Der Nachbar aus 5'000 Kilometer Entfernung

Simon Steiner hilft dem geflüchteten Nasir Majid, Deutsch zu lernen. Unter bestimmten Bedingungen können Studierende des Instituts Sekundarstufe I ein solches Engagement an einen Teil des Praktikums 4 anrechnen lassen. Möglich macht es das Projekt "Bildung ohne Grenzen" (BoG) der PHBern. Mittlerweile sind der PHBern-Student und der äthiopische Flüchtling schon fast Freunde.
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Foto von Nasir und Simon Steiner am Deutsch-Lernen.

Simon Steiner (rechts) , Student am Institut Sekundarstufe I, übt mit dem äthiopischen Flüchtling Nasir Majid Deutsch.

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Im letzten Praktikum des Studiengangs Sekundarstufe I, dem Praktikum 4, können individuelle Schwerpunkte gesetzt werden. "Wo will ich mich vertiefen? Wo fehlt mir noch Wissen?", hat sich Student Simon Steiner gefragt. Und sich selbst zur Antwort gegeben: in der Arbeit mit fremdsprachigen Personen. "In Signau, wo ich in einem Teilzeitpensum unterrichte, und auch in Wichtrach, wo ich das Praktikum 4 absolviere, hat es nur wenige Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund – so kann ich diese Kompetenzen nicht gut erwerben."

Fast Nachbarn
Also nahm Simon Steiner Kontakt auf mit der Koordinatorin des Projekts "Bildung ohne Grenzen" (BoG) der PHBern. Barbara Rüesch konnte ihm die Bekanntschaft mit Nasir
Majid vermitteln, einem 28-jährigen geflüchteten Mann aus Äthiopien, der Sprachunterricht sucht und zudem gleich im nahe gelegenen Konolfingen, in einem Asylzentrum wohnt. Mit dem Sprachunterricht kann Simon Steiner Teile des Fachbereichs Deutsch im Praktikum abgelten.

Ab dem Herbst 2020 trafen sich die beiden für die Deutschlektionen am Hochschulzentrum vonRoll, anschliessend an der Schule von Simon Steiner. Und als Corona auch dies verunmöglichte, wichen sie ins Freie aus oder trafen einander bei Simon Steiner zuhause. BoG übernimmt dabei die Spesen für die Zugbillette sowie einige kleinere Auslagen.

Einblick in eine Realität, die auch wehtut
"Wir sitzen nicht nur über den Büchern, sondern sind auch schon zusammen einkaufen gegangen und haben gemeinsam gekocht", erzählt der 24-jährige Steiner. "Auf diese Weise lernt man Alltagsbegriffe am besten." Mittlerweile ist aus dem Kontakt mehr als eine professionelle Beziehung geworden. Simon Steiner hat Nasir
Majid auch bereits beim Kauf eines Velos begleitet, das dieser auf Tutti gekauft hat.

"Die Betreuung eines geflüchteten Menschen gibt Einblick in das wichtige Thema Flucht und Asyl und schafft direkte Betroffenheit", sagt Simon Steiner. "Die Geschichte von Nasir würde ich als exemplarischen Fall bezeichnen: Er musste seine Familie in der Heimat zurücklassen und verbrachte auf seinem Weg in die Schweiz viel Zeit in verschiedenen Flüchtlingslagern. Er sah Gräueltaten, Leute sterben. Und in der Schweiz erwartet ihn nicht das Paradies, sondern Aussichtslosigkeit."

Die Erfahrungen, die Simon Steiner dank BoG gemacht hat, möchte er nicht missen. Einen Einsatz kann er deshalb allen Studierenden ans Herz legen. "Das Lehren einer Sprache und der Austausch mit geflüchteten Menschen sensibilisiert dafür, mit welchen Schwierigkeiten fremdsprachige Schülerinnen und Schüler im Unterricht konfrontiert sind – das ist für alle Fachbereiche, nicht nur Deutsch, wichtig!"

Der Unterricht mit Nasir dauert noch bis Ende Mai. Danach werden sie sich aber weiterhin sehen, ist Simon Steiner sicher. Die Kosten für die Zugreise wird er dann gerne auch aus eigener Tasche übernehmen – oder die beiden treffen sich zu einer Fahrradtour mit dem neu gekauften Velo.

Bildung ohne Grenzen

Das Projekt Bildung ohne Grenzen (BOG) der PHBern unterstützt Studierende, die ein Bildungsangebot für geflüchtete Menschen auf die Beine stellen. Im Rahmen eines freiwilligen Engagements erhalten sie dafür einen Sozialzeitausweis. Im Rahmen von Studienleistungen (Service Learning) und in Absprache mit Dozierenden können dafür auch ECTS erworben werden.

Mehr Informationen zu BOG: www.phbern.ch/bog