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Stadt Bern stellt Begleitstudie zur ersten Ganztagesschule vor

    

Die erste Ganztagesschule des Kantons Bern steht im Berner Stöckacker und besteht aus einer Basisstufe und einer 3. bis 6. Klasse. Im Unterschied zur Tagesschule sind die Kinder in der Ganztagesschule an fixen Zeiten im gleichen Klassenverband mit den gleichen Lehr- und Betreuungspersonen zusammen. Das soll eine bessere Beziehung und weniger Stress verursachen und damit das Lernen der Kinder insgesamt positiv beeinflussen.

Das Schulamt der Stadt Bern hat ein Forschungsteam der PHBern unter der Leitung von Michelle Jutzi und Ueli Hostettler beauftragt, den Betrieb in der Ganztagesschule ein Jahr lang zu beobachten und zu analysieren. Dazu wurden Beobachtungen, Interviews und Gruppendiskussionen mit den Leitungspersonen, Mitarbeitenden, Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schülern durchgeführt.

Erkenntnisse und Empfehlungen helfen der Stadt Bern weiter

In ihrer Medienmitteilung vom 10. Februar 2020 stellt die Direktion für Bildung, Soziales und Sport der Stadt Bern nun zentrale Erkenntnisse vor. "Wichtigste Erkenntnis ist, dass die Einführung der Ganztagesschule von den Lehr- und Betreuungspersonen neue Formen der Zusammenarbeit erfordert, da Bildung und Betreuung stärker verzahnt sind", schreiben die Verantwortlichen. Die Ganztagesschule sei "erst teilweise" in die Gesamtorganisation des Schulstandorts Schwabgut / Stöckacker integriert. 

Um die Zusammenarbeit am Schulstandort zu verbessern und die Bekanntheit der Ganztagesschule zu steigern, schlägt das Forschungsteam der PHBern die Erarbeitung eines Kommunikationskonzepts vor. Zudem soll die pädagogische Ausrichtung noch besser herausgearbeitet werden.

Die Empfehlungen im Detail können der Begleitstudie entnommen werden. Diese liegt sowohl in einer Kurz- als auch einer Langfassung vor.

PHBern begleitet auch die zwei nächsten Ganztagesschulen

Im Sommer 2020 starten zwei weitere Ganztagesschulen in der Stadt Bern, in Bümpliz und im Schulkreis Breitenrain-Lorraine. Die Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Begleitung helfen diesen beiden Projekten beim Start. Die PHBern wird die beiden neuen Ganztagesschulen in den nächsten beiden Jahren ebenfalls wissenschaftlich begleiten.

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Die Stadt Bern hat im Schuljahr 2018/2019 die erste Ganztagesschule eröffnet. Ein Forschungsteam der PHBern hat das erste Betriebsjahr wissenschaftlich begleitet. Nun hat die Stadt Bern die Begleitstudie veröffentlicht.

Immer mehr Interesse am Bilingualen Studiengang

Seit dem Herbstsemester 2018 bieten die beiden Pädagogischen Hochschulen HEP-BEJUNE und PHBern einen gemeinsamen Studiengang für die Vorschulstufe und Primarstufe an, der den Studierenden nicht nur einen zweisprachigen Abschluss, sondern auch einen vertieften Einblick in die Kultur der jeweils anderen Sprachregion bietet. Die Studierendenzahlen sind in diesen drei Jahren von 18 auf 19 und in diesem Jahr schliesslich auf 30 immatrikulierte Studentinnen und Studenten gestiegen. Die Zahl der via PHBern angemeldeten Studierenden stieg in diesem Jahr auf 19 – in den Vorjahren waren es jeweils 6.

