Die Vernissage war ein voller Erfolg: Rund 60 Personen sind an die PHBern gekommen, um die Künstlerin Sara Peeters kennenzulernen. Sara Peeters erklärt trotz ihrer Sprechblockaden, wie sie das Visualisieren mittels Comics für sich entdeckt hat. Und weshalb es für sie zu einem Kommunikationsmittel geworden ist. Die anwesenden Personen waren sichtlich berührt von ihren Worten und Zeichnungen. Vernissage verpasst? Im Interview stellt sich die Künstlerin vor.
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Die Organisatorin Susanne Enggist (links) und Künstlerin Sara Peeters eröffnen die Ausstellung.
Wieso zeichnen Sie Comics?
Nach meiner Diagnose habe ich den Austausch zu anderen Autisten und Autistinnen gesucht. Ich habe viel gelesen und Vorträge besucht. Da reden für mich sehr stressig ist und ich immer wieder Sprechblockaden habe, habe ich das Zeichnen als Kommunikationsmethode gewählt. Mein Ziel ist, meine Erfahrungen als Autistin zu teilen. Vor ein paar Jahren habe ich einen Sketchnotes-Workshop besucht. Hier versucht man ganz explizit und ohne Perfektionismus zu zeichnen. Ein Bild ist gut, wenn es zusammen mit dem dazugehörigen Text, die erwünschte Botschaft mitteilt. Es muss keine Kunst sein, sondern Kommunikation. Diesen Ansatz habe ich übernommen.
Welches Thema ist bei ihren Werken zentral?
Die Reizüberflutung. Im Leben von Autistinnen und Autisten spielt sie eine wichtige Rolle. Während meiner Schulzeit konnte ich diese Erfahrung noch nicht verstehen und erkennen. Reize können alles Mögliche sein: von einfachen sensorischen Reizen wie ein Hintergrundgeräusch oder die Kleider auf der Haut über Planänderungen und komplizierte Aufgaben, die plötzlich eine Unmenge an Gedanken generieren, bis hin zur sozialen Interaktion.
Eine Reizüberflutung nehme ich wie folgt wahr: Kleine Sachen werden plötzlich ganz gross und unkontrollierbar. Beispielsweise Geräusche, die ich vorher aushalten konnte, nehme ich plötzlich viel lauter wahr. Kleine Probleme, wie die Entscheidung, ob ich eine Jacke anziehen soll oder nicht, werden plötzlich riesig und unlösbar. Auch Emotionen werden auf einmal viel überwältigender. Wenn dies eintrifft, weiss ich, dass nur eines hilft: Die Reize sofort zu stoppen.
Wenn die Reizüberflutung nicht sofort erkannt wird, kann es zu einem Shutdown (eine totale Blockade, die die Mobilität und die Kommunikation sehr einschränkt oder ganz zum Erliegen bringt) oder einem Meltdown kommen. Das ist ein Ausbruch der internen Spannung begleitet von Weinen, Schreien oder um sich Schlagen.
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Die Vernissage war ein voller Erfolg: Rund 60 Personen kamen, um die Künstlerin Sara Peeters kennenzulernen.
Was ist so schwierig daran in der Schulzeit?
Bei jungen Menschen gibt es im Schulalltag bezüglich Reizüberflutung zwei Hürden. Einerseits ist man noch nicht so gut darin, eine Reizüberflutung zu erkennen. Es kann alles sehr schnell gehen, und woher soll man auch ahnen, dass es sich um eine Reizüberflutung handelt, wenn alles plötzlich lauter als sonst erscheint. Andererseits muss es auch die Möglichkeit zum Rückzug geben. Die Hand aufhalten und fragen, ob man das Zimmer verlassen darf, bedeutet in dem Moment nur noch mehr Überforderung. Reizüberflutungen gibt es bei Autisten und Autistinnen immer wieder, deshalb denke ich, dass es für alle Beteiligten wichtig ist, das Phänomen zu kennen und zu verstehen.
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Ich hätte alles gemacht, um "normal" zu sein und war jedes Mal aufs neue enttäuscht, wenn das nicht geklappt hat.
Sara Peeters
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Künstlerin und Software-Entwicklerin
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Wie haben Sie ihre Schulzeit erlebt?
