Im Kontext des immer wiederkehrenden Lehrpersonenmangels werden zunehmend auch Lehrpersonen mit Vorberuf für den Lehrerberuf rekrutiert. Gesicherte empirische Erkenntnisse darüber, ob diese Lehrpersonen später im Beruf verbleiben, welche spezifischen Ressourcen und Kompetenzen sie im Vergleich zu Erstberufler und Erstberuflerinnen mitbringen und inwiefern diese in den Ausbildungsgängen berücksichtigt werden sollen, sind bisher jedoch rar.

Ziel des Projekts „Berufsleute als Lehrpersonen I: Ressourcen und Berufsverläufe von Berufswechslerinnen und Berufswechslern in den Lehrberuf“ ist es daher, Berufswechselnde in den Lehrerberuf und Erstberufler und Erstberuflerinnen längsschnittlich zu untersuchen.
 
Vorgehen

Das Projekt knüpft an zwei frühere Studien an, in denen PH-Studierende mit Vorberuf nach ihrer Berufsmotivation und ihren personalen Ressourcen befragt und mit  Erstberufler und Erstberuflerinnen verglichen wurden (Weinmann-Lutz, 2006). Im aktuellen Projekt wurden nun dieselben Probanden mehrere Jahre nach der Diplomierung erneut kontaktiert und mittels Fragebogen und Leitfadeninterviews zu folgenden Themen befragt:

  • Berufsverlauf im Lehrberuf: Berufseintritt nach Diplomierung, Pensenreduktionen, Ausstiegsabsichten, effektiver Ausstieg
  • Berufszufriedenheit
  • Selbstwirksamkeitserwartungen
  • Berufliche Belastung und Beanspruchung
  • Wahrgenommene Kompetenzen
  • Soziale Ressourcen

Diese Befunde ermöglichen Erkenntnisse über die spezifischen Ressourcen und Berufsverläufe von Berufswechselnden im Vergleich zu Erstberufler und Erstberuflerinnen, über das Zusammenspiel der oben aufgelisteten Einflussfaktoren in diesem Kontext und schliesslich darüber, welche Berufswechselnde mit höherer Wahrscheinlichkeit im Beruf verbleiben. 

Methodik

Das Projekt umfasst drei Teile: Eine quantitative Befragung per Fragebogen, qualitative Interviews und Fokusgruppengespräche.

Fragebogen

Für die quantitative Befragung wurden ca. 1000 PH-Studierende angefragt, welche in den Jahren 2005-2007 diplomiert wurden. Ziel war es, möglichst viele Personen, die bereits an einer Vorgängerstudie teilgenommen haben, für das Projekt „Berufsleute als Lehrpersonen I“ zu rekrutieren. Dadurch können wir genügend Informationen gewinnen, um Aussagen zu Prädiktoren der Berufszufriedenheit, der beruflichen Belastung und den Ressourcen zu treffen. Zusätzlich zu der längsschnittlichen Erfassung der Teilnehmenden aus dem Vorgängerprojekt, wurden auch weitere Personen querschnittlich erfasst.

In den Vorgängerstudien wurden signifikante Unterschiede in den Selbstwirksamkeitserwartungen zwischen Lehrpersonen mit und ohne Vorberuf gefunden, was darauf hinweist, dass Berufswechselnde spezifische Ressourcen mitbringen und womöglich auch eine differenzielle professionelle Entwicklung durchlaufen.

Bei den Vorgängerstudien handelt es sich um die Projekte von Weinmann-Lutz (2004, 2006). Weinmann-Lutz hat in ihren Projekten Studierende der PHBern zu Beginn und bei Abschluss ihres Studiums befragt. Weitere Informationen zu den Projekten von Weinmann-Lutz finden Sie in ihrem Buch.

Für die Skalendokumentation zur Fragebogenstudie klicken Sie hier.

Interviews

Die qualitative Erhebung besteht aus zwei Teilen: den Leitfaden-Interviews und den Fokusgruppen.

In den Leitfaden-Interviews wurden die in der quantitativen Erhebung gewonnen Erkenntnisse vertieft behandelt. Im Zentrum stehen die Themenfelder Berufsausstieg/-verbleib, Herausforderungen in den ersten Berufsjahren und der Nutzen des Vorberufs/Erstberufs. Es wurden 23 halb standardisierte Leitfadeninterviews mit Lehrpersonen mit Vorberuf, die an der quantitativen Befragung teilgenommen haben, durchgeführt .