Die Studierenden setzen sich gemäss Sprache der Maturität folgendermassen zusammen:

  • Auf Französisch erworbene eidgenössisch anerkannte Maturität: 12 Personen
  • Auf Deutsch erworbene eidgenössisch anerkannte Maturität: 14 Personen
  • Auf Italienisch erworbene eidgenössisch anerkannte Maturität: 1 Person
  • Zweisprachige Maturität (Deutsch–Französisch): 3 Personen

Grund für den starken Anstieg unter den deutschsprachigen Studierenden dürfte die steigende Bekanntheit dieses in der Schweiz einmaligen Angebots sowie das weiterhin starke Interesse an zweisprachigen Ausbildungen sein. Zudem dürfte eine Informationskampagne mit Studierenden des Bilingualen Studiengangs sowie mit der Bildungs- und Kulturdirektorin des Kantons Bern Christine Häsler im Winter und Frühling 2020 eine Wirkung entfaltet haben (vgl. Videos weiter unten).

Die Verantwortlichen der beiden beteiligten Pädagogischen Hochschulen für den Bilingualen Studiengang freuen sich auf den Start des Herbstsemesters 2020 und heissen die neuen Studentinnen und Studenten bereits jetzt herzlich willkommen. 

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Seit dem Herbstsemester 2018 bieten die beiden Pädagogischen Hochschulen HEP-BEJUNE und PHBern gemeinsam den Bilingualen Studiengang an. Er stösst auf immer grösseres Interesse. Im Herbstsemester 2020 werden 30 Studierende das Studium neu aufnehmen, davon 19 aus dem Einzugsgebiet der PHBern. Die Zahl der deutschsprachigen Studierenden hat sich gegenüber den Vorjahren damit mehr als verdreifacht.

Integration: Bachelorarbeiten zeigen auf, was Lehrpersonen wissen müssen

    

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Gabriela Zaino mit ihrer Bachelorarbeit

IVP-Absolventin Gabriela Zaino mit ihrer Bachelorarbeit

An ihr erstes Praktikum wird sich Gabriela Zaino, 45-jährig und seit diesem Sommer diplomierte Lehrerin für die Vorschulstufe und Primarstufe, noch lange erinnern. "Von einem Tag auf den anderen sass plötzlich ein geflüchtetes Mädchen aus Syrien in unserer 3./4. Klasse. Es sprach kein Wort Deutsch und hatte anscheinend noch nie eine Schule besucht. Niemand wusste Genaues über ihren Hintergrund." Im Rahmen ihres Praktikumseinsatzes konnte die angehende Lehrerin dem geflüchteten Kind Unterstützung bieten. "Als mein Praktikum zu Ende ging, war die Klassenlehrerin aber grösstenteils wieder auf sich allein gestellt." Seit diesem Erlebnis interessiert sich die Walliserin für das Thema schulische Integration.

Als es darum ging, ein Thema für die Bachelorarbeit zu finden, erinnerte sich Gabriela Zaino an das Projekt "Bildung ohne Grenzen" (BOG) der PHBern. Es ermöglicht Studierenden, einem sozialen Engagement nachzugehen und dafür im Rahmen eines Leistungsnachweises ECTS-Punkte zu sammeln. "Die BOG-Koordinatorin war von meiner Idee, eine Bachelorarbeit zum Thema Integration zu schreiben, begeistert", erzählt Gabriela Zaino.

Eine Betreuerin für die Arbeit fand sich in der Person von Verena Pisall, Deutsch-Dozentin am IVP. Bei ihr hat Gabriela Zaino das Modul Deutsch 3 besucht, wo Themen wie Sprachförderung und Integrationsklassen behandelt wurden. Die Dozentin beschloss, eine Ausschreibung zu lancieren, um weitere Interessierte zu gewinnen. "Vom Ansturm war ich völlig überrascht!", berichtet Verena Pisall. "Ganze 25 Bewerbungen kamen herein, die Auswahl fiel nicht leicht." Sieben Studentinnen kamen schliesslich zum Zug, ihre Abschlussarbeit innerhalb der Arbeitsgruppe zu verfassen. Vier Arbeiten wurden diesen Sommer eingereicht, die restlichen sind noch am Entstehen. "Die Arbeiten konnten verschiedene Aspekte der Integration abdecken", freut sich Verena Pisall.