Ich habe immer sehr gerne gelernt. In der Schule war ich aber sehr einsam und unglücklich. Ich habe bemerkt, dass ich anders war und mit so vielen Sachen Probleme hatte. Niemand wusste weshalb. Mit der Zeit habe ich eine sehr grosse Angst entwickelt, etwas falsch zu machen. Diese Angst hat sich auf Prüfungen ausgewirkt, aber auch auf mein Leben. Ich hätte alles gemacht, um "normal" zu sein und war jedes Mal aufs neue enttäuscht, wenn es nicht geklappt hat.
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Die Künstlerin Sara Peeters sagt ein paar Wörter zu ihrer Ausstellung "Mein Leben als Autistin".
Welche Hauptbotschaft möchten Sie mitgeben?
Ich denke, es ist wichtig, Schülerinnen und Schüler ernst zu nehmen. Ich hatte Probleme, fand keinen Anschluss, konnte häufig nicht reden. Zudem hatte ich solche Prüfungsangst, dass ich die Prüfungen leer zurückgegeben habe. Und ja, ich habe mich manchmal unmöglich verhalten. Aber nicht, weil ich eine schwierige Schülerin sein wollte, sondern weil ich es so schwierig hatte und keine andere Lösung fand. Dabei gab es immer wieder Lehrpersonen, die nur das schwierige Kind sahen, und solche, die versucht haben, mir zu helfen. Dank letzteren habe ich meine Schulzeit geschafft. Dafür werde ich ihnen ewig dankbar sein. Auch, wenn es keine perfekten Lösungen gab – die Autismusdiagnose bekam ich erst viele Jahre später – war ihr Hinschauen, Hinhören und Handreichen für mich entscheidend.
Die Ausstellung ist noch bis am Mittwoch, 18.9.2024, während den PHBern-Öffnungszeiten, im 2.OG öffentlich zugänglich.
Ein Besuch lohnt sich! Bereichern Sie ihren pädagogischen Alltag mit neuen Perspektiven.
Zur Künstlerin
Sara Peeters war früher Photonikingenieurin und hat nach ihrer Autismusdiagnose den Beruf gewechselt, um Softwareentwicklerin zu werden. "Ich liebe es, Dinge zu erschaffen, sei es das Schreiben von Software für verschiedene Projekte, das Nähen meiner eigenen Kleidung in meiner Freizeit oder das Zeichnen visueller Notizen für alles", erzählt sie. Ihre Illustrationen sieht sie eher als eine Form der Kommunikation und des Verständnisses, als eine Kunstform. Die Künstlerin ist in Belgien geboren und lebt nun in ihrer Wahlheimat Schweiz, wo sie gerne die Natur erkundet.
"Für mich ist es keine Kunst, sondern Kommunikation", erklärt Sara Peeters. Die belgische Künstlerin mit Wahlheimat Bern hat letzten Freitag mit einer Vernissage ihre Ausstellung an der PHBern eröffnet. Wie es dazu kam, dass sie ihr Leben als Autistin illustriert, und wieso sie einigen Lehrpersonen auf ewig dankbar sein wird, verrät sie im Interview.
Projektteam hinter GRAFOS-2 (v.l.n.r.): Michael Eckhart, Judith Sägesser und Michelle N. Maurer.
Die Förderung grafomotorischer Kompetenzen im Kindergarten- und Grundschulalltag ist für den Bildungserfolg wichtig. Lesen und Schreiben sind grundlegende Fähigkeiten, die nicht nur für den schulischen Erfolg, sondern auch für die aktive Mitgestaltung in der Gesellschaft und Kultur wichtig sind.
Endlich da:
Ab sofort ist GRAFOS-2 – Die Screening- und Differentialdiagnostik der Grafomotorik im schulischen Kontext Teil 2 erhältlich.
Das ursprünglich entwickelte GRAFOS-1 eignet sich besonders gut, um die grafomotorischen Schwierigkeiten von Kindern im Kindergartenalter zu identifizieren. Allerdings zeigte sich bei Schulkindern ein sogenannter "Deckeneffekt", der darauf hinwies, dass das Testverfahren für diese Gruppe zu einfach war.
Deshalb wurde das Instrument im Rahmen des Forschungsprojekts "grafset" (von der PHBern und dem Schweizerischen Nationalfonds unterstützt) zu GRAFOS-2 weiterentwickelt. Es bietet nun anspruchsvollere Aufgaben und eignet sich auch für die Verlaufsdiagnostik.
