontext (Klassenzimmer, bekannte Eltern, Anwesenheit der Klassenlehrperson, abends) viele Eltern anspricht. Da alle Elterngruppen gleichermassen erreicht werden konnten, trägt ein solches Training zu mehr Chancengleichheit bei.
Eltern als "stille Leuchttürme"
Das Forschungsteam sensibilisierte im Rahmen des Elternabends die anwesenden Eltern dafür, wie ihr Verhalten oder ihre Einstellungen für den Lernprozess fördernd oder hemmend sein können. Die Botschaften waren klar: Fähigkeiten sind durch Anstrengung veränderbar und keine fixe Grösse. Lernen ist erfolgreich, wenn man es regelmässig und bewusst macht. Und vor allem: Eltern sind eine Art Leuchttürme, die für das Kind da sind, wenn nötig.
Anhand von selbsterstellten Videos wurden unterschiedliche Reaktionsweisen einer Mutter auf eine schlechte Note gezeigt: bemitleiden, schimpfen, strafen oder offene Fragen stellen. Die Wirkung der jeweiligen Reaktionen wurde in Kleingruppen diskutiert, und förderliche Verhaltensweisen wurden hervorgehoben. Zum Beispiel solche, die die Verantwortung oder die Selbstregulation des Kindes unterstützen. Caroline Villiger, Leiterin des Schwerpunktprogramms Familie – Bildung – Schule der PHBern, hat mehrere SEGEL-Elternabende durchgeführt und schildert ihre Beobachtungen. "Die Videos, die wir gezeigt haben, hatten ihre Wirkung. Denn man erkennt sich als Eltern teilweise wieder und überlegt dann, ob man möglicherweise auch schon ähnlich reagiert hat." Ein Elternabend fand in der Klasse von Susanne Rees, Lehrerin 5./6. Klasse in Worben, statt. Sie bestätigt die Beobachtung von Caroline Villiger: "Die Eltern waren sehr interessiert an konkreten Hinweisen, wie sie ihr Kind unterstützen können. Damals war der Lehrplan 21 noch nicht so lange in Kraft, und die Verunsicherung bezüglich des Lernens war gross."
Was ist förderlich?
Das Forschungsteam fand heraus, dass wenig Kontrolle und eine unterstützende Begleitung der Eltern in Hinblick auf Lernen und Anstrengung eine positive Wirkung auf das Lernen der Kinder haben. Edith Niederbacher, Mitglied des Forschungsteams und Dozentin an der PHBern, betont diesbezüglich die Wichtigkeit des Austausches zwischen Lehrpersonen und Eltern. Denn: "Im Rahmen eines Gesprächs kann man als Lehrperson Eltern dafür sensibilisieren, wie wichtig es ist, das Kind in seiner Selbstverantwortung zu unterstützen." Caroline Villigers Empfehlung lautet entsprechend: "Im Gespräch können Eltern das Kind dabei unterstützen, dass es sein Lernen bewusster plant, durchführt und die Ergebnisse danach beurteilt." Beim Lernort gilt: Kinder wissen oft besser, wo sie gut lernen. Das muss nicht am Pult im eigenen Zimmer sein. Ausserdem: Gibt es einen Plan, was wann gelernt wird? Welches Ziel ist angemessen? Macht das Kind regelmässig Pausen? Bei Misserfolgen fragen: Was könntest du das nächste Mal anders machen?
Kurzum: Eltern spielen als Lernbegleitende eine entscheidende Rolle, wie die Studie zeigt. Allerdings erfordert dies einen bewussten Umgang mit der Unterstützung: Es geht nicht darum, den Lernprozess zu dominieren, sondern das Kind zu ermutigen, eigenständig Entscheidungen zu treffen. Damit die Eltern ihre Rolle gut wahrnehmen können, ist es also im Interesse der Lehrpersonen, sie bezüglich SRL zu sensibilisieren. Denn schliesslich möchten alle Beteiligten nur eines: die Kinder in ihrem Lernprozess unterstützen.