Weshalb Jugendliche Hate Speech verüben

Hassreden sind Gift fürs soziale Miteinander. Welche Faktoren und Beweggründe führen dazu, dass Jugendliche Hate Speech einsetzen? Alexander Wettstein von der PHBern hat in einem internationalen Forschungsteam diese Frage untersucht. Die Studie erschien in der renommierten Zeitschrift Comunicar.
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Alexander Wettstein, welche Forschungslücke wurde untersucht und von wem?
Bisher wurde Hate Speech vor allem im Kontext sozialer Medien untersucht. Über die Verbreitung und über die Gründe für Hate Speech an den Schulen weiss man bisher aber wenig. Diesem Thema haben wir uns in einem internationalen Kooperationsprojekt mit Sebastian Wachs von der Universität Potsdam, Ludwig Bilz von der Technischen Universität Brandenburg und Manuel Gámez Guadix von der Universität Madrid angenommen.

Was ist unter Hate Speech genau zu verstehen?
Hate Speech sind herabsetzende Äusserungen über Menschen auf der Grundlage zugewiesener Gruppenmerkmale, zum Beispiel ethnische Zugehörigkeit, Nationalität, Geschlecht, sexuelle Orientierung, Behinderung oder Religion. Menschen werden also herabgesetzt, weil man sie einer bestimmen Gruppe zuordnet.

Was bewirkt Hate Speech?
Hate Speech schadet den Opfern. Aber auch den Täterinnen und Tätern und der ganzen Gemeinschaft. Die Opfer werden eingeschüchtert und leiden an psychischen Belastungen. Bei den Täterinnen und Tätern führt die Ausübung von Hate Speech nicht zu einer Entspannung, sondern zu einem Anstieg an Hass. In der Gruppe entstehen Feindlichkeit und Misstrauen.

Um Motive für Hassreden einordnen zu können, wurde an der PHBern eine neue Skala entwickelt – MHATE (Motivations for Hate Speech Perpetration Scale). Welche Motive lassen sich unterscheiden?
Die Motive gemäss der MHATE-Skala sind Rache, Ideologie, Gruppenkonformität, Statusverbesserung, Spass und Macht. Für die Auswahl der Kategorien haben wir auf fünfzehn Jahre Forschung auf diesem Gebiet zurückgegriffen.

Was hilft es zu wissen, aus welchen Gründen Jugendliche Hassreden ausüben?
Wenn wir wissen, was die Täterinnen und Täter antreibt, können wir besser intervenieren. Die einen üben Hate Speech aus, weil sie sich bedroht fühlen, andere um Macht aufzubauen und andere wiederum, weil sie sich von der Gruppe unter Druck gesetzt fühlen. Dabei muss man jeweils anders eingreifen. Also an der Situationswahrnehmung arbeiten, mit Präsenz auf Hate Speech reagieren oder aber an den Peernormen in der Klasse arbeiten.

Gibt die Studie Hinweise darauf, was Schulen konkret gegen Hate Speech unternehmen können?
Die bisherigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass es für Schulen zentral ist, die Empathie der Schülerinnen und Schüler zu fördern sowie moralischer Distanzierung und der Bildung negativer Gruppennormen entgegenzuwirken.
Sebastian Wachs entwickelt nun mit seinem Team das Präventionsprogramm HateLess – Gemeinsam gegen Hass für den Einsatz an Schulen.

Video zur Studie

Über Alexander Wettstein

Foto A. Wettstein

Prof. Dr. Alexander Wettstein leitet das Schwerpunktprogramm Soziale Interaktion in pädagogischen Settings am Institut für Forschung, Entwicklung und Evaluation der PHBern. Der ausgebildete Primarlehrer und Schulische Heilpädagoge hat in Psychologie promoviert und zu aggressivem Verhalten von Schülerinnen und Schülern in institutionellen Kontexten habilitiert.