Inhalte von GRAFOS-2
GRAFOS-2 erfasst wichtige entwicklungspsychologische Aspekte, darunter Fein-, Visuo- und Augenmotorik, Sitzhaltung sowie Zeichenentwicklung.
Das diagnostische Instrument besteht aus drei Komponenten: einem Screening, das mit der ganzen Klasse durchgeführt werden kann, einem Beobachtungsbogen, der den Schulalltag begleitet sowie einer Differentialdiagnostik für Kinder mit besonderem Förderbedarf. Der Test ist spielerisch aufgebaut. Die Kinder machen ihn gerne.
Die wichtigsten Änderungen im Vergleich zu GRAFOS-1 umfassen:
die Ergänzung eines anspruchsvolleren Screeningbogens für Schulkinder,
die Anpassung der Beurteilungskriterien sowie
die Beobachtung zusätzlicher motorischer Mitbewegungen während der Differentialdiagnostik.
Diese Änderungen ermöglichen eine differenzierte Erfassung der individuellen Leistungsunterschiede und fördern eine noch gezieltere Unterstützung von Kindern mit spezifischem Förderbedarf.
Wieso lohnt es sich?
Der scheinbare Mehraufwand zahlt sich aus: Die Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen und Psychomotoriktherapeutinnen und Psychomotoriktherapeuten ermöglicht eine effektivere Unterstützung der Kinder im Schulalltag.
Studien zeigen, dass diese Zusammenarbeit zu einem wertvollen Austausch von Fachwissen führt und die belastende Wirkung dieser Zusammenarbeit nicht grösser ist als bei einer unkoordinierten Vorgehensweise. GRAFOS-2 erleichtert somit nachweislich den Alltag, da Kinder mit Schwierigkeiten frühzeitig und gezielt unterstützt werden können.
Der Zeitaufwand ist überschaubar: "Das Screening benötigt etwa eine halbe Lektion, der Beobachtungsbogen zehn Minuten und die Differentialdiagnostik ein bis zwei Lektionen pro Kind", so Judith Sägesser.
Mit Früherkennung zum Erfolg
Eine frühzeitige Erkennung von Kindern mit grafomotorischen Schwierigkeiten ist für eine gezielte Förderung eine wichtige Voraussetzung. So können die Kinder durch angepasste Unterstützung und enge Zusammenarbeit zwischen Psychomotoriktherapeutinnen oder Psychomotoriktherapeuten und Lehrpersonen besser unterstützt werden.
Dies trägt nicht nur zur Entwicklung der grafomotorischen Fähigkeiten bei, sondern erhält auch die Motivation und das Selbstvertrauen der Kinder beim Erlernen des Schreibens. Denn oft geben sich die Kinder nicht "zu wenig Mühe", sondern ihnen fehlt noch die entsprechende Fähigkeit. Sobald sie diese gezielt üben können, ist der Weg geebnet für eine erfolgreiche Schul- und Berufslaufbahn.
Das Projektteam hinter GRAFOS-2
GRAFOS-2 wurde von Judith Sägesser, Michael Eckhart und Michelle N. Maurer entwickelt. Judith Sägesser bringt als Primarlehrerin und Psychomotoriktherapeutin wertvolle Expertise in die Entwicklung ein. Michael Eckhart, Leiter des Instituts für Heilpädagogik der PHBern, spezialisiert sich auf Themen rund um Inklusion und besondere Förderung. Michelle N. Maurer, Entwicklungspsychologin an der Universität Stavanger (Norwegen), erforscht die Zusammenhänge zwischen motorischen und kognitiven Fähigkeiten bei Kindern.
Die Entwicklung von GRAFOS-2 stellt einen wichtigen Schritt in der Förderung grafomotorischer Kompetenzen dar und bietet Lehrpersonen ein praxisnahes Werkzeug, um die Schreibfähigkeit und damit die schulische Entwicklung von Kindern nachhaltig zu unterstützen.
GRAFOS-2 ist nicht nur in der Schweiz gefragt. Zurzeit wird es in Italien und in Frankreich für das jeweilige Land normiert.
Weiterbildungen und Bestellmöglichkeiten
Für die Anwendung von GRAFOS-2 ist die Teilnahme an einer Schulung erforderlich.
