"Ich möchte den Kindern weltoffen begegnen"

Joel Struchen mag es abwechslungsreich – und bisweilen abenteuerlich. Der gelernte Mediamatiker war als Biketourenleiter in Frankreich, als Bauer in Russland und im Service einer Bündner Skihütte tätig. Nun studiert er an der Pädagogischen Hochschule PHBern und freut sich auf seinen Lehreralltag.

Herr Struchen, Sie starteten mit einer Ausbildung als Mediamatiker ins Berufsleben. Wie kam das genau?

Weil mich vieles interessierte, schnupperte ich in der Oberstufe eine ganze Reihe von Berufen. Der Mediamatiker gefiel mir von Anfang an. Da ich keine Lust mehr auf Schule hatte, absolvierte ich jedoch zuerst ein Bauernlehrjahr im Welschland, wo ich mich austoben und neue Kraft schöpfen konnte. Danach begann ich eine Lehre als Mediamatiker. In der Lehrzeit realisierte ich, dass mir die Arbeit am PC auf die Dauer zu monoton wurde. Dennoch war die Ausbildung eine gute berufliche Grundlage.

Nach der Lehre arbeiteten Sie als Leiter von Biketouren. Warum? Und: Wie gefiel Ihnen dieser Job?

Während der Lehre nahm ich regelmässig an Radrennen teil. Wir verbrachten das Trainingslager jeweils in einem Hotel in Frankreich. Der Betrieb suchte gerade Leiter für seine Biketouren. Ich meldete mich und hatte Erfolg. Diese Arbeit gefiel mir überaus gut. Ich mochte es, draussen zu sein und Velo fahren zu können. Zudem konnte ich den Teilnehmenden etwas beibringen. Sie zeigten mir, dass sie meine Arbeit schätzten.

Wie ging es weiter?

In mir reifte allmählich der Wunsch, Lehrer zu werden. Um die nötigen Voraussetzungen zu erfüllen, absolvierte ich in der Folge die Passerelle. Danach musste ich mich zwei Augenoperationen unterziehen. Da die Prognosen unklar waren, ging es mir in dieser Zeit nicht so gut. Ich musste lange liegen. Als es mir wieder besser ging, wollte ich wieder in die Welt hinaus. Ich begann, im Service einer Skihütte in St. Moritz zu arbeiten. Anschliessend begab ich mich nach Russland. Ich reiste und arbeitete zwei Monate lang bei Schweizer Bauern südlich von Moskau. Später unternahm ich eine weitere Reise entlang der historischen Seidenstrasse.

Seit September 2016 studieren Sie an der PHBern. Wie gefällt Ihnen Ihr Studium?

Es gefällt mir gut, wobei ich sagen muss, dass ich vor allem für die Praktika brenne. Ich bin eben ein praktischer Mensch, der gerne anwendet, was er gelernt hat. Ich mag es, bei den Schülerinnen und Schülern zu sein und dieses und jenes auszuprobieren. Diesen Raum gibt man uns im Studium auch. Ich schätze den Wechsel zwischen Theorie und Praxis. Was den theoretischen Studienalltag betrifft, gibt es viele interessante Seminare. Geschichte und Geografie sind meine liebsten.

Welche Praktikumseinsätze haben Sie bereits hinter sich?

Mehrere. Der längste dauert ein ganzes Semester und beinhaltet die Möglichkeit, das Praktikum zur Hälfte im Ausland zu absolvieren. Davon machte ich natürlich Gebrauch und unterrichtete drei Monate an der deutschen Botschaftsschule in Teheran. Das war eine überaus eindrückliche Zeit.

Sie absolvieren den Studiengang Sekundarstufe I. Das heisst, Sie werden künftig Schülerinnen und Schüler vom 7. bis 9. Schuljahr unterrichten. Was gab den Ausschlag für diese Stufe?

Ich mag zwar auch die Arbeit mit den kleinen Kindern. Das hat mir eine kurze Stellvertretung auf der Primarstufe gezeigt. Aber mir entsprechen die älteren Schülerinnen und Schüler  einfach mehr. Man kann ihnen auf der Oberstufe coole Inhalte vermitteln, man kann diskutieren und sich mit dem Stoff auseinandersetzen. Der Unterricht ist fachlich anspruchsvoller, und die Schülerinnen und Schüler sind in einem spannenden Alter. Ich kann sie im Berufswahlprozess begleiten.

Sie schliessen Ihr Studium dieses Jahr ab. Freuen Sie sich auf Ihren Berufsalltag?

Ja, ich freue mich darauf, Lehrer zu sein. Ich möchte den Kindern weltoffen begegnen und sie ermuntern, über den berühmten Tellerrand hinauszuschauen. Sie sollen lernen,  einen Sachverhalt von verschiedenen Seiten her zu betrachten und auch den gegenseitigen Standpunkt wahrzunehmen. Das ist nötiger denn je.

Der Artikel erschien im März 2020 in der Bildungsbeilage "Einsteiger". Das Interview wurde von Peter Brand geführt.