Der Fokus von Gabriela Zainos Arbeit liegt auf Spracherwerb und Integration, laut der Zermatterin die Grundpfeiler der Integration und des Wohlfühlens in der Klasse. Ihre Leitfrage lautet: Über welche Kenntnisse sollten Lehrpersonen verfügen, um genügend auf die Situation der Flüchtlingskinder vorbereitet zu sein? Gabriela Zaino zeigt auf, mit welchen Schwierigkeiten Flüchtlingskinder bezüglich Spracherwerb und Integration in ihrem neuen Alltag im Kanton Bern konfrontiert sind. Daraus leitet sie die benötigten Kompetenzen der Lehrpersonen für eine bestmögliche schulische Unterstützung ab. Die Arbeit schliesst mit einem Handlungskatalog: An ihm können sich Lehrpersonen orientieren, wenn sie eine spezifische Frage haben.

Ebenfalls einen solchen Handlungskatalog besitzt die Arbeit von Anja Fankhauser. Wie Gabriela Zaino ist sie ehemaliges Mitglied der Bachelor-Arbeitsgruppe und seit diesem Sommer frischdiplomierte Lehrerin. In ihrer Arbeit untersucht die 22-Jährige, wie die Willkommenskultur in der Schule gefördert werden kann. Für den praktischen Teil der Arbeit hat sie ein aus Afghanistan stammendes Mädchen über ein halbes Jahr im Schulalltag begleitet. Die Erlebnisse mit der neunjährigen Tamina hält sie in einem berührenden Lernjournal fest.

"Beide Bachelorarbeiten zeigen wichtige Aspekte auf, die sich Lehrpersonen überlegen müssen, wenn sie ein geflüchtetes Kind in die Klasse erhalten", sagt Verena Pisall, Betreuerin der Arbeiten. "Die Lektüre der beiden Arbeiten kann Lehrpersonen Vieles abnehmen, was sie sonst in mühsamer Kleinarbeit zusammensuchen müssten."

Gabriela Zaino unterrichtet mittlerweile eine 6. Klasse in Brügg, nahe Biel. Durch die intensive Beschäftigung mit dem Thema Integration hat sie zahlreiche Erkenntnisse gewonnen. Ihre wichtigste Empfehlung an die Lehrpersonen lautet: Nehmt Integration genug wichtig – auch wenn das angesichts von zwanzig Kindern, die man auch noch unterrichtet, nicht immer einfach ist. "Die Anstrengungen, die man bei der Aufnahme in die Klasse und bei der Förderung der Grundkompetenzen leistet, zahlen sich später mehrfach aus."

Mehr zum Studium am IVP

Angebote des Instituts für Weiterbildung und Medienbildung zu den Themen Integration und Sprachförderung

Bildung ohne Grenzen

Das Projekt Bildung ohne Grenzen (BOG) der PHBern unterstützt Studierende, die ein Bildungsangebot für geflüchtete Menschen auf die Beine stellen. Im Rahmen eines freiwilligen Engagements erhalten sie dafür einen Sozialzeitausweis. Im Rahmen von Studienleistungen (Service Learning) und in Absprache mit Dozierenden können dafür auch ECTS erworben werden.

Mehr unter www.phbern.ch/bog

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Was können Lehrperson beachten, um geflüchtete Kinder erfolgreich in die Schule zu integrieren? Damit befassen sich mehrere Bachelorarbeiten am Institut Vorschulstufe und Primarstufe (IVP) der PHBern. Sie entstanden in Zusammenarbeit mit dem Projekt "Bildung ohne Grenzen" der PHBern.

Selbständig werden – im Kindergarten und im Umgang mit empirischen Daten

  

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Foto von Kathrin Bill und Tamara Carigiet

Kathrin Bill (links) und Tamara Carigiet

Frau Bill, in Ihrer Bachelorarbeit vergleichen Sie, wie sich die frühe Betreuungsform auf die Selbständigkeit im Kindergarten auswirkt. Welche Betreuungsformen haben Sie untersucht?
Ich habe die Auswahl anhand der Fragebögen aus dem Forschungsprojekt von Tamara Carigiet vorgenommen. Die Betreuungsformen waren folgende: Kita, Spielgruppe, Tagesfamilie, Au-pair, Babysitter, Bekannte, Verwandte. Dabei zeigte sich, dass die Verwandten (30%), die Spielgruppe (30%) und die Kita (28%) am meisten für die Fremdbetreuung der Kinder eingesetzt werden. Eine genau Auswertung nach Form war allerdings schwierig, denn oft wurden mehrere Betreuungsformen gleichzeitig genutzt.