Die Fokusgruppengespräche hatten zwei Hauptziele. Aus der Perspektive der Lehrpersonen mit Vorberuf sollten die Befunde der quantitativen und qualitativen Erhebungen, welche sich zu diesem Zeitpunkt im Forschungsprozess bereits als Tendenzen einer Gesamtbeurteilung erkennen liessen, diskutiert und validiert werden. Zum anderen sollten so mit betroffenen Personen für die Thematik und das Praxisfeld relevante Entwicklungsperspektiven herausgearbeitet und mindestens ansatzweise formuliert werden. Diese konnten den Praxistransfer der Forschungserkenntnisse unterstützen und damit den Nutzen der Forschungsvorhaben für die Praxis insgesamt entscheidend erweitern.

Beide Ziele wurden im Rahmen von zwei Fokusgruppengespräche von ca. 90 Minuten Dauer bearbeitet werden. Dafür wurden den je 6-8 Teilnehmenden die zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Befunde zur Diskussion und Validierung vorgelegt.

Projektphasen

Der Projektbarometer zeigt die verschiedenen Projektphasen und die vorgesehene Zeit für die einzelnen Aufgaben auf.

20191112_projektbaromenter_IFE

Grün: Vorbereitungsphase

Gelb: Durchführungsphase

Orange: Dateneingabe

Rot: Datenauswertung

Dunkelrot: Berichterstattung

Ergebnisse

Fragebogenuntersuchung

Insgesamt haben 400 Personen an der schriftlichen Befragung teilgenommen. Ursprünglich wurden 912 ehemalige LLB- und PH-Studierende, deren Diplomierung zwischen 2004-2007 lag, per Post oder per E-Mail angeschrieben. Der Rücklauf beträgt somit 44%, was für eine Fragebogenuntersuchung höchst erfreulich ist.  
79% der Befragten sind Frauen, 21% Männer mit einem Durchschnittsalter von 34.36  Jahren (Standardabweichung: 6.34 Jahre). Die meisten (n = 250, 63.5%) haben vor dem Studium an der PHBern keinen anderen Beruf erlernt. Die anderen 36.5% sind Berufswechsler/innen, sie gaben nämlich an, vor dem PH-Studium einen anderen Beruf erlernt zu haben. Davon haben 84.1% auf diesem Vorberuf gearbeitet.

Schaut man sich die Unterschiede zwischen den Geschlechtern an, so ergibt sich folgendes Bild (vgl. Grafik 1): 31.2% der weiblichen Stichprobe hat einen Vorberuf und für 68.8% stellt der Lehrberuf die Erstausbildung dar. Bei den Männern ist der Anteil der Berufswechsler höher, nämlich 58.8% und 41.2% haben keinen Vorberuf.

20191112_berufsleuteI_IFE

Interviews

Von 135 Personen, die auf dem Fragebogen angegeben haben, dass sie Interesse an einem Interview haben, wurden 23 Berufswechsler und Berufswechslerinnen ausgewählt. Die 23 Personen sind durchschnittlich 40.8 Jahre alt (Standardabweichung: 9), 13 davon sind weiblich und 9 sind bereits wieder aus dem Lehrberuf ausgestiegen. Die Auswertung erfolgt nach der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2003) und in Anlehnung an Kuckartz (2012). Zu diesem Zweck wird eine Kombination aus einem induktiv und deduktiv hergeleiteten Kategoriensystem eingesetzt.

Analysen

Mit den Auswertungen der Fragebögen und der Interviews möchten wir folgenden Fragen auf den Grund gehen:

  • Wie viele der befragten Lehrkräfte sind 7-10 Jahre nach der Diplomierung noch im Beruf verblieben, wie viele sind wieder ausgestiegen – und zu Gunsten welcher neuen Karriere? Unterscheiden sich Lehrpersonen mit und Vorberuf in ihren Karriereverläufen?
  • Wie schätzen Lehrkräfte mit Vorberuf ihre Berufsanforderungen ein und wie kompetent, zufrieden bzw. belastet fühlen sie sich im Beruf?
  • Wie haben die Lehrkräfte mit Vorberuf die ersten Jahre als Lehrer/innen erlebt, welche Herausforderungen haben sich ihnen gestellt und welche Rolle spielten dabei ihre Kompetenzen, die sie aus dem Vorberuf mitbringen?

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse zu diesen drei Fragen finden sie hier:

Dokumente