Gesucht: "Verrückte", die mit Herzblut unterrichten wollen

Im Herbstsemester 2019 wurde Informatik als obligatorisches Schulfach an den Berner Gymnasien eingeführt. Eine Herausforderung auch für das Institut Sekundarstufe II (IS2), das die künftigen Informatiklehrerinnen und -lehrer ausbildet. Ein Dozent und ein Student berichten.
NEWS —

Die Ausgangslage war herausfordernd: Der Wandel an den Berner Gymnasien von Informatik als Ergänzungs- zum obligatorischen Fach bedeutet massiv mehr Schülerinnen und Schüler – und dadurch auch einen grösseren Bedarf an entsprechend ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern in Informatik. Das Problem dabei: Der reguläre Weg in den Lehrberuf führt über einen universitären Master. Und Personen mit einem Masterabschluss in Informatik sind auch in der Wirtschaft sehr gefragt.

Martin Lehmann, Dozent für Fachdidaktik Informatik am IS2 der PHBern und selbst auch Gymnasiallehrer, beschreibt das Berufsprofil mit einem Augenzwinkern: «Wir suchen Verrückte, die sagen: Mir stehen alle Möglichkeiten offen, aber ich wähle genau diese. Ich will unterrichten, mit Herzblut.»

Verspätet erfüllter Berufswunsch
Ein solcher «Verrückter» ist Harald Hofmann. Bereits in seiner Zeit als Gymnasiast in Österreich interessierte er sich nicht nur für Informatik, sondern auch für den Lehrberuf. Doch zum damaligen Zeitpunkt war das Lehramtsstudium in diesem Fach noch nicht möglich. «Ich bin darum nach meinem Studium in die Industrie gegangen und habe jahrelang als Berater gearbeitet – weltweit, ständig auf Achse. Aber ich habe den Gedanken, unterrichten zu wollen, immer im Hinterkopf behalten.»

Das Gymnasium war für ihn immer das ideale Unterrichtsumfeld. «Ich habe eine neusprachliche Maturität und betrachte mich nicht als Technik-total-Freak», erklärt er, «im Gegenteil: Ich kann mich sehr mit dem Gedanken der Allgemeinbildung identifizieren, und dieser ist im Gymnasium zentral.»

Als er aus den Medien erfuhr, dass im Kanton Bern Informatik obligatorisches Schulfach an Gymnasien wird, war die Sache für ihn klar. «Jetzt bist du noch im richtigen Alter für einen Karrierewechsel. Das ist die Gelegenheit, dir deinen Kindheitstraum zu erfüllen», schildert er seine Überlegungen. Ausschlaggebend war die Ausbildungsstruktur an der PHBern: «In anderen Ländern sind das fachliche und das pädagogische Studium gekoppelt. Mir kam es entgegen, dass ich mich hier auf die pädagogischdidaktische Ausbildung fokussieren kann.»

Studierende mit unterschiedlichen Hintergründen
Nur mit Studierenden, die wie Harald Hofmann einen universitären Master in Informatik mitbringen, hätten sich nicht alle Vakanzen an den Schulen füllen lassen. Zwei weitere Zielgruppen wurden deshalb umworben: erstens Lehrerinnen und Lehrer, die Informatik bereits als Ergänzungsfach am Gymnasium unterrichtet haben. Und zweitens Gymnasiallehrpersonen, die am Fach interessiert und bereit sind, sich das nötige fachwissenschaftliche Rüstzeug anzueignen. Für die Ausbildung kam es deshalb zu einer engen Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen. Innerhalb der PHBern arbeitete das IS2 mit dem Institut für Weiterbildung und Medienbildung zusammen. Auf nationaler Ebene dagegen wurde mit GymInf (Informatikausbildung für Gymnasiallehrkräfte) ein Programm initiiert, das die Informatikausbildung für bereits im Beruf stehende Lehrpersonen schweizweit koordiniert.