Zu welchen Schlüssen sind Sie gekommen?
Je häufiger und intensiver Kinder fremdbetreut werden, desto selbständiger werden sie von der Kindergartenlehrperson eingeschätzt. Dies bedeutet also, dass Kinder, welche regelmässig und über mehrere Jahre ausserhalb der Kernfamilie betreut werden, meist selbständiger handeln als Kinder, welche die meiste Zeit zu Hause betreut werden. Das soll aber nicht heissen, dass man sein Kind nun möglichst viel extern betreuen lässt. Das kann auch nachteilige Folgen haben, diese waren jedoch nicht im Fokus meiner Arbeit. Je nach Bereich ist die Selbständigkeit zudem unterschiedlich stark ausgeprägt: Fast alle Kinder können beim Kindergarteneintritt bereits ihre Hände selbständig waschen und allein auf die Toilette gehen, den Weg in den Kindergarten gehen allerdings zwei Drittel meist gemeinsam mit Erwachsenen. Wer das Kind einschätzt, und was für Erwartungen die Erwachsenen an die Kinder haben, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle.

Sie haben mit empirischen Forschungsdaten aus dem Projekt Erfolgreich in den Kindergarten von Tamara Carigiet gearbeitet – welche Angaben fanden Sie vor?
An der Studie haben 38 Kindergartenklassen im 1. Kindergartenjahr und 255 Elternteile und Kinder teilgenommen. Der Fragebogen für die Eltern enthielt Fragen zur Familiensituation, Fragen über die Art und Dauer der vorgängigen Betreuung und Fragen zur Selbständigkeit des Kindes. Zusätzlich gab es einen Fragebogen für die Lehrpersonen. Diese haben das Sozialverhalten und die Selbständigkeit eingeschätzt. Ich habe spezifische Fragen beziehungsweise Antworten aus den Fragebögen ausgewählt. Einige Antworten konnte ich eins zu eins übernehmen, bei anderen musste ich neue Kategorien bilden, um damit arbeiten zu können.


Was nehmen Sie mit aus Ihrer Arbeit mit den empirischen Daten?
Es war spannend, die Menge an Daten zu sehen und direkt zu erleben, wie man damit umgeht. Die Ordnung, die Regeln, welche streng eingehalten werden müssen, damit man den Überblick nicht verliert, haben mich beeindruckt. So war es etwa nötig, die Antworten konsequent in ein Raster zu übertragen, auch wenn die Fragebögen nicht vollständig ausgefüllt waren. Mein anfänglich eher geringes Wissen über Excel hat sich während des Arbeitens ziemlich erweitert.


Seit dem August 2020 arbeiten Sie als Kindergartenlehrerin. Welche Einsichten haben Sie durch die Beschäftigung mit dem Thema Selbständigkeit und Betreuung gewonnen?
Damit Kinder gut ausserfamiliär betreut werden können sind Netzwerke wichtig – zwischen Eltern, Lehrpersonen, Kitas, Spielgruppen, Elternvereinen und Gemeinden. So können auch mehr Kinder mit Förderbedarf erreicht werden. Allerdings sollten diese Angebote freiwillig bleiben, finde ich. Denn bereits heute werden von den Kindern, die ja gerade erst vier Jahre alt geworden sind, immense Leistungen erwartet. Anstatt immer mehr zu erwarten, könnte man sich auch fragen: Ist der Kindergarten bereit für die vierjährigen Kinder?

Welche weiteren Kompetenzen haben Sie durch die Bachelorarbeit aufgebaut oder vertieft?
Die Bachelorarbeit habe ich über mehrere Monate neben dem Unterrichten im Kindergarten und den Seminarbesuchen an der PH geschrieben. Ich denke, ich habe dadurch gelernt, meine Ressourcen und meine Zeit gut einzuteilen, was auch im Berufsalltag zentral ist.