GRAFOS-2 beurteilt die grafomotorischen Fähigkeiten von Kindern im Zyklus 1. Dank der Früherkennung können Kinder mit Förderbedarf gezielt erfasst werden. Der Grundstein für eine erfolgreiche schulische Laufbahn ist gelegt.
Haben Sie schon einmal versucht, den Blindenhund zu retten?
Haben Sie schon einmal versucht, den Blindenhund zu retten?
The Unstoppables 2: "Das Spiel funktioniert ohne lange Erklärungen und der Zugang ist sehr unkompliziert", sagt Michael Gerber, Lehrperson Zyklus 2 aus Weisslingen (ZH).
The Unstoppables 2: "Das Spiel funktioniert ohne lange Erklärungen und der Zugang ist sehr unkompliziert", sagt Michael Gerber, Lehrperson Zyklus 2 aus Weisslingen (ZH).
So macht Unterricht Spass: Das Lernspiel vermittelt die Inhalte spielerisch.
So macht Unterricht Spass: Das Lernspiel vermittelt die Inhalte spielerisch.
"The Unstoppables 2" baut auf dem erfolgreichen und vielfach ausgezeichneten ersten Spiel mit gleichem Namen auf. In der zweiten Version begleiten die Schülerinnen und Schüler die Helden Jan, Melissa, Achim und Mai in die Berge, um ihren Blindenhund Tofu zu retten. Neu dabei ist die Figur Rina, die eine unsichtbare Behinderung hat. Wie alle im Team hat auch sie eine besondere Fähigkeit. Haben Sie es schon einmal geschafft, den Blindenhund zu retten? Noch nie gespielt?
"Ich habe die Unterrichtseinheiten von Prinzip Vielfalt mit zwei Klassen der 3. und 4. Klasse durchgeführt. Die Inhalte fand ich für diese Stufe sehr passend und es hat mir Spass gemacht, die jeweiligen Sequenzen vorzubereiten. Besonders beeindruckt zeigten sich die Schülerinnen und Schüler von den Rollenspielen: Sie haben sehr motiviert und mit grossem Engagement mitgearbeitet."
Michael Gerber, Lehrperson Zyklus 2
"Am Prinzip Vielfalt gefällt mir, dass die verschiedenen Unterrichtssequenzen nach Stufe geordnet sind und je nach Bedarf einzeln abgerufen werden können. Das Spiel funktioniert ohne lange Erklärungen und der Zugang ist sehr unkompliziert."
Unterrichtsmaterial zum Thema Gleichsein und Andersein
Die Lernspiele sind Bestandteil des umfassenden Lehrmittels "Prinzip Vielfalt". Dieses bietet wirksame Unterrichtsmaterialien für alle Schulstufen zum Thema Anderssein und Gleichsein. "Prinzip Vielfalt" wurde von der PHBern und der LerNetz AG im Auftrag der Stiftung Cerebral erarbeitet und ist online abrufbar. Der zentrale Gedanke ist, dass Vielfalt eine Chance darstellt. Das gemeinsame Ziel: Kinder und Jugendliche sollen einen unkomplizierten und niederschwelligen Zugang zum Thema Gleichsein und Anderssein erhalten.
Nominiert für den Kindersoftwarepreis Tommie
Das Lernspiel "The Unstoppables 2" wurde für den Tommie Kindersoftwarepreis nominiert. Die Bewertung der Jury lautet: "Das Spiel fordert dazu auf, sich auf die unterschiedlichen Beeinträchtigungen der selbstbewussten Protagonistinnen und Protagonisten einzulassen und zeigt dabei spielerisch, wie wenig barrierefrei unsere Welt oft ist. Auf unterhaltsame Weise sensibilisiert die App für die Herausforderungen von Menschen mit Behinderungen [...]. Insgesamt bietet 'The Unstoppables 2' ein kurzweiliges und lehrreiches Spielerlebnis. Die Preisverleihung findet am 1. Dezember im KiKA-Medienmagazin "Team Timster" statt. Die PHBern ist gespannt!
Das bewährte Lehrmittel "Prinzip Vielfalt" ist um ein spannendes Lernspiel reicher: "The Unstoppables 2". Das Spiel wurde speziell für den Unterricht entwickelt und sensibilisiert Schülerinnen und Schüler für die Herausforderungen von Menschen mit Behinderungen. Es unterstützt Lehrpersonen dabei, spielerisch ein gutes Klassenklima und eine starke Gemeinschaft zu fördern.