«Das IS2 der PHBern macht in doppelter Hinsicht bei diesem Ausbildungsschub mit», erklärt Martin Lehmann, «einerseits war es beteiligt an einem Impulsprogramm des Kantons Bern, das bereits vor der eidgenössischen Initiative lief. Zweitens besuchen Lehrpersonen, die über das Programm GymInf eine Facherweiterung in Informatik anstreben, bei uns fachdidaktische Veranstaltungen.»

Letztere besuchen teilweise dieselben Kurse wie die «regulären» Studierenden. Für Harald Hofmann bedeutete dies, dass seine Kommilitonen sehr unterschiedliche Hintergründe mitbrachten. «Wir waren eine kleine Gruppe von vier Personen. Es war eine interessante Mischung von Leuten aus der Industrie und Personen, die auf jahrelange Unterrichtserfahrung zurückblicken können», erklärt er. Für ihn sei die Erfahrung durchwegs positiv gewesen: «Natürlich ist das Fachwissen bei Personen mit universitärem Hintergrund in der Regel tiefer und breiter. Aber das Wissen war überall gross genug, dass wir uns nicht mit fachlichen Grundsatzfragen auseinandersetzen mussten und uns voll auf die Didaktik konzentrieren konnten.» Und in diesem Feld konnte er vom Wissen der erfahrenen Lehrpersonen profitieren. «Der Austausch war sehr befruchtend.» Zukunftsperspektiven «Diese unterschiedlichen Hintergründe sind auch für mich als Dozierenden herausfordernd», räumt Martin Lehmann ein. Die Frage laute, wie man den unterschiedlichen Bedürfnissen begegnen könne und trotzdem niemanden unter- oder überfordere. Nicht immer seien die Voraussetzungen dafür so gut wie bei Harald Hofmanns durchmischtem Studienjahrgang: «In der ersten Durchführung haben einige Interessierte während der Veranstaltung bemerkt, dass ihr Fachwissen nicht ausreicht. Das war schwieriger für die restlichen Studierenden. Für die persönliche Entwicklung ist es aber natürlich trotzdem eine wertvolle Erkenntnis.»

Die Zukunft wird für Martin Lehmann und die Ausbildung im Fach Informatik am IS2 durch das nationale Impulsprogramm GymInf geprägt sein. «Wir rechnen in den nächsten zwei Jahren schweizweit mit ungefähr 200 Lehrpersonen, die neben ihrer fachwissenschaftlichen auch ihre fachdidaktische und berufspraktische Ausbildung im Bereich Informatik absolvieren müssen», so Martin Lehmann. Für diese werde ein spezifisch zugeschnittenes Angebot eingerichtet. «Es wird aber auch weiterhin möglich sein, den regulären IS2-Kurs zu besuchen.» Letztlich seien die individuellen Voraussetzungen entscheidend.

Harald Hofmanns berufliche Zukunft dagegen wird bereits im Herbstsemester 2020 an die Gymnasien Thun und Bern Neufeld führen. «Da ich nur Informatik unterrichte, war es schwieriger als erwartet, auf ein grösseres Pensum zu kommen», meint er.

"Unser Problem: Personen mit Masterabschluss in Informatik sind auch in der Wirtschaft sehr gefragt."

Martin Lehmann, Dozent PHBern

Dennoch ist er glücklich mit der Situation. Den ursprünglichen Plan, neben seiner Tätigkeit in der Industrie zu unterrichten, liess er zugunsten der Konzentration auf seine neue Herausforderung fallen. «Ich habe beim Unterrichten einfach gemerkt, wie viel Spass ich daran habe», erklärt er. Und zeigt damit, dass man nicht verrückt sein muss, wenn man an einem Kindheitstraum festhält.

Zum EDUCATION Artikel (PDF)

Infos zum Studium zur Lehrerin oder zum Lehrer auf der Sekundarstufe II

Alle Weiterbildungen im Bereich Medien und Informatik