Neue Erkenntnisse auch für die Forscherin

Dr. Tamara Carigiet, Dozentin und Forscherin am Institut Primarstufe der PHBern, begrüsst es sehr, wenn Studierende konkrete Forschungserfahrung sammeln können. "Ein Problem selbst anhand von empirischen Daten zu untersuchen hilft dabei, Forschungsprozesse und -ergebnisse im Allgemeinen besser verstehen und einordnen zu können." Sie beobachtet, wie sich die Einstellung zur oft eher kritisch beäugten Forschungsmethodik verändert: "Wenn Studierende erleben, wie die gewählten Annahmen und Methoden die Ergebnisse und deren Interpretation verändern, merken sie, dass die Methodik kein notwendiges Übel, sondern ein wichtiger Mosaikstein im Erkenntnisprozess ist."
Auch die Betreuenden erhalten immer wieder neue Einsichten durch die Arbeit mit Studierenden, sagt Carigiet. "Durch den Austausch erhalte ich indirekt Einblick in den Schulalltag, und erfahre, wo bei den Lehrpersonen der Schuh drückt. Für eine Forscherin ist die Kommunikation mit dem Berufsfeld zentral, denn dadurch eröffnen sich neue Forschungsfragen, und es ergibt sich auch die Möglichkeit, unser Wissen aus Theorie und Forschung zurück ans Berufsfeld zu geben. Kathrin Bill hat für ihre Arbeit zudem gewisse Analysen durchgeführt, die ich selbst noch nicht angeschaut habe, diese haben spannende Ergebnisse geliefert, denen man weiter nachgehen könnte." Aktuell ist bei ihr eine weitere Studentin mit Auswertungen beschäftigt – es geht um die Frage, welche Herausforderungen Eltern beim Schuleintritt wahrnehmen und ob es sich dabei um ähnliche oder andere Probleme handelt als beim Kindergarteneintritt.

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Hat die Betreuungsform in der frühen Kindheit einen Einfluss auf die Selbständigkeit der Kinder beim Kindergarteneintritt? Diese Frage untersuchte Kathrin Bill in ihrer Bachelorarbeit am Institut Primarstufe. Für die Abschlussarbeit griff sie auf empirische Forschungsdaten zurück, die in einem Projekt von Dozentin und Forscherin Tamara Carigiet generiert worden waren. Im Interview erzählt die PHBern-Absolventin, wie sie diese Arbeit erlebt hat und zu welchen Erkenntnissen sie gelangt ist.

"Die Akzeptanz des Kindergartens ist einmalig"

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Gruppenfoto

Ihr Herz schlägt für den Kindergarten (v. l. n. r): Evelyne Wannack, Philippe Schild, Marlis Nattiel, Kathleen Panitz und Marlies Käser

Freitagnachmittage sind nicht dazu da, Neues anzureissen. Sie bieten sich an für eine Bilanz. So wie an diesem Freitagnachmittag Ende April, als sich fünf Personen an der PHBern treffen. Gemeinsamer Gegenstand: der Kindergarten.

Am Austausch nahmen teil:

  • Marlies Käser, Kindergartenlehrerin in Kehrsatz und Praxislehrerin
  • Marlis Nattiel, Kindergartenlehrerin im Steigerhubel, Bern; Dozentin und Verantwortliche für die Schuleingangsphase am Institut für Weiterbildung und Dienstleistungen der PHBern
  • Kathleen Panitz, Dozentin am Institut Primarstufe der PHBern im Bereich Erziehungs- und Sozialwissenschaften
  • Philippe Schild, ehemals Kindergartenlehrer in Jegenstorf und Praxislehrer, heute IF-Lehrer auf der Unterstufe und Student der Erziehungswissenschaft
  • Evelyne Wannack, ausgebildete Primarlehrerin, Erziehungswissenschaftlerin, Forscherin und Leiterin des Zentrums für Forschungsförderung an der PHBern

