Didaktischer Kommentar
1. Vorstellungen und Vorkenntnisse
Die Auseinandersetzung mit Tod, Trauer und Jenseitsvorstellungen ist für Kinder im Alter von 9 bis 12 Jahren von besonderer Bedeutung. Sie befinden sich in einer Entwicklungsphase, in der sie zunehmend abstrakter denken können, zugleich aber noch stark von persönlichen Erfahrungen geprägt sind. Ein Friedhofsbesuch kann in diesem Alter eine wertvolle Gelegenheit sein, um einen geschützten, altersgerechten und reflektierten Zugang zu diesem sensiblen Thema zu eröffnen.
Kinder in diesem Alter befinden sich nach Piaget in der Übergangsphase zwischen konkret- und formal-operationalem Denken. Sie beginnen, abstrakte Konzepte wie Tod und Jenseits nicht nur individuell, sondern auch als kulturell und religiös geprägte Vorstellungen zu verstehen. Während einige bereits erste Erfahrungen mit Verlust und Tod gemacht haben, bleibt für andere das Thema abstrakt. Die emotionale Betroffenheit ist daher individuell unterschiedlich. Eine behutsame Erhebung der Vorerfahrungen ist essenziell.
2. Lehrplanbezug
Die Unterrichtseinheit ist im Fachbereich NMG verortet und orientiert sich insbesondere an folgenden Kompetenzbereichen:
NMG.11.1: Menschliche Grunderfahrungen beschreiben und reflektieren (v. a. 11.1.c, 11.2.d)
NMG.12: Religionen und Weltanschauungen begegnen (12.3, 12.5)
NMG.7: Lebensweisen und Lebensräume erschliessen und vergleichen (7.1c, 7.1d)
Ergänzend werden überfachliche Kompetenzen wie Empathie, Toleranz, Reflexionsfähigkeit und Medienkompetenz gefördert.
Einsatz des Ideensets
Diese Unterrichtseinheiten sind sowohl im Fach NMG an der Schule wie auch im konfessionellen Religionsunterricht möglich. Das IdeenSet bietet sich an, einzelne Schritte zu intensivieren bzw. wegzulassen.
Ebenso bieten sich viele Bausteine daraus auch für den Zyklus 3 an und können angepasst werden.
Lerngegenstand
Ein Friedhof als Lernort ermöglicht Zugänge zu Themen wie Endlichkeit, Erinnerung, Trauer und Hoffnung. Kinder erhalten Raum, eigene Gedanken zu äussern, Fragen zu stellen und Vorstellungen zu entwickeln. Entscheidend ist der offene, respektvolle Umgang mit den vielfältigen Deutungen.
Ein besonders geeigneter Ort ist der Bremgartenfriedhof in Bern, der zahlreiche Ausdrucksformen religiöser und kultureller Erinnerungskultur vereint.
Diese Lerneinheit schafft einen geschützten Raum für existenzielle Fragen, in dem Kinder eigene Vorstellungen und Erfahrungen zum Ausdruck bringen können. Der Friedhof wird als historischer, religiöser und kultureller Lernort erschlossen. Die Berücksichtigung neuer Entwicklungen wie digitale Gedenkformen erweitert die Auseinandersetzung mit Erinnerungskultur.
Diese Unterrichtsreihe ermöglicht eine tiefgehende, differenzierte und empathische Auseinandersetzung mit Sterben, Tod und Erinnerung. Sie fördert nicht nur Fachwissen, sondern vor allem die menschliche Reife der Kinder im Umgang mit den grossen Fragen des Lebens.
Schwerpunkte
Schwerpunkte | Ziele und Orientierung | Inhalt |
Einführungssequenz – Vorbereitung auf den Friedhofsbesuch |
| Vorbereitung auf den Friedhofsbesuch Erhebung der Vorerfahrungen und Präkonezpte, Thematisierung von Gefühlen, Einführung in den Lernort
Geschichte der Bestattungen Überblick über Wandlungen in Bestattungsformen, gesellschaftliche Entwicklungen |
Lerneinheit: Symbole und Erinnerungskultur auf dem Friedhof
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| Symbolik in der Sepulkralkunst
Deutung und Bedeutung von Symbolen auf Grabsteinen und Erinnerungszeichen |
Lerneinheit: Religiöse und kulturelle Jenseitsvorstellungen
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| Bestattungsrituale und Jenseitsvorstellungen Vergleich religiöser Vorstellungen (christlich, jüdisch, muslimisch, buddhistisch, hinduistisch etc.) |
Organisation
Bevor mit den Lernenden ein Friedhof besucht wird, sollen die Eltern darüber informiert werden. Eine Vorlage für einen Elternbrief kann bearbeitet und zur Orientierung an die Eltern ausgegeben werden. Die Lernenden bringen unterschiedliche Einstellungen, Vorerfahrungen und Kenntnisse über Friedhöfe mit. Besonders der Grad der individuellen Betroffenheit variiert stark. Eine Erhebung der Lernausgangslage ist daher unverzichtbar.
