Das preisgekrönte Projekt "Likrat" gibt es seit 2002. Ziele sind Dialog und Aufklärung, denn viele Schülerinnen und Schüler in der Schweiz wissen nur wenig über das Judentum. Vor allem aber haben die meisten noch nie jüdische Menschen persönlich getroffen oder gar mit ihnen gesprochen. Daraus können Missverständnisse und Vorurteile entstehen, im schlimmsten Fall Hass und offene Anfeindungen.
Dem wirkt der SIG mit jährlich über 150 Begegnungen in Deutsch- und Westschweizer Schulen entgegen. Er erreicht damit um die 3'300 Kinder und Jugendliche – und neu auch Studierende an der PHBern. Ari Hechel, der an der PH Zürich die Ausbildung zur Lehrperson Sekundarstufe I absolviert, und Samuel Grosz, angehender Student Politik und Geschichte, waren Gäste in einem Seminar des Instituts Sekundarstufe I (IS1). Dieses widmete sich dem Thema Gemeinschaft; ein idealer Rahmen, um für Antisemitismus und den Umgang damit im Unterricht zu sensibilisieren.
Die Sache mit den Geschirrspülern
Die beiden "Likratinos" vermittelten den rund 20 Studierenden, wie und auch wie unterschiedlich sie ihren Glauben leben. So stehen in der elterlichen Küche von Ari zwei Geschirrspüler – einer für Utensilien, die mit Milchprodukten in Berührung kommen, der andere für solche mit Bezug zu Fleisch. Denn beides gilt es nach religiöser Lehre streng voneinander zu trennen. Für Samuel hingegen stellen sich diesbezüglich keine Fragen: Er ernährt sich vegetarisch.
Anhand von herumgereichten Spielzeugtieren erfuhren die künftigen Lehrpersonen, welche Tiere koscher und folglich für Jüdinnen und Juden essbar sind. Zu den weiteren Beispielen aus dem jüdischen Alltagsleben gehörten der Schofar, ein Blasinstrument aus Horn für rituelle Zwecke, sowie der Tallit genannte Gebetsmantel für die Männer. Das gezeigte Exemplar gehörte Aris Ururgrossvater, ermordet in Auschwitz.
"Wir verstecken uns wieder"
In Momenten wie diesen war die Betroffenheit im Raum fast mit den Händen greifbar. Zahlreiche Fragen der künftigen Lehrpersonen kreisten demnach nicht nur um Alltagsthemen – beispielsweise: Was ist am Schabbat, dem wöchentlichen jüdischen Ruhetag, gestattet? –, sondern auch um aktuelle antisemitische Strömungen. Und Samuel und Aris Erfahrungen damit. Obschon die zwei bisher von direkten Feindseligkeiten verschont geblieben sind, wussten sie aus ihrem Umfeld von diversen negativen Erfahrungen zu berichten. Mit dem Fazit, dass sie und ihre jüdischen Freunde es sich mittlerweile gut überlegen, wo, wann und wie sie über ihre Religionszugehörigkeit sprechen oder Symbole wie die Kopfbedeckung Kippa und Halsketten mit dem Davidstern zeigen. In Aris Worten: "Wir verstecken uns wieder."
Aus Sicht der PHBern ist es deshalb wichtig, Diskriminierung und Hassreden in der Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen breit aufzugreifen. Das heisst, verschiedenste Formen und Aspekte anzusprechen, dafür zu sensibilisieren und die Kompetenzen zu stärken. Was ausgewogen, differenziert und sachlich geschieht – gemäss dem politisch und religiös neutralen Selbstverständnis der Hochschule. IS1-Leiterin Nina Ehrlich betont denn auch, dass eine Begegnung mit Vertretungen anderer Glaubensrichtungen in ähnlichem Rahmen willkommen wäre.
Radio SRF berichtet in der Sendung "Rendez-vous" über den "Likrat"-Besuch an der PHBern sowie den neuen Antisemitismusbericht des SIG.