Der Kindergarten hat einen verschlungenen Weg hinter sich seit den ersten Initiativen zur frühkindlichen Bildung Mitte des 19. Jahrhunderts: Initiiert oftmals von Idealistinnen, getragen von privaten Vereinen, wurde die Arbeit lange ohne geregelte Ausbildung und unter sehr heterogenen Anstellungsbedingungen ausgeübt. Einen grossen Wandel brachten die letzten zwei, drei Jahrzehnte. Hin zu einer Institution, die heute nicht mehr wegzudenken ist: "Die Akzeptanz des Kindergartens in der Bevölkerung ist einmalig", sagt die Kindergartenlehrerin Marlis Nattiel. "Schon bevor der Besuch im Jahr 2013 obligatorisch wurde, haben mehr als 99 Prozent aller Kinder das Angebot besucht." Damals wie heute starten die meisten Kinder gerne mit dem Kindergarten. "Natürlich abhängig vom Entwicklungsstand, von den Urteilen allfälliger älterer Geschwister und von den Erwartungen der Eltern", weiss Kindergartenlehrerin Marlies Käser.

"Das sind Hilferufe"

Ob die Kinder mit vier Jahren parat sind für den Kindergarten, ist eine Frage, die sich unter den Anwesenden gar nicht stellt. Denn: Von offizieller Seite existiert kein Kriterienkatalog, den es zu erfüllen gäbe. Entsprechend inklusiv und dem Entwicklungsstand der Kinder angepasst solle der Start in den Kindergarten sein. "Seitenlange Listen von Eintrittskriterien, wie ich sie manchmal von Kolleginnen und Kollegen sehe – zum Beispiel, dass Kinder bereits ihren Namen schreiben oder mit der Schere schneiden können sollen –, sind haarsträubend und reine Willkür", sagt Marlies Käser und erntet viel Zustimmung. So meint Dozentin Kathleen Panitz: "Solche Briefe, wie sie oft im Frühling an die Eltern gehen, sind eigentlich Hilferufe. Sie zeigen, dass sich die Institution von der natürlichen Entwicklung der Kinder entfernt. Statt der Entwicklungslogik und den Lerninteressen der Kinder zu folgen, orientieren sie sich an der Organisationslogik, also der Frage, wie die Organisation der Schule am reibungsfreisten funktioniert."

Der Zyklus 1 der Volksschule soll einen sanften Einstieg in die institutionalisierte Bildung ermöglichen. Nach dem Kindergarten finde allerdings oft ein Bruch im Lernsetting statt, hat Philippe Schild beobachtet. "Während einer Stellvertretung habe ich Formen des spielerischen Lernens aus dem Kindergarten auch in der Unterstufe integriert. Am Mittag haben sich die Kinder dann beschwert, dass sie gar nichts gelernt hätten. Die seltsame Vorstellung, dass Lernen anstrengend sein muss und am Tisch sitzend stattfindet, ist weiterhin sehr verbreitet."

Tatsächlich wurde auch der Kindergarten immer wieder von Tendenzen zur Verschulung heimgesucht – zum Beispiel nach dem mittelmässigen Abschneiden der Schweiz bei der PISA-Studie. Als Folge wurden vermehrt Trainingsprogramme für die Kindergärten erstellt. "Viele Kindergartenlehrpersonen haben immer wieder das Gefühl, sie müssten Arbeitsblätter einführen, damit die Kinder ins Lernen hineinkommen", berichtet Marlies Käser. Kathleen Panitz gibt zu bedenken, dass das Lösen von Arbeitsblättern eigentlich von einem verstaubten Schulverständnis zeuge: "Ein solches Lernen hat auch auf der Primarstufe nichts verloren. Es sollten vielfältige, vor allem bewegte und entdeckende Lernformen im Zentrum stehen. Auch an der Hochschule kommen wir davon weg, rein über die Kognition zu gehen, und berücksichtigen verschiedene Erkenntniswege."

"Bitte noch mehr Forschung!"