Einführungssequenz
Fokus
In dieser Einführungssequenz setzen sich die Lernenden auf altersgerechte Weise mit dem Thema Tod und dem Lernort Friedhof auseinander. Ziel ist es, ihnen Raum zu geben, eigene Erfahrungen, Gedanken und Gefühle zum Thema Tod und Friedhof zu formulieren. Dabei werden auch Unsicherheiten und Fragen aufgegriffen und gemeinsam reflektiert. Die Lernenden entwickeln ein erstes Verständnis für den Friedhof als einen Ort der Erinnerung, der Trauer, aber auch des kulturellen Ausdrucks.
Inhaltlich umfasst die Einführung drei zentrale Elemente: Erstens werden die Vorerfahrungen und Präkonstrukte der Lernenden erhoben – was wissen sie bereits über Friedhöfe, welche Vorstellungen oder Bilder haben sie? Zweitens werden Gefühle thematisiert, die mit dem Thema Tod und Friedhof verbunden sein können. Drittens erfolgt eine erste inhaltliche Annäherung an den Friedhof als Lernort, indem die geschichtliche Entwicklung von Bestattungsformen sowie gesellschaftliche Wandlungen in der Erinnerungskultur aufgezeigt werden. So entsteht ein tragfähiges Fundament für den Besuch des Friedhofs und die vertiefende Auseinandersetzung im weiteren Unterrichtsverlauf.
Links und Arbeitsblätter zu den Aufgaben
In diesem Dokument sind Links, Kopiervorlagen und Arbeitsblätter passend zu den Aufgaben zur Einführungssequenz zu finden. Diese können im PDF-Format zum Ausdrucken oder im Word-Format zum Editieren heruntergeladen werden.
Arbeitsblätter (als PDF und Word)
Song Mani Matter: Die Strass, wo i dran wohne
Songtext Mani Matter: Die Strass, wo i dran wohne
Song Noti Wümié: Die Strass, wo i dran wohne
Songtext Noti Wümié: Die Strass, wo i dran wohne
Besuch des Friedhofs: Erinnerungszeichen
Fokus
In dieser Unterrichtseinheit setzen sich die Lernenden mit Symbolen auseinander, wie sie auf Grabsteinen und anderen Erinnerungszeichen zu finden sind. Ziel ist es, die Wahrnehmung für diese oft stillen Zeichen der Erinnerung zu schärfen und ihre vielfältigen Bedeutungen zu erschließen. Die Lernenden lernen, typische Symbole der Sepulkralkunst zu erkennen und in ihrer historischen, religiösen oder kulturellen Bedeutung zu deuten.
Gleichzeitig wird der Grabstein als Ausdruck individueller Lebensgeschichten verstanden – als Zeichen, das etwas über die verstorbene Person, ihre Werte, ihren Glauben oder ihre familiären Beziehungen erzählt. Die Lernenden entwickeln dabei ein Bewusstsein dafür, dass Erinnerungskultur nicht nur religiös geprägt, sondern auch kulturell vielfältig ist.
Ein weiterer Schwerpunkt der Einheit liegt auf der Frage, wie Erinnerung auch persönlich und kreativ gestaltet werden kann. Die Lernenden werden angeregt, eigene Formen des Erinnerns zu entwerfen – sei es in Form von Symbolen, kleinen Texten oder künstlerischen Gestaltungen – und diese im Austausch mit anderen zu reflektieren. So entsteht ein tieferes Verständnis für die Bedeutung von Symbolen in der Trauer- und Erinnerungskultur sowie für die Vielfalt individueller Ausdrucksformen.
Links und Arbeitsblätter zu den Aufgaben
Besuch des Friedhofs: Religionen auf dem Friedhof
Fokus
In dieser Unterrichtseinheit beschäftigen sich die Lernenden mit verschiedenen religiösen und kulturellen Vorstellungen vom Leben nach dem Tod. Sie lernen zentrale Jenseitsvorstellungen ausgewählter Religionen kennen – darunter das Christentum, der Islam, das Judentum, der Buddhismus und der Hinduismus – und setzen sich mit den jeweiligen Deutungen des Todes und der Hoffnung auf ein Weiterleben auseinander.
Dabei werden sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zwischen den Religionen thematisiert: Was geschieht nach dem Tod? Gibt es ein Paradies, eine Wiedergeburt oder eine andere Form des Weiterlebens? Die Lernenden vergleichen diese Sichtweisen mit ihren eigenen Vorstellungen und Erfahrungen und reflektieren dabei auch, welche Rolle Rituale, Symbole und kulturelle Traditionen in den jeweiligen Glaubenssystemen spielen.
Ein zentrales Anliegen der Einheit ist es, bei den Lernenden Respekt und Offenheit gegenüber unterschiedlichen Weltdeutungen und Glaubensformen zu fördern. Durch die Auseinandersetzung mit den vielfältigen Perspektiven auf Tod und Jenseits lernen sie, andere Überzeugungen wertzuschätzen und sich in einer pluralen Gesellschaft achtsam und verständnisvoll zu bewegen.
Links und Arbeitsblätter zu den Aufgaben
Arbeitsblätter (als PDF und Word)
Musikvideo: "Weisst du, wohin wir gehen?"
Songtext: "Weisst du, wohin wir gehen?"
Bilderbuch: "und danach - Gedanken über das grosse Jenseits": zur Ausleihe
Ausschnitt Tagesschau: Bremgartenfriedhof als Friedhof der Weltreligionen
Übersichtsplan Bremgartenfriedhof