"Ich hätte nicht auf das Mentorat verzichten wollen"

Im Mentorat werden neue Lehrpersonen während eines Schuljahres bei ihrem Berufseinstieg begleitet. Ein Angebot von dem alle profitieren: die Berufseinsteigenden, die erfahrene Lehrperson sowie die Schule.
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Mentorin Beatrice Bürgler und Mentee Dominic Nater im Gespräch
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Der Berufseinstieg ist für angehende Lehrpersonen eine ziemliche Herausforderung: neue administrative Abläufe, ein neues Kollegium, neue Aufgaben – das braucht viel Energie, Zuversicht und Gelassenheit. Damit Berufseinsteigende bei dieser komplexen Aufgabe nicht auf sich allein gestellt sind, hilft ein von der Schulleitung installiertes Mentorat. Dieses darf von allen Berufseinsteigenenden im ersten Jahr während der Arbeitszeit in Anspruch genommen werden. Eine erfahrene Lehrperson begleitet als Mentor oder Mentorin ihr Mentee bei der Integration ins Kollegium, verhilft zu Selbstsicherheit und Klarheit in der neuen Rolle. 

Das Mentorat ist dabei eine dreifache Win-Situation: Während die neue Lehrperson professionelle Unterstützung erhält und eine konkrete Ansprechperson hat, profitiert der Mentor oder die Mentorin von neuen Impulsen. Und da die Berufseinsteigenden betreut und begleitet werden und so schneller mit Abläufen, Gegebenheiten und Werten der Schule vertraut sind, ist auch die Fluktuation geringer. Damit das Mentorat aber nicht zur Zusatzbelastung für erfahrene Lehrpersonen wird und seriös umgesetzt werden kann, wird das Mentorat entsprechend vergütet. 

Angebote für Berufseinsteigende

Möchten Sie ebenfalls Berufseinsteigende im Mentorat betreuen? Erfahren Sie mehr zum Einführungskurs für Mentorinnen und Mentoren. Nebst dem Mentorat bietet die PHBern noch zahlreiche weitere Angebote für Berufseinsteigende.

Mehr erfahren

Vorbereitung als Mentorin oder Mentor 

Was genau die Rolle Mentorin oder Mentor bedeutet, erfahren Lehrpersonen im Einführungskurs der PHBern. Mentee und Mentorin oder Mentor begegnen sich auf Augenhöhe. "Wir sprechen bewusst von Begleitung und nicht von Unterstützung", so Stephan Hasler, Fachbereichsverantwortlicher Berufseinstieg und Berufslaufbahn am Institut für Weiterbildung und Dienstleistungen der PHBern. "Es soll das Eigenständige an der neuen Lehrperson gefördert werden und sie soll in ihrem ersten eigenverantwortlichen Unterricht bestärkt und sicher werden." Der Einführungskurs thematisiert die Bedeutung einer 1:1-Begleitung, die Abgrenzung der Aufgaben eines Mentors oder einer Mentorin und gibt Raum für Praxisbeispiele. "Zudem wird im Einführungskurs die Möglichkeit geboten, ein Mentoratskonzept für die eigene Schule zu entwickeln", erklärt Halser weiter. "Es hilft enorm, wenn Aufgaben, Abmachungen und Erwartungen schriftlich festgehalten und laufend überprüft werden."

Wie funktioniert ein Mentorat?

Eine Schule, deren Mentoratspersonen den Einführungskurs der PHBern besucht haben, ist die Pestalozzi Schule in Bern. Im Interview geben der Mentee Dominic Nater und die Mentorin Beatrice Bürgler Einblick, wie ein Mentorat abläuft, was dieses Angebot auszeichnet und welche Bedeutung das Mentorat für eine Schule hat.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit im Mentorat?

Beatrice Bürgler: Bereits vor Beginn des Schuljahres habe ich zu Dominic Kontakt aufgenommen, damit ihm die Einführung in die Schulkultur einfacher gelingt und nicht alles auf einmal auf ihn einprasselt.

Dominic Nater: Ab Schuljahresbeginn trafen wir uns wöchentlich. Ich habe eine Liste geführt mit Fragen zu Material, Terminen oder sonstigen administrativen Angelegenheiten, die wir besprachen. Im Verlauf des Schuljahres wurde dies immer weniger und ich stellte einfach diejenigen Fragen, die mir gerade unter den Nägeln brannten.

Bürgler: Meist haben wir erst die technischen, inhaltlichen Fragen geklärt und anschliessend über das Wohlbefinden gesprochen.

Welche Themen haben Sie während dieser Treffen besprochen?

Nater: Sehr viele! Elternarbeit, Planen, Vorbereiten, Klassenklima, …

Bürgler: Es gibt in diesen Treffen auch immer Raum und Luft, um über Erfahrungen zu sprechen. Als Dominic mir beispielsweise sagte, dass er mit seinen Themen "zeitlich nicht durch kommt", konnte ich ihn beruhigen und sagen, dass das dazugehört. Mein Ziel ist es, Dominic den Einstieg ins Schulhaus, in die Schulkultur, aber auch in den Unterricht erleichtern.

Herr Nater, welche Herausforderungen konnten Sie dank des Mentorats einfacher meistern?

Nater: Am Anfang half mir das Mentorat vor allem bei den organisatorischen und administrativen Angelegenheiten, die im ersten Quartal anstehen. Inhaltlich unterstützte mich Beatrice beispielsweise beim Thema Beurteilungen, da ich dies im Praktikum nur bedingt erlebt habe und deshalb sehr froh war, zu sehen und hören, wie Beatrice damit umgeht. Auch Elternarbeit war ein Thema, dem ich während des Studiums kaum begegnet war. Es war nützlich zu besprechen, wie diese Gespräche strukturiert sein sollten, was alles gesagt werden muss oder welche Unterlagen von Eltern unterschrieben werden müssen.

Frau Bürgler, was motiviert Sie, Mentees zu begleiten?

Bürgler: Ich erhalte durch das Mentorat viel Inspiration und ich arbeite auch sehr gerne mit Erwachsenen zusammen. Mir ist es wichtig, dass es allen wohl sein kann – und wenn ich dazu einen Beitrag leisten kann, dann mache ich das gerne.

Nater: Der Berufseinstieg wurde mir durch das Mentorat sehr erleichtert. Ich hätte nicht darauf verzichten wollen.

Was zeichnet ein gutes Mentorat aus?

Bürgler: Es braucht Strukturen, damit es funktioniert und einen Mehrwert für alle bringt. Ohne eine solche Institutionalisierung kann das Mentorat im Alltag rasch untergehen. Es hilft auch den Mentees zu wissen, dass da jemand ist, der die Begleitungsaufgabe innehat und dafür entschädigt wird. Das macht es einfacher, nach Unterstützung zu fragen. Jetzt gegen Ende des Schuljahres besprechen wir weniger inhaltliche Themen, bereiten aber gemeinsam den Unterricht vor. So verschiebt sich im Verlauf des Schuljahres das Verhältnis von "Mentee und Mentorin" zu "Arbeitskolleg:innen", die einfach zusammenarbeiten.

Nater: Als Mentee kann es sich gelegentlich anfühlen, als ob man auf einen fahrenden Zug aufspringt. Um die bestehenden Strukturen und Abläufe zu überblicken, hilft es, eine Mentoratsperson an der Seite zu haben, der/die einem in dieser Hinsicht zur Seite steht. Erst jetzt nach drei Viertel des Schuljahres weiss ich langsam, wo ich Hilfe finden kann.

Weshalb profitieren Schulen, wenn sie ein Mentorat anbieten?

Nater: Für Schulen ist das Mentorat ein tolles Angebot, um sich zu positionieren. So habe ich auch bei der Stellensuche darauf geachtet, ob an einer Schule Mentorate angeboten werden. Man hört immer wieder, dass das Risiko einer Überlastung im Lehrer:innenberuf hoch und vor allem in den ersten Berufsjahren eine erhöhte Fluktuation beobachtbar sei. Aus meiner Sicht kann das Mentorat dabei helfen, diese Situation zu entschärfen

Bürgler: Bei uns an der Schule ist auf jeder Stufe jemand Mentorin oder Mentor. Wir haben ein Mentoratskonzept, welches eine Vereinbarung zwischen Mentee und Mentorin oder Mentor beinhaltet, damit das Mentorat einen fixen Stellenwert erhält. In diesem Konzept ist definiert, dass zu Beginn des Mentorats gegenseitig die Erwartungen abgeholt werden, was mein Auftrag als Mentorin ist, für welche Aufgaben die Schulleitung zuständig ist oder welche Themen die Teamkollegen und -kolleginnen der Klasse betrifft. Zudem tauschen wir Mentoratspersonen des Schulhauses uns aus und sprechen über unsere Erfahrungen.

Was braucht jemand, der Mentorin oder Mentor werden möchte?

Bürgler: Ein Mentor oder eine Mentorin braucht ein Verständnis dafür, dass es nicht nur gut ist, wie man es selbst macht, sondern dass es viele verschiedene Möglichkeiten gibt, den Unterricht gut zu gestalten und eine gute Lehrperson zu sein. Es hilft, wenn man neugierig und offen ist, denn man begegnet ganz unterschiedlichen Personen und erlebt nie zweimal dasselbe Mentorat. Zudem sollte man zuhören und sich selbst reflektieren können.

Nater: Das ist ein wichtiger Aspekt aus Sicht des Mentees. Denn es hilft, wenn einem die Mentorin ehrlich sagt, dass auch bei ihr nicht immer alles rund läuft. Damit kann man die eigene Anspruchshaltung relativieren und gegebenenfalls anpassen.

Bürgler: Ich glaube, das ist sehr wichtig, dass man ehrlich Einblick gibt. So profitiert man wirklich auch gegenseitig.