Das Freie Spiel ist für alle Beteiligten ein zentrales Element des Kindergartens. Heute wird diese Lernform auch wissenschaftlich erforscht und ihre Wirkung ist belegt. Dass zum Kindergarten überhaupt geforscht wird, ist vor allem der Tertiarisierung der Lehrerinnen- und Lehrerbildung zu verdanken. "Mit der Gründung  der Pädagogischen Hochschulen rückte auch der Kindergarten in den wissenschaftlichen Fokus und damit die Durchführung von entsprechenden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten", weiss Evelyne Wannack. "Früher basierte die Aus- und Weiterbildung hauptsächlich auf mündlicher Tradierung." Die PHBern hat seit ihrer Gründung im Jahr 2005 28 Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit Bezug zum Kindergarten bzw. zum Zyklus 1 durchgeführt, vielfach auch mit fachdidaktischen Fragestellungen – eine Perspektive, die früher kaum existierte.

Die Bedeutung der Forschung für ihre Arbeit schätzen alle Praxisleute am Tisch als sehr hoch ein. "Für mich dürfte es gerne auch noch mehr sein", sagt Marlies Käser. Sie versorgt auch die Studierenden, die bei ihr das Praktikum absolvieren, regelmässig mit Lektüre. Darunter sind Ausgaben der Buchreihe "Beiträge für die Praxis" der PHBern, die wissenschaftliche Erkenntnisse für die Praxis zugänglich macht. Fünf der elf bisher erschienenen Bände thematisieren den Kindergarten. Ein Must-read für Kindergartenlehrpersonen ist die Fachzeitschrift "4bis8". Auch hier ist die Expertise der PHBern stark vertreten, wie die über 60 Beiträge von Forschenden und Dozierenden der PHBern – darunter ein Dutzend aus der Feder von Evelyne Wannack – in den vergangenen 17 Jahren zeigen.

Philippe Schild betont die Arbeitsteilung zwischen Forschung und Praxis: "Die Rolle der Forschung ist, Theorien zu entwickeln. Unsere Rolle als Lehrpersonen ist nicht, uns darüber aufzuregen, dass sie nicht zu 100 Prozent auf unseren Unterricht passen. Die Aufgabe der Lehrpersonen ist, die Brücke zwischen Theorie und Praxis zu schlagen."

Sprungbrett statt Sackgasse

Wie kann das Studium an der PHBern auf den vielfältigen Alltag im Kindergarten vorbereiten? "Nach der dreijährigen Ausbildung verfügen die Generalistinnen und Generalisten über eine solide Basisausstattung. Die Absolventinnen und Absolventen sollen das Vertrauen haben, gut unterrichten zu können", sagt Dozentin Kathleen Panitz. Und Marlis Nattiel von der Weiterbildung ergänzt: "Was man trotz so vielen Praktika wie nie zuvor erst im Beruf erhält, ist Erfahrung. Sie ist nötig, um Sicherheit und Vertrauen auch gegenüber den Eltern aufzubauen." Zur wichtigen Phase des Berufseinstiegs sowie zu weiteren Stationen der Berufslaufbahn bietet die PHBern spezifische Weiterbildungen an.

Dass in den letzten Jahren viel gegangen ist, zeigt sich nicht zuletzt an den Berufsperspektiven. Kindergartenlehrperson ist heute kein Sackgassenberuf mehr. Kam vor 20 Jahren nur der Wechsel in einen verwandten Beruf infrage – zum Beispiel Kleinkindererzieherin oder -erzieher –, steht einer Kindergartenlehrperson heute das gesamte Feld der Bildung offen: von einem Weiterstudium (zum Beispiel Schulische Heilpädagogik oder Erziehungswissenschaft) über die Arbeit als Schulleiterin oder Schulleiter bis zu einer Laufbahn als Dozentin oder Dozent an einer Pädagogischen Hochschule. An dieser positiven Entwicklung gilt es festzuhalten. Als gemeinsame Aufgabe der Hochschule und der Schule.

Dieser Artikel erschien zuerst im Magazin "Education" 3.2022

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Als Eingang in die Volksschule kommt ihm zentrale Bedeutung zu: dem Kindergarten. Wie es heute um seinen Stellenwert steht, weshalb er nicht verschult werden darf und warum Forschung hilft, eine bessere Lehrperson zu werden, besprechen Fachleute aus der Praxis sowie aus Lehre, Weiterbildung und Forschung